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Der Streit um ein Bleiberecht für Asylwerber in der Lehre kocht wieder hoch.

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Der monatelange Konflikt um Asylwerber in der Lehre schien vor einem Ende zu sein. Die ÖVP hatte noch im Wahlkampf einen Schwenk angekündigt. Statt wie bisher gegen ein Bleiberecht zu argumentieren, forderte plötzlich auch die Volkspartei, dass Asylwerber in der Lehre nicht mehr abgeschoben werden sollen. Grüne, Neos und SPÖ sind sowieso seit längerem dafür. Anfang November einigten sich die vier Parteien auf die neue Linie: keine Abschiebung mehr während der Ausbildung. Das Innenministerium sollte den Gesetzesvorschlag dazu erarbeiten.

Dieser liegt inzwischen vor und sorgt dafür, dass die Debatte über die Asylwerber-Lehrlinge wieder hochkocht. Vor allem die Neos sind von mehreren Punkten in dem geplanten Gesetz erschüttert, die Abgeordnete Stephanie Krisper spricht von einer „Schmerzgrenze“, die erreicht ist, und einer „Farce“. Auch die Grünen-Verhandler orten Nachbesserungsbedarf. Kritik, wenn auch verhaltener, kommt auch von der SPÖ. Zufrieden ist die ÖVP. Heute, Dienstag, treffen sich Vertreter der vier Parteien erneut im Innenministerium zu Verhandlungen, deren Vereinbarung wackelt.

Kein „rechtmäßiger Aufenthalt“

Das geplante Gesetz legt tatsächlich einen engen Rahmen für das Bleiberecht bei Lehrlingen fest. Laut Vorschlag aus dem Innenministerium sollen Asylwerber in der Lehre, die einen rechtskräftigen negativen Asylbescheid erhalten, zu Illegalen in Österreich werden. Ein „rechtmäßiger Aufenthalt“ für diese Menschen ist auch künftig nicht vorgesehen. Im Fremdenrecht existiert zwar die „Duldung“ von Asylwerbern, die nicht abgeschoben werden können. Diese Menschen können eine Karte für Geduldete erhalten, oft der einzige Identitätsnachweis für Betroffene. Daran wird bei Asylwerbern in der Lehre aber nicht gedacht.

Sofern ein Asylverfahren negativ endet, beginnt eine Frist für eine freiwillige Ausreise für die Betroffenen zu laufen, im Regelfall sind das 14 Tage. In dieser Zeit sind sie zur Ausreise verpflichtet. Danach können staatliche Zwangsmaßnahmen, wie Abschiebungen, erfolgen. Bei Lehrlingen soll diese Frist künftig erst mit dem Ende der Lehre starten, das ist die einzige Änderung, die Ausreiseverpflichtung bleibt damit bestehen. Kurz nach der Lehrprüfung beginnt für viele die Abschiebeprozedur, sofern kein Asyl zuerkannt wird.

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Rund 800 Asylwerber absolvieren derzeit eine Lehre, die meisten in der Gastronomie als Köche oder Kellner. Viele arbeiten und lernen in Oberösterreich.
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Bei Asylwerbern, deren Verfahren schon rechtskräftig negativ zu Ende ist, soll ein aufrechtes Lehrverhältnis gar keine aufschiebende Wirkung haben. So steht es im Gesetzesvorschlag des Innenministeriums. Neos und SPÖ wollen das ändern. Ansonsten würde es ja auch künftig Abschiebungen während der Lehre geben, so Reinhold Einwallner (SPÖ).

Krisper von den Neos sieht auch weitere Punkte kritisch: So gilt der Stopp von Zwangsmaßnahmen gegen abgelehnte Asylwerber nur, wenn die Lehre ununterbrochen bestand. Im Gesetz ist außerdem vorgesehen, dass der Abschiebeschutz für Asylwerber nicht gilt, die versucht haben, während des Verfahrens über ihre Identität zu täuschen. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl kann formfrei feststellen, dass es so einen Täuschungsversuch gab. Für Krisper ist diese Formulierung eine Einladung an das BFA, willkürlich zu entscheiden.

Fragwürdiger Erlass

Interessant ist noch ein Punkt: Die neuen Regeln sollen nur für Asylwerber gelten, die vor dem 12. September 2018 mit ihrer Lehre begannen. Mit dem Stichtag hat die frühere Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) per Erlass Asylwerbern den Zugang zur Lehre versperrt.

Inzwischen ist fraglich, ob der Erlass überhaupt gültig ist. Eine EU-Richtlinie schreibt vor, dass Österreich Asylwerbern nach neun Monaten effektiven Zugang zum Arbeitsmarkt gewähren muss. Eine Tischlerei in Oberösterreich hat gerade einen Asylwerber als Lehrling aufgenommen, nachdem das Bundesverwaltungsgericht entschieden hatte, dass der Hartinger-Erlass in diesem Fall nicht gilt. Die EU-Richtlinie gehe vor. Es gibt andere Urteile mit ähnlichem Tenor, weshalb juristisch zumindest fragwürdig erscheint, diesen Stichtag zu wählen.

Die SPÖ will das geplante Gesetz mittragen, weil man es grundsätzlich für sinnvoll hält. Die Neos sind dagegen, sehen aber die Alternative – gar kein Abschiebestopp – als noch schlimmer an. Die Grünen? Geben sich plötzlich zugeknöpft, fordern Nachbesserungen, wollten aber am Montag nicht präzisieren, wo. (András Szigetvari, 19.11.2019)