SUVs gibt es in rauen Mengen, echte Geländewagen hingegen werden immer rarer. Einer davon, zweifellos einer der besten der Welt und zugleich einer der begehrtesten, nahm unlängst eine ganz besondere Hürde: Der Toyota Land Cruiser hat sich inzwischen weltweit über zehn Millionen Mal verkauft. Trotz der 68 Jahre, die diese Zeitspanne umfasst – seine Laufbahn hat er am 1. August 1951 unter dem Namen Toyota BJ begonnen – eine beachtliche, ja geradezu außerordentliche Leistung, selbst im Vergleich etwa mit dem Golf von Volkswagen, der seit 1974 über 35 Millionen Kunden fand. Oder ein anderer, passenderer Vergleich: Die 1979 eingeführte Mercedes-G-Klasse kam bisher auf keine 350.000 verkaufte Fahrzeuge, der Jeep Wrangler allerdings auf weit über drei Millionen.

Der G wurde im Vorjahr ganz neu aufgelegt, ist im schweren Gelände weiterhin nahezu unschlagbar, daneben aber ein fast schon protziger Luxuswagen geworden. Ersteres trifft auf den Land Cruiser auch zu, Letzteres aber viel weniger, und im Gegensatz zum Mercedes ist er ein richtig alter Herr. Mit diversen Modellpflegen reicht die aktuelle Generation auf 2002 zurück. Man hat es in diesem Fahrzeugsegment nicht so mit den übereilten Modellwechseln und Neuauflagen, siehe auch Land Rover Defender (und G).

Der Land Cruiser ist ein praktisch unkaputtbarer Rasse-Geländewagen auf einer Leiterrahmenkonstruktion, das verlangt der gute Ton. Seine Talente sind von der Arktis bis in die Tropen gefragt.
Foto: Andreas Stockinger

Entschleunigung

Entsprechend schlägt er sich im Vergleich mit den vielen aktuellen Toyota-SUVs auf der Straße. Der Land Cruiser schwimmt dort nämlich wie ein Schiff, die SUVs hingegen fahren sich wie Pkw. Vielleicht macht gerade das einen Teil des Charmes aus, dieses gewichtige, zu Betulichkeit, Entschleunigung erziehende Prachtstück aus Japan. Mit dem kann man wahrhaft grenzenlose Mobilität erfahren. Wobei er dort, wo noch kein SUV je (auf Dauer) gewesen ist, erst beginnt, sich richtig wohlzufühlen.

Damit da keine Missverständnisse aufkommen: Innen drin ist der Land Cruiser ebenfalls auf Höhe der Zeit, dazu fast schon nobel gewandet– ein Genuss, dieses naturbelassene, nicht zu Tode lackierte Holz –, nur eben weit entfernt von Opulenz und Prunk.

Den Land Cruiser gibt es als Drei- und Fünftürer, den Fünftürer wiederum als Fünf- und Siebensitzer. Wir entschieden uns für die perfekte Balance – also fünf plus fünf. Motorisch gibt es in der EU aufgrund der Abgasvorschriften leider nur mehr eine Option, den 2,8-Liter-Turbodiesel mit 177 PS, nix V8 wie in früheren Tagen. Ausreichend stark ist der 2,1-Tonnen-Geländeriese damit zwar, aber beileibe nicht übermotorisiert. Auch ist der Selbstzünder akustisch so präsent, dass man jederzeit weiß, was man hat.

Von der Arktis bis in die Tropen

Die Schräglage ist hier simuliert, so viel und noch mehr geht aber auch im wirklichen Leben. Innen kann man sich wohlfühlen.
Foto: Andreas Stockinger

In Schwung gehalten wird das Werkl von einer 6-Gang-Wandlerautomatik, auch die nicht mehr der letzte Schrei, aber trotzdem harmonisch sich in die Gesamtcharakteristik des komfortablen Geländewagens einfügend, und beim Verbrauch sollte man mit einem Wert nicht dramatisch unter zehn Litern auf 100 Kilometern rechnen, auf Asphalt natürlich; wir kamen auf knapp darüber.

Dass man den Land Cruiser nicht nur in unseren Breiten schätzt, sondern von der Arktis bis in die Tropen, liegt an seinem unverwüstlichen Charakter und, wie gesagt, seinen überragenden Geländefähigkeiten. Der geht über Stock und Stein, nimmt atemberaubende Steigungen, Gefälle, Seitenneigungen, watet durch Bäche. Sein einziges Handicap im Vergleich beispielsweise mit dem Suzuki Jimny wäre seine schiere Größe, der Fünftürer ist immerhin 4,84 Meter lang (der Dreitürer nur 4,40, mit Reserverad 4,57) und 1,90 Meter breit – trotz eines bemerkenswert engen Wendekreises (11,6 m) muss er an jenen seltenen Stellen passen, wo der 3,65 Meter kurze Jimny noch munter um die Ecken wuselt.

Leiterrahmen sind nicht zum Fensterln da

Zeitgemäß verteilt Toyota die Abrufbarkeit des jeweils gewünschten Geländetyps auf Dreh- und Drück-Schalter in der Mittelkonsole. Von H4 bis L4 (Geländeuntersetzung) ist es nur ein Dreher. Aufheben oder absenken der Karosserie? Bitte die entsprechende Taste drücken, detto bei Zentral- oder Hinterachssperre, und dass der Land Cruiser es sich auf einer Leiterrahmenkonstruktion bequem macht, weist ihn ebenfalls als einen der Letzten seiner Art aus – der Land Rover Defender verlässt in der Neuauflage diese Vorgabe und wechselt auf selbsttragende Karosserie. Mal sehen, was er mit der zu(ab)wege bringt.

Toyota jedenfalls hat mit dem Land Cruiser immer schon alles gut gemacht und steuert guten Mutes die nächste Absatzmillion an. Dazwischenkommen könnte ihm höchstens etwas, wenn die Weltregierung den Verbrenner, den Diesel, verbietet. Bis dahin gilt: freie Fahrt allüberall. (Andreas Stockinger, 26.12.2019)