Neutral, aber schwach bewaffnet: Soldat des Bundesheers

Linz – 59 Prozent der Österreicher glauben, dass Österreich auch in zehn oder 15 Jahren noch neutral sein wird. Dabei ist es keineswegs so, dass die Österreicherinnen und Österreicher ihre Augen vor den Vorgängen in der Welt verschließen würden. Auf die Frage: „Wenn Sie an die aktuelle Sicherheitslage in der Welt denken: Ist die Welt derzeit alles in allem sicherer als vor einem Jahr oder eher weniger sicher?“ sagen 63 Prozent, dass die Welt heute weniger sicher wäre, 28 Prozent nehmen wenig Veränderung wahr, und nur sieben Prozent sagen, die Welt sei im vergangenen Jahr sicherer geworden.

Das geht aus einer aktuellen STANDARD-Umfrage hervor, die das Linzer Market-Institut im Oktober durchgeführt hat. Auffallend ist an dem Ergebnis, dass das Gefühl, in einer immer unsichereren Welt zu leben, mit dem Alter der Befragten zunimmt (von 54 Prozent bei unter 30-jährigen auf 72 Prozent bei den Personen über 50 Jahren) und dass Wähler von FPÖ und ÖVP eine besonders deutlich gestiegene Bedrohungslage wahrnehmen, während Wähler der Grünen dies am wenigsten sehen.

Mehr tun für die Sicherheit

In der aktuellen Umfrage sagen 56 Prozent: "Österreich muss jetzt mehr für seine Sicherheit unternehmen." 33 Prozent glauben, dass die Sicherheitsbemühungen ausreichend wären, nur sieben Prozent sagen, dass man mit weniger auskäme. Auch hier sind es vor allem Wähler der FPÖ und der ÖVP, die mehr Geld für das Bundesheer wollen – die Grünen halten den bisherigen Sicherheitsaufwand mehrheitlich für ausreichend, jeder neunte Grün-Wähler würde ihn sogar verringern.

Das könnte bedeutsam für die Koalitionsverhandlungen sein, meint Market-Institutsleiter David Pfarrhofer. Denn das Sicherheitsgefühl der jeweiligen Parteien werde in den Gesprächen wohl eine Rolle spielen. Und ebenso, dass die österreichische Bevölkerung heute mehr an der Neutralität hängt als in vergangenen Jahren. Unter der Regierung Schüssel gab es Überlegungen, Österreich über das damals schon bestehende Programm „Partnerschaft für den Frieden“ an die Nato heranzuführen oder dem Bündnis überhaupt beizutreten.

DER STANDARD ließ diese Idee 2003 von Market abtesten – nur 23 Prozent sagten damals, dass sich Österreich „solidarisch an einem gemeinsamen Sicherheitssystem beteiligen“ sollte – und dieser Wert ist bis 2011 minimal auf 26 Prozent gestiegen.

Trendumkehr

Weitere acht Jahre später hat sich der Trend umgekehrt: Heute sind nur mehr 17 Prozent für Solidarität in einem gemeinsamen Sicherheitssystem. Die Alternative, nämlich an der Neutralität festzuhalten, war in den Vergleichsumfragen bei 70 Prozent gelegen, heute befürworten 79 Prozent die Neutralität Österreichs.

Auffallend ist, dass die Anhänger der ehemals eher einem Nato-Beitritt gegenüber aufgeschlossenen ÖVP ebenso wie FPÖ-Wähler heute besonders stark für die Neutralität eintreten, während von den Grünwählern immerhin ein Viertel für ein (als Institution nicht näher spezifiziertes) solidarisch getragenes Sicherheitssystem eintritt.

Allerdings wird die österreichische Neutralität schon seit Jahrzehnten recht frei interpretiert, Österreichs Bundesheer nimmt ja nicht nur an gemeinsamen Friedenseinsätzen teil, sondern beteiligt sich auch am europäischen Pesco-Programm, das auf gemeinsame Verteidigungsanstrengungen der EU-Mitgliedsländer und auf eine Interoperabilität der Streitkräfte ausgerichtet ist.

Gewandelter Begriff

Das alles geschieht unter ausdrücklicher Betonung der Neutralität. Auch dazu hat Market mehrfach Umfragen durchgeführt – und die Meinungslage ist seit mehr als eineinhalb Jahrzehnten klar: 54 Prozent sagen, die Neutralität habe sich eben verändert, nur 33 Prozent sagen, das sei nicht der Fall. Schon 2001 brachte dieselbe Frage ganz ähnliche Werte.

„Und wenn Sie versuchen, in die Zukunft zu blicken: Wird Österreich in zehn bis 15 Jahren noch ein neutrales Land sein, oder glauben Sie, dass Österreich in zehn bis 15 Jahren kein neutrales Land mehr sein wird?“ Da sagen 59 Prozent, dass Österreich weiterhin neutral bleiben wird, nur 29 Prozent erwarten eine Abkehr. Das ist ein markanter Unterschied zu einer vergleichbaren Umfrage, die das Market-Institut im Jahr 2001 durchgeführt hat. Der damalige Bundeskanzler Wolfgang Schüssel hatte die Neutralität für ebenso gestrig wie Mozartkugeln und Lippizaner erklärt. Und die Bevölkerung dachte damals mehrheitlich (58 Prozent), dass die Neutralität über Kurz oder Lang aufgegeben würde. Nur 35 Prozent glaubten damals an ihr Fortbestehen. (Conrad Seidl, 19.11.2019)