Ex-Burgtheater-Direktor Matthias Hartmann am Dienstagvormittag in Wien im Gericht.

Foto: APA/HANS PUNZ

Matthias Hartmann, einst Direktor des Burgtheaters, und Silvia Stantejsky, seine ehemalige kaufmännische Geschäftsführerin, am Dienstag vor Gericht.

Der ehemalige Bundestheater-Holding-Geschäftsführer Georg Springer war am Dienstag auch geladen.

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Wien – Im Prozess gegen Silvia Stantejsky, die langjährige kaufmännische Geschäftsführerin des Burgtheaters, hat am Dienstag am Wiener Landesgericht Ex-Burgtheater-Direktor Matthias Hartmann zur Finanzgebarung der 64-Jährigen und zu deren Umgang mit ihm zustehenden Honoraren Stellung genommen. Ausführlich schilderte Hartmann, wie Stantejsky 163.000 Euro zum Verschwinden brachte.

Als Hartmann vom damaligen Kunst-Staatssekretär Franz Morak (ÖVP) als Burgtheater-Direktor verpflichtet wurde, bekam er vor seinem Amtsantritt im Herbst 2009 Honorare in Höhe von 273.000 Euro zur Verfügung gestellt – "zur Vorbereitung der Intendanz", wie er dem Schöffensenat (Vorsitz: Christoph Zonsics-Kral) erläuterte. Der Betrag setzte sich hauptsächlich aus seinen Inszenierungen "Faust I" und "Faust II", Rechteabgeltungen für fünf Produktionen, die Hartmann vom Schauspielhaus Zürich mit nach Wien brachte, und Übersiedlungskosten zusammen. Stantejsky habe ihm "die Option" aufgezeigt, "sich dieses Geld nicht sofort ausbezahlen zu lassen", schilderte Hartmann. Er habe sich entschlossen, den Betrag "als Forderung gegen das Burgtheater stehen zu lassen, weil ich mein Auslangen hatte und es mir bequem schien". Hartmann hatte von der Saison 2005/2006 bis 2009 das Schauspielhaus Zürich geleitet. Er habe es "für seriöser" gehalten, eine "Forderung gegen einen staatlich subventionierten Betrieb" zu besitzen, als das Geld stante pede in bar zu kassieren.

Wohnung statt Safe

Stantejsky habe ihm hinsichtlich der 273.000 Euro einen Depotschein ausgestellt. Er sei davon ausgegangen, dass sein Honorar "in einem Burgtheater-Safe" verwahrt wurde: "Ich würde niemals Geld einer Privatperson anvertrauen." Stantejsky habe ihm gesagt, er möge zwei bis drei Tage vorher Bescheid geben, wenn er Bares benötige. Das habe er drei Mal gemacht. Als Stantejsky im Herbst 2013 entlassen wurde – die Finanzmisere an der Burg war aufgepoppt –, habe er sie gefragt, wie er nun an sein restliches Geld komme, gab Hartmann zu Protokoll. Da habe sie ihm "offenbart, dass dieses Geld nicht im Burgtheater ist". Sie habe ihm angeboten, einen Teil der offenen 163.000 Euro gleich zurückzuzahlen. Der Rest sollte später folgen. Das sei ihm "undurchsichtig vorgekommen", also habe er sich mit Stantejsky bei einem Anwalt getroffen. Dieser habe Stantejsky gefragt, ob sie das Geld veruntreut hätte: "Sie hat 'Ja' gesagt."

Die kaufmännische Geschäftsführerin hatte Hartmanns Honorare in ihrer Wohnung gebunkert und – ihrer in diesem Punkt geständigen Verantwortung zufolge – widmungswidrig verwendet. Während sie behauptet, damit Rechnungen für das Burgtheater beglichen zu haben, geht die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) davon aus, dass die Angeklagte damit ihre Lebenshaltungskosten bestritten hat.

Finanzamt vs. Hartmann

Die Finanz steht übrigens auf dem Standpunkt, dass Hartmann die zunächst 273.000 Euro bereits 2009 zugeflossen sind und die Summe somit gleich zu versteuern gewesen wäre. Darauf von Oberstaatsanwältin Veronika Standfest angesprochen, meinte der 56-Jährige: "Das ist die Entscheidung des Finanzamts, das so zu sehen." Er habe den Betrag "nicht in Österreich, sondern in der Schweiz versteuert".

Hartmann bestätigte, dass Stantejsky ihm geraume Zeit vor Abschluss der gegen sie gerichteten strafrechtlichen Ermittlungen 70.000 Euro an Wiedergutmachung angeboten hätte. Darauf sei er nicht eingegangen. "In der Zwischenzeit sind alle meine Forderungen von der Haftpflichtversicherung des Aufsichtsrats (des Burgtheaters, Anm.) und Georg Springers beglichen worden", stellte der Ex-Burg-Direktor klar.

"Alles (...) im Budget"

"Ich bin der Meinung, dass wir ein gutes Verhältnis hatten", meinte Ex-Burgtheater-Direktor Matthias Hartmann grundsätzlich zu seiner geschäftlichen Beziehung zur kaufmännischen Leiterin des Burgtheaters. Silvia Stantejsky sei "eh und je die Schaltstelle des Burgtheaters" gewesen. Sie habe ihm zu verstehen gegeben, dass ihn kaufmännische Angelegenheiten nichts angingen.

"Sie hat gemeint, alles was wir planen, ist schon im Budget", hielt Hartmann fest. Dabei habe er nach Antritt seines Postens "Transparenz, wie Kosten entstehen" eingefordert, weil das seiner Ansicht nach mit zu seinen Aufgaben gehörte. Im Unterschied zum Schauspielhaus Bochum und zum Schauspielhaus Zürich, die er zuvor geleitet hatte und wo er sich einen Überblick über die laufenden Kosten verschaffen konnte, sei ihm am Burgtheater beschieden worden, "dass das unüblich ist", schilderte Hartmann: "Im Scherz wurde ich ein deutscher Kontroll-Freak genannt."

Stantejsky habe ihm "nur Tabellen gezeigt, die mehr als unverständlich waren". Ihn habe "irritiert, dass ich nichts sehen konnte". Oft habe er die Produktionskosten für Inszenierungen nicht bzw. erst nach Monaten herausbekommen: "Die Kosten hab' ich dann nicht verstanden. Die waren exorbitant hoch." Wenn man von Stantejsky Erklärungen verlangt habe, habe man so viele Worte zu hören bekommen, "dass man am Ende nicht verstanden hat, was man am Anfang gesagt hat." Aus diesem Grund habe auch der Aufsichtsrat des Burgtheaters zusehends "aufgehört, Fragen zu stellen", sagte Hartmann.

Keine Ahnung von Engpässen

Die finanziellen Engpässe an der Burg habe er zu Beginn "überhaupt nicht, in keinster Weise" gekannt, versicherte Hartmann. Erst in einer Aufsichtsrat-Sitzung im Jahr 2010 habe er von Verbindlichkeiten erfahren. Das habe ihn angesichts steigender Einnahmen aufgrund verstärkten Zuschauerzuspruchs und Einsparungen infolge von Pensionierungen überrascht. Ihm sei klar gewesen, dass er dieser Entwicklung "entgegenwirken" und "meine Steuerungselemente" einsetzen müsse. Allerdings sei er in die Erstellung der Jahresabschlüsse nicht eingebunden gewesen: "Auch ein Vorsitzender eines Automobilkonzerns muss drauf vertrauen, dass der Jahresabschluss korrekt ist."

Er habe sich vor allem um Einsparungen im Personalbereich und bei Bühnenbildern bemüht, legte Hartmann dar. "Aber die finanzielle Gebarung konnte mir nicht geläufig gemacht werden, wie ich es wünschte", bilanzierte der Ex-Burg-Direktor. Um die finanzielle Entwicklung begreifen zu können, habe er schließlich mit Peter Raddatz einen Finanzberater beigezogen: "Der hat auch nicht verstanden, dass meine Performance so gut ist und sich das nicht im Ergebnis niederschlägt."

Stantejsky "überlastet"

Auf die Frage, ob er Stantejskys psychische Befindlichkeit mitbekommen habe – ihren Angaben zufolge litt sie ab 2010 an starken Depressionen –, entgegnete Hartmann: "Ihr Stress wurde immer mehr." Er könne sich an ihren "keuchenden Husten" erinnern und habe Stantejsky daher geraten, einen Arzt zu konsultieren. Sie sei jedenfalls "überlastet" gewesen. In diesem Zusammenhang erwähnte der Zeuge einen Schauspieler, der mit der Bitte um Ausfüllen seiner Steuererklärung zu Stantejsky gekommen sei. Er wisse nicht, wie oft sie so etwas gemacht habe.

An Akonto-Zahlungen – für 23 Mitarbeiter und Werkvertragsnehmer wurden vom Burgtheater nachgewiesenermaßen insgesamt 137.000 Euro bezahlt, damit diese persönliche Steuern und Abgaben bei in- und ausländischen Finanzverwaltungsbehörden begleichen konnten – sei er "nicht beteiligt" gewesen, insistierte Hartmann. "Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen", erwiderte er auf eine entsprechende Frage des vorsitzenden Richters. Als Verteidigerin Isabell Lichtenstrasser ihn darauf mit einer Aussage Stantejskys konfrontierte, wonach er, Hartmann, mit einem prominenten deutschen Schauspieler (die APA nennt den Namen aus medienrechtlichen Gründen nicht, Anm.) zu Stantejsky gekommen sei und sie zur Auszahlung von 20.000 Euro an den Künstler aufgefordert habe, beschied ihr Hartmann: "Ich kann mich nicht erinnern". – "Kann es vorgekommen sein?" – "Die Antwort muss reichen. Daran kann ich mich nicht erinnern."

Die abschließende Frage des Vorsitzenden, ob er sich dem Verfahren als Privatbeteiligter anschließe, verneinte Hartmann. Nach der Überweisung von 70.000 Euro seitens Stantejskys hätten "der Aufsichtsrat und Georg Springer" die restliche aushaftende Summe gut gemacht, bekräftigte der Zeuge. Darauf wandte sich die Angeklagte direkt an Hartmann: "Auch wenn du das Geld von anderen gekriegt hast: ich habe dir damals schon gesagt, dass es mir leidtut."

"Delegationsfeindliches Arbeitstier"

Die Verhandlung wurde nach einer kurzen Pause mit der zeugenschaftlichen Befragung von Georg Springer fortgesetzt. Als "kompetent, fachlich hervorragend, delegationsfeindlich bis zum Exzess" hat der ehemalige Geschäftsführer der Bundestheater-Holding und Burgtheater-Aufsichtsratsvorsitzende die Angeklagte Stantejsky im Rahmen seines Zeugenauftritts bezeichnet. Er habe Letzteres in zwei Gesprächen mit der kaufmännischen Burgtheater-Geschäftsführerin "schüchtern zum Thema gemacht".

Daraufhin habe er sich "Beulen geholt", schilderte Springer. Stantejsky habe sich grundsätzlich schwergetan, Tätigkeiten an Mitarbeiter zu delegieren. Ihr sei "eine unglaubliche Kondition" eigen gewesen: "Sie war ein Arbeitstier. Die Letzte am Tanzboden nach einer Premierenfeier und am nächsten Morgen um acht, halb neun wieder im Büro."

Schwierigkeiten nahm Springer im Miteinander zwischen Stantejsky und Matthias Hartmann, Burgtheater-Direktor von 2009 bis zum März 2014, wahr, wobei er das auf den Theatermacher zurückführte. Stantejsky sei schon unter Hartmanns Vorgänger Klaus Bachler in der Burgtheater-Geschäftsführung tätig gewesen, "bei jedem Wechsel einer Theaterdirektion wird Wert auf neue Gesichter gelegt". Folglich habe es "bei Hartmann immer Probleme mit der kaufmännischen Geschäftsführung gegeben".

Psychische Probleme "nicht spürbar"

Von psychischen Problemen Stantejskys habe er "überhaupt nichts" mitbekommen, erklärte Springer: "Das war nicht spürbar." Ihr Arbeitspensum sei aber enorm gewesen: "Der Arbeitsplatz war kaum zu sehen, weil so viele Unterlagen am Tisch gelegen sind. Und daneben." Er habe sich "Sorgen gemacht, ob man mit diesem Stil unbeschadet über die Runden kommt", aber erst 2013 vom Prokuristen der Bundestheater-Holding, Othmar Stoss, von Stantejskys angeschlagener Gesundheit erfahren.

Dass er bzw. der Burgtheater-Aufsichtsrat der Angeklagten die viel zitierte "schwarze Null" vorgegeben hätten, wies Springer zurück: "Das hat sich nur auf das Planbudget bezogen." Man habe zwar Wert auf eine ausgeglichene Bilanz gelegt, dem Burgtheater aber "ganz bewusst keine Vorgaben gegeben und ausdrücklich betont, es bleibt euch überlassen, ob ihr das über die Ausgaben oder die Einnahmen macht". Die Jahresbilanzen wären von der Geschäftsführung erstellt und von Wirtschaftsprüfern von PricewaterhouseCoopers (PwC) "begleitet" worden, die nichts beanstandet hätten. Er sei daher "nicht auf die Idee gekommen, dass ich nachschau, dass die dort die Wahrheit sagen", meinte der Zeuge.

"Alarmierende" Finanzlage seit 2001

Die Finanzlage der Bundestheater-Holding habe sich seit 2001 in einem "alarmierenden" Zustand befunden, erinnerte sich der langjährige Kultur-Manager. Die Politik habe vorgegeben, zwingend erforderliche Einsparungen dürften nicht auf Kosten der Qualität und der Quantität gehen. Man habe "beim Fleisch des Betriebs" sparen müssen: "Wir sind mit allem heruntergefahren, wo es nur möglich war." Am Burgtheater im Speziellen habe Stantejsky bezüglich Kostensenkungen "öfters Ideen gehabt, wie man Probleme lösen könnte", erinnerte sich Springer. Die finanzielle Schieflage der Burg sei aber in jeder Aufsichtsrat-Sitzung diskutiert worden, weshalb man ab 2011 ein "Liquiditätsmonitoring" empfohlen habe.

Ausdrücklich wies Springer am Schluss seiner Einvernahme die zuvor von Hartmann aufgestellte Behauptung zurück, er bzw. die Haftpflichtversicherung des Aufsichtsrats hätten den von Stantejsky angerichteten offenen Schaden ihm, Hartmann, ersetzt. "Davon weiß ich nichts", sagte der 73-Jährige, "die Idee erscheint mir amüsant."

Fortsetzung im Jänner

Die Verhandlung gegen Stantejsky wird am 27. Jänner mit zwei weiteren Zeugenbefragungen fortgesetzt. Verteidigerin Isabell Lichtenstrasser beantragte darüber hinaus die zeugenschaftliche Vernehmung des Psychiaters, der die Angeklagte seit mehreren Jahren behandelt, und die Beiziehung eines psychiatrischen Sachverständigen. Letzterer möge kläre, ob Stantejsky im von der Anklage inkriminierten Zeitraum 2010 bis 2013 überhaupt diskretionsfähig war, erläuterte die Anwältin. Stantejsky habe sich damals "in einem die Schuldfähigkeit reduzierenden Zustand befunden", was für die Schuldfrage "von erheblicher Bedeutung" sei, konstatierte Lichtenstrasser.

Der Senat behielt sich die Entscheidung über die Beweisanträge vor. Ob ein psychiatrisches Gutachten über eine herabgesenkte Schuldfähigkeit und eine mögliche Zurechnungsunfähigkeit der Angeklagten eingeholt wird, dürfte sich beim nächsten Verhandlungstermin klären. (APA, 19.11.2019)