Wie Herdenimmunität funktioniert: Geht es um die Ausbreitung von Infektionen, sind wir Menschen wie eine Schafherde. Das Schaf links oben ist krank. Zum Glück wurden die Schafe drumherum geimpft, sie können also keine Viren weiter verbreiten. Dadurch sind auch die zwei ungeimpften Schafe in der Herde geschützt.

Foto: GPSP/DER STANDARD

Frage: Was bringt die Grippeimpfung?
Antwort: Sie verringert das Risiko an einer echten Grippe zu erkranken im Schnitt um 60 Prozent. Steckt man sich dennoch an, kann die Erkrankung schwächer und kürzer ausfallen. Außerdem profitieren Risikopatienten deutlich, sagt der Wiener Reisemediziner Herwig Kollaritsch. Bei Herzschwäche-Patienten etwa sinkt die Sterblichkeit durch die Impfung um 18 Prozent.

Frage: Es gibt also keinen garantierten Schutz. Warum sollte man sich da impfen lassen?
Antwort: "Der springende Punkt ist", so Kollaritsch, "dass wir keine andere Option gegen Influenza haben." Er vergleicht die Impfung mit dem Sicherheitsgurt im Auto. Auch der schütze nicht zu hundert Prozent davor, im Straßenverkehr zu sterben. "Aber es gibt keine bessere Alternative, deshalb schnallen wir uns trotzdem an."

Frage: Wieso schützt sie nicht vollständig?
Antwort: Influenzaviren verändern sich ständig, der Fachbegriff lautet Antigendrift. Daher muss der Impfstoff gegen die saisonale Grippe jedes Jahr neu angepasst werden. Weil die Produktion weit vor der Grippewelle festgelegt wird, kann es passieren, dass der Impfstoff nicht vollständig vor den aktuellen Viren schützt. "Wir verlieren im Wettlauf mit der Natur an Effektivität. Wie viel das ist, können wir nicht voraussagen", so Kollaritsch. Der Schutz ist in jeder Saison anders und hat auch mit der Impfvorgeschichte des Einzelnen, dem Alter und etwaigen Grunderkrankungen zu tun.

Frage: Welche Nebenwirkungen gibt es, und kann die Impfung eine echte Grippe auslösen?
Antwort: Nach der Impfung können Frösteln, Müdigkeit oder Muskelschmerzen auftreten. Diese Symptome sind meist nach ein bis drei Tagen wieder weg. Die Grippeimpfung für Erwachsene ist ein Totimpfstoff ohne vermehrungsfähige Erreger. Daher können durch den Impfstoff weder Grippeerkrankungen hervorgerufen noch Impfviren an Mitmenschen weitergegeben werden. Da in der Erkältungssaison geimpft wird, kann es sein, dass Geimpfte zufällig kurz danach erkältet sind – viele machen dann die Impfung verantwortlich.

Mit dem Lebendimpfstoff für Kinder und Jugendliche, der in die Nase gesprüht wird, können theoretisch Impfviren auf stark immungeschwächte Menschen übertragen werden – das Risiko ist aber sehr gering. Für Kinder werden Lebendimpstoffe verwendet, da Daten aus Studien mit inaktivierten Viren gezeigt haben, dass diese Form der Impfung möglicherweise in dieser Gruppe wirkungslos ist.

Frage: Schützt die Impfung auch vor grippalen Infekten?
Antwort: Nein. Wer geimpft ist, kann dennoch an einem banalen Infekt oder Schnupfen erkranken, der von ganz anderen, den Rhinoviren, ausgelöst wird.

Frage: Warum schützt man mit der Grippeimpfung nicht nur sich selbst?
Antwort: Nicht alle Menschen können mit der Impfung vor Grippe geschützt werden. Jeder Geimpfte ist ein Überträger weniger, der die Viren an diese Risikopersonen weitergeben könnte, und unterbricht die Krankheitsübertragung wie in einer Reihe Dominosteine, bei der einer stehen bleibt. Kollaritsch nennt ein konkretes Beispiel: "Ist ein Kind an Leukämie erkrankt, würde ihm die Impfung nicht viel bringen. Dafür sollten alle Familienmitglieder geimpft werden, damit sie keine möglichen Infektionsquellen sind." Das wird Herdenimmunität oder Gemeinschaftsschutz genannt (siehe Bild). Vor allem Kinder sollten laut Kollaritsch geimpft werden, denn sie scheiden ganz massiv Influenzaviren aus, wenn sie erkranken.

Frage: Warum ist die Grippesaison immer im Winter?
Antwort: Influenzaviren können bei niedrigen Temperaturen und trockener Luft länger überleben. "Da sie keinen eigenen Stoffwechsel besitzen, benötigen sie zu ihrer Vermehrung Wirtszellen", sagt Florian Thalhammer von der Med-Uni Wien. Es wird vermutet, dass die Schleimhaut der oberen Atemwege bei trockener Luft anfälliger für Infektionen ist und das Immunsystem im Winter weniger Schlagkraft besitzt. Zudem halten wir uns im Winter länger mit anderen Menschen in wenig belüfteten Räumen auf. Das fördert die Ausbreitung von Infektionen.

Frage: Wann sollte man sich impfen lassen?
Antwort: "Zu Faschingsbeginn impfen, damit man zu Valentin geschützt ist", sagt Kollaritsch. Zu früh sollte es nicht sein, da der Schutz nach drei Monaten abnimmt. Später in der Saison geht auch noch. Allerdings: Bis der Impfschutz aufgebaut ist, dauert es etwa 14 Tage.

Frage: Gibt es Menschen, die nicht gegen Grippe geimpft werden sollten?
Antwort: Wer über 38,5 Grad Celsius Fieber oder eine schwerere akute Infektion hat, sollte dem Robert-Koch Institut für Infektionsforschung zufolge nicht geimpft werden. In solchen Fällen kann die Impfung aber nach Abklingen der Erkrankung nach geholt werden. Kinder und Jugendliche, die an einer Immun schwäche oder an schwerem Asthma leiden, dürfen nicht mit dem Influenza-Lebendimpfstoff (Nasenspray) geimpft werden. Für Erwachsene werden ohnehin ausschließlich Totimpfstoffe verwendet.

Frage: Warum lassen sich so viele nicht impfen?
Antwort: Nur neun Prozent der Österreicher gehen zur Grippeimpfung. Weil sie vorbeugend verabreicht wird, so Kollaritsch, wird jede kleine, unangenehme Begleiterscheinung wenig toleriert – immerhin ist man gesund, wenn man sich impfen lässt. Außerdem wissen viele Menschen nicht, wie sich eine echte Grippe anfühlt. Wer sie hatte, lässt sich in den Folgejahren meist impfen. Auch die Medien spielen eine Rolle: "Nur eine einzige Falschmeldung kann das Vertrauen in eine Impfung über Jahrzehnte beeinträchtigen", so Kollaritsch.

Frage: Wie viele Menschen sterben jährlich an der Grippe?
Antwort: 2018/19 starben in Österreich laut Berechnungen der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (Ages) und des Zentrums für Virologie der Med-Uni Wien an der Virusgrippe 1.400 Menschen, dar unter fünf Kinder. In der starken Saison 2017/18 waren es 2.800 Todesopfer. (Günther Brandstetter, Bernadette Redl, 19.11.2019)