Ex-Finanzminister Hartwig Löger hob in seiner Amtszeit öfter den Daumen.

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Wien – Die Bestellung Peter Sidlos zum Finanzchef der Casinos Austria war von vertraulichen Nachrichten zwischen Politikern und Managern begleitet. Zahlreiche Chats befinden sich in Akten der Staatsanwaltschaft, die dem STANDARD vorliegen. Am Ende bedankte sich der damalige FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache bei Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP), der einen ausgestreckten Daumen zurückschickte.

Die Dokumente geben auch Aufschluss über die Bestellung des Casinos-Vorstands. Aus Aktennotizen von Aufsichtsratschef Walter Rothensteiner vom 25. September 2018 erschließt sich, dass der Casag-Vorstand eine Holding-Lösung präsentierte, in dem Fall sei ein Zweiervorstand "eine gute Lösung". Eine Besprechung datiert vom 4. Oktober, "Pröll redet mit Kurz am 2. Oktober", hielt Rothensteiner fest. Und zum Thema "Search beginnt" hielt er fest, dass er mit Egon Zehnder vorab reden werde. "Keine öffentliche Ausschreibung", stand damals offenbar bereits fest.

(K)ein politischer Job

Aus einer undatierten Aktennotiz erschließen sich die Bruchlinien zu "Sidlo". "Angeschaut. Kann das eher nicht. Sazka will die besten Leute. Neumann sagt, das ist zuerst einmal ein politischer Job", notierte Rothensteiner. Er selbst war anderer Meinung. Er werde den Bericht des Personalberaters Zehnder abwarten. "Vorher involviere ich mich nicht, ist aber für mich auch kein politischer Job."

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Am 29. Jänner war schon einiges klar, einiges aber auch noch offen. Bettina Glatz-Kremsner wird Chefin, Dietmar Hoscher ausgezahlt, "offen" war aber noch die Personalie "Sidlo". Rothensteiner notierte, dass dessen Ablehnung durch die tschechische Sazka-Gruppe "für HN (Novomatic-Chef und Aufsichtsratsmitglied Harald Neumann; Anm.) irrelevant" sei, die Ablehnung durch den Personalberater dagegen "ein Grund, Einvernehmen zu präsentieren", was "eine Woche dauern würde". Zur Erinnerung: Sazka enthielt sich letztlich der Stimme, somit wurde Sidlo bestellt.

Gagen zu hoch

Dem Aufsichtsratschef Rothensteiner schienen allerdings die gewünschten Gagen "eindeutig zu hoch", wie er in dem STANDARD vorliegenden Unterlagen notierte. Er, "Ro", werde einen Fünfjahresvergleich schicken. Das geschah in der Präsidiumssitzung am 20. Februar. In Summe haben die Vorstandsmitglieder von 2014 bis 2018 rund 26 Millionen Euro bezogen, wobei ein großer Teil auf Exchef Karl Stoss entfiel.

Besprochen wurde damals auch schon ein Bericht von Egon Zehnder zu den Managern. Bettina Glatz-Kremsner sei ein wenig der Muttertyp, aber auch ein wenig härter, nicht der typische Finanzchef, hieß es am Rande der Sitzung. Was die Personalberater mit "Partei no go" (wie es "Ro" notierte) meinten? Dem Vernehmen nach ging es darum, dass sie ihr damaliges Amt als ÖVP-Vizechefin als Casag-Chefin nicht behalten können würde. Die Managerin gab diesen ÖVP-Spitzenjob dann auch auf.

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Not too many eggs in his basket

Zu Ex-Vorstandsmitglied Hoscher, der sich wieder bewarb und in seiner Bewerbung von sich sagte, er erfülle die gesetzlichen Voraussetzungen für den Vorstand "geradezu exemplarisch", hieß es, der wolle nicht als Vorstand zurücktreten, sei aber "sehr schwer in ein Team zu integrieren". Bewerber Martin Skopek (der dann auch in den Vorstand einzog) wurde als solider Generalist beschrieben. Und Sidlo? Er wurde als ehrgeizig und smart beschrieben, er habe aber keine Expertise als Finanzchef und "blinde Flecken" bei größeren Führungsaufgaben. Er habe "not too many eggs in his basket".

Der Alternativvorschlag der Personalberater, die von Sidlo dezent abrieten, lautete so: "Warum nicht zwei Vorstandsmitglieder und Sidlo erst nach 12 bis 18 Monaten aus einer unteren Führungsposition in den Vorstand holen?" Die Idee wurde bekanntermaßen nicht umgesetzt, das sei "öffentlich schwer zu argumentieren", notierte der Präsident des Kontrollgremiums.

Gagenkompromiss

Am 14. März wurden die Vorschläge für den Aufsichtsrat vereinbart, samt Gagen. 650.000 Euro für den Chef plus maximal zehn Prozent Bonus; 400.000 Euro fix beziehungsweise 300.000 fix plus maximal 75 Prozent Bonus für die beiden anderen Vorstände. Unter dem wichtigen Punkt "Auto" wurde ein Fahrerpool ausgemacht; dem Chef (CEO) sollten "gegebenenfalls Privatfahrten" erlaubt sein. Fest standen die Gagen im April, auch da hatte es Streit gegeben.

Nach einem Telefonat mit Novomatic-Chef Harald Neumann lag dann laut Rothensteiner ein "Gagenkompromiss" vor: 700.000 Euro im Jahr fix für den Chef (die Chefin), 550.000 für Martin Skopek und 350.000 Euro fix für Sidlo, ab Jänner 2020 dann 400.000 Euro. Der Bonus wurde mit maximal 100 Prozent für alle fixiert. Am 8. Mai waren fast alle Verträge unterzeichnet, der Streit vorbei: "Das Präsidium wünscht dem neuen Vorstand Erfolg."

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Aufsichtsrat sicherte sich ab

Rothensteiner selbst sicherte den Aufsichtsrat bei der umstrittenen Bestellung mit Rechtsgutachten ab. Unter anderem wollte er wissen, welche gesetzlichen Anforderungen der Geschäftsleiter eines Glücksspielkonzerns erfüllen müsse, ob Sidlo das tue und ob der Aufsichtsrat für die Vorstandsauswahl haftbar gemacht werden kann.

Die Wiener Anwaltskanzlei CMS Reich-Rohrwig Hainz kam, zusammengefasst, zu folgendem Schluss: Sidlo entspreche den Anforderungen, der Aufsichtsrat hafte nur, wenn er einen "erkennbar nicht geeigneten Vorstand" bestelle. Um ein Restrisiko auszuschließen, rieten die Juristen allerdings zu einer aufschiebend bedingten Bestellung Sidlos: Wirksam sollte die erst dann werden, wenn der für die Aufsicht zuständige Finanzminister die Bestellung binnen einer bestimmten Frist nicht untersagt.

Ministerium hat Sidlo geprüft

Und was geschah im Finanzministerium, das die Aufsichtsbehörde für die Glücksspielbranche ist? Das Finanzministerium erklärt auf Anfrage des STANDARD, dass Sidlo überprüft worden sei: "Die erforderliche Redlichkeits- und Eignungsprüfung gemäß Paragraf 31b Absatz 7 Glücksspielgesetz ist erfolgt." Allerdings werde gerade jenes Gutachten umfassend geprüft, das die tschechische Sazka-Gruppe dem Ministerium vorige Woche geschickt habe. Und das fiel sehr kritisch aus, Gutachter Thomas Müller ist der Ansicht, dass das Ministerium die Geschäftsführung durch Sidlo sofort bescheidmäßig untersagen müsste. (Renate Graber, Andreas Schnauder, 18.11.2019)