Skurriles und höherer Unsinn barg bei Otto Grünmandl stets hintersinnige Gedanken – hier mit seinem Soloprogramm "Einmannstammtisch". Als Autor ist er noch wenig bekannt.

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Dem „Otto“, wie man in seiner Heimatstadt Hall in Tirol zu sagen pflegt, hätte an den Ehrungen, die ihm dort aktuell zuteil werden, wohl besonders gut gefallen, dass sein zum geflügelten Wort mutierter Programmtitel „Politisch bin ich vielleicht ein Trottel, aber privat kenn ich mich aus“ ausgerechnet am hiesigen Rathaus hängt.

Zwar verstand sich Otto Grünmandl (1924–2000) nicht als „tagespolitischer Kabarettist“, unpolitisch war er deshalb jedoch keineswegs. Herrlich wusste er etwa den Typus des (Lokal-)Politikers und hohle Phrasendrescherei zu persiflieren; man denke an manches Alpenländische Interview mit Theo Peer. Im höheren Unsinn steckte kluger, auch melancholischer Hintersinn, man findet ihn am mit Stacheldraht bewehrten Einmannstammtisch ebenso wie in Ich heiße nicht Oblomow.

Weniger bekannt ist Grünmandl als Schriftsteller, obwohl er zeitlebens Gedichte und Prosastücke schrieb. Band eins der jetzt erscheinenden Werkausgabe (Haymon) hält mit der titelgebenden Novelle Ein Gefangener eine lohnende Wiederentdeckung bereit. Abgesehen von wenigen literarischen Bearbeitungen hat Grünmandl sich kaum zur Erfahrung von Krieg und NS-Verfolgung geäußert. Die Familiengeschichte schrieb er spät in einem Brief nieder – auf Bitte seines Sohnes Florian Grünmandl, selbst Autor und Mitkurator einer Ausstellung im Stadtmuseum Hall (Grünmandl. Geschichte. Gedanken. Bilder).

Ottos Vater Alfred Grünmandl stammte aus einer jüdischen Gemeinde in Uherský Brod im heutigen Tschechien. 1907 ließ er sich in Hall nieder, gründete das Kaufhaus Grünmandl, heiratete, trat zum evangelischen Glauben über. 1938 wurde er zum „Volljuden in Mischehe“ erklärt, das Geschäft wurde 1939 arisiert. Ottos Schwester Betty floh nach England. Der Versuch, auch den Bruder nachzuholen, scheiterte.

1945 kehrte Otto aus dem Zwangsarbeitslager Rositz in Thüringen nach Hall zurück. Die Familie hatte überlebt. 1948 erhielt sie das Geschäft zurück, Otto arbeitete als Textilkaufmann. An seinen Freund, den Musiker Peter Zwetkoff, schrieb er: „Ich weiß nicht, wie lange ich es noch aushalte, arbeitsmäßig zu veröden.“ Und strich in dicken Buchstaben hervor: „Bin nämlich Poet“.

Mit Zwetkoff, der sich im Widerstand engagiert hatte, dürfte Grünmandl durchaus diskutiert haben, wie dem Vergangenen zu begegnen sei. Platte Belehrung fand er selbst zwecklos. „Ich habe ein und dieselbe Mehrheit in ein und derselben Woche am Mittwoch für Schuschnigg und am Sonntag für Hitler demonstrieren gesehen. Das war normal. Nein, ich mag normal nicht, und gesund ist mir verdächtig“, heißt es im Hörspiel Der Witwer Mischkutin. (Ivona Jelčić, 18.11.2019)