Gustav Peichl wurde 91 Jahre alt.

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Der Messeturm im Wiener Prater gehört zu Peichls bekanntesten Werken.

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"Ich bin eine Art Pausenclown, und immer, wenn ich den Mund aufmache, steht das sofort irgendwo in der Zeitung", sagte Gustav Peichl einmal in einem Interview mit dem STANDARD. "Tatsächlich ist Ironie ein wichtiger Bestandteil der Architektur. Ironie ist mein Hang und Drang. Und am meisten taugt es mir, wenn meine Häuser Nicknames verpasst bekommen. Ich freue mich über jeden Spitznamen." Am Sonntag ist der Pausenclown, leidenschaftliche Karikaturist (Ironimus) und Erbauer der Fledermausschule, des Messe-Chamäleons und der vielen Peichl- und Bacher-Torten im Alter von 91 Jahren im Kreise seiner Familie in seinem Erstlingswerk in Wien-Grinzing, in dem er seit 1962 lebte, verstorben.

Peichl, der am 18. März 1928 in Wien geboren wurde, die Bundesgewerbeschule in Wien-Mödling besuchte und zu Beginn als technischer Zeichner im Stadtbauamt in Mährisch-Trübau (heute Moravská Třebová) arbeitete, prägte die Architektur der Sechziger- und Siebzigerjahre wie kein anderer. Währendt seine Lehrer und Wegbegleiter wie etwa Clemens Holzmeister, Roland Rainer, Hans Hollein, Wilhelm Holzbauer und der Künstler Walter Pichler dem Großen, dem Futuristischen, dem Megalomanischen frönten, interessierte sich Peichl stets für den kleinen Maßstab, scheute sich nicht davor zurück, klein zu sein und winzige Türen und Fenster in seine Bauten zu setzen.

ORF-Studios wie Torten geplant

"Heutzutage ist alles viel zu groß und viel zu unproportioniert. Ich kann mit diesen großen Sachen nichts anfangen. Ich will für den Menschen bauen und nicht für irgendwelche technokratischen Machenschaften", so Peichl. Die von ihm geplanten ORF-Studios in Eisenstadt, Graz, Linz, Salzburg, Innsbruck und Dornbirn (1969 bis 1982), die aufgrund der runden Form oft auch als Torten für den ehemaligen ORF-Generalintendanten Gerd Bacher bezeichnet wurden, wirken heute immer noch ansprechend und modern. Kurze Wege, Wohlbefinden und Funktionalität bis zum letzten Millimeter waren die Prämissen seiner Arbeit.

Während eine kleine Volksschule am Wienerberg aufgrund ihrer ungewöhnlichen Hauptfassade von den Schülern den Spitznamen "Fledermausschule" verpasst bekam, lag dem Grundriss des neuen Messegebäudes im Wiener Prater ein langgestrecktes Chamäleon zugrunde. Der niedrige, gedrungene Turm mit Zipfelmütze daneben ist jedem Wiener ein Begriff. Es folgten der Zubau zum Frankfurter Städel-Museum (1991), die Bundeskunsthalle in Bonn (1992), der Wiener Millennium-Tower (1999, in Kooperation mit Boris Podrecca und Rudolf Weber), das Probengebäude der Münchner Kammerspiele (2001), das Karikaturmuseum Krems (2001) sowie ein paar wenige Wohn- und Bürobauten in Wien und Berlin, die jedoch längst nicht mehr die hohe Qualität von Peichls Frühwerk erreichten.

Steckenpferd Ironimus

Mehr als auf die Architektur, scheint es, konzentrierte sich Peichl zuweilen auf das Zeichnen, auf das karikierende Kommentieren der Landes- und Bundespolitik. Als Ironimus fertigte er viele Jahrzehnte lang Karikaturen für die "Presse" und die "Süddeutsche Zeitung" an – oft täglich. "Er hat uns Innenpolitikjournalisten eigentlich überflüssig gemacht", sagte "Presse"-Chefredakteur Rainer Nowak einmal in einer Laudatio. "Wenn man seine gezeichneten Bilder betrachtet, versteht man die Geschichte dazu." Unvergessen seine Karikaturen zu Sinowatz, Waldheim und Kirchschläger, zu Schüssel, Klima und Vranitzky, die er mit Liebe auf die Schaufel nahm.

"Ich bin ein zeichnender Journalist. Bei mir kommt alles direkt vom Hirn über die Hand in die Zeichnung", so Peichl, der bis zuletzt die Arbeit am Computer verweigerte und sich selbst als Doppelgänger zwischen Bauen und Zeichnen bezeichnete. "Die Karikaturen waren ein Hobby, und erst im Laufe der Zeit ist das Hobby zum Zweitberuf geworden. Und der Peichl zum Ironimus."

Das liebste Utensil war ihm immer der Bleistift, der mit der Zeit immer zittriger gezogen wurde. "Eine Zeichnung gibt Anregung, wie der Entwurf weitergehen soll. Das kann ein Computerbild gar nicht. Heute zeichnet ja niemand mehr. Die sind alle per Mausklick unterwegs." Als Schutz für die Zeichnung führte die Akademie der bildenden Künste 2014 den Gustav-Peichl-Preis für Architekturzeichnung ein.

"Wissen Sie, eitel, wie ich bin, gefällt mir das meiste, was ich bisher fabriziert habe, im Großen und Ganzen sehr gut", erzählte Gustav Peichl zu seinem 85. Geburtstag im Gespräch mit dem STANDARD. "Aber wirklich zufrieden bin ich nie. Ich wünsche mir, dass der Architektur generell mehr Respekt entgegengebracht wird, als das heute der Fall ist." Der Wunsch hat über seinen Tod hinaus Gültigkeit. (Wojciech Czaja, 18.11.2019)