Wien – "Können Sie so gut Auto fahren?", will Georg Allmayer, Vorsitzender des Schöffengerichtes im Prozess gegen Darko D., vom Angeklagten wissen. "Ich kann gut fahren, aber nicht perfekt", lautet die selbstbewusste Antwort des heute 16-Jährigen. "Wo haben Sie es gelernt?", interessiert Allmayer. "Im Ausland. In Serbien bei einem Freund. Auf einem Privatgrundstück." Auch in Wien wäre das vernünftiger gewesen, da legal, der führerscheinlose Österreicher demonstrierte seine Fähigkeiten allerdings am 17. September auf dem Wiener Gürtel.

Und zwar mit dem Auto, das sich sein Cousin kurz davor um 180 Euro gekauft hat. "Wie alt ist der Cousin?", fragt der Vorsitzende. "14 oder 15", lautet die überraschende Replik. "Warum kauft sich der ein Auto?" – "Keine Ahnung", probiert es der unbescholtene Angeklagte. "Na wahrscheinlich, weil Sie damit fahren wollten. 180 Euro ist ja nicht wenig. Also für das Auto schon ..." – "Ja", gibt D., der sich zur Anklage schuldig bekennt, zu.

Der Margaretengürtel wurde Mitte September zum Schauplatz einer wilden Verfolgungsjagd, die nun vor Gericht landete.
Foto: Robert Newald

Der Cousin sei es auch gewesen, der bei einem anderen Fahrzeug die Zulassungstafeln entfernte und auf den Neukauf montierte. Die erste Spritztour war schon fast beendet, D. war schon beim Einparken in Wien-Margareten, als die Polizei auftauchte. Die hatte die Jugendlichen schon aus einem Zivilfahrzeug beobachtet, eine uniformierte Beamtin wollte dann amtshandeln und ging zur Fahrertür, als D. wieder Gas gab und sie fast umfuhr.

"Ich habe sie nur aus dem Augenwinkel gesehen", behauptet der Jugendliche nun vor Gericht. "Sie musste zur Seite springen und wurde noch von Ihrem Außenspiegel touchiert!", hält Allmayer ihm vor. "Das habe ich nicht bemerkt", sagt der Angeklagte. Gas gegeben habe er aus Angst, künftig keine Fahrerlaubnis erwerben zu können.

Kinder auf Schutzweg gefährdet

Vorrangregeln, Lichtzeichenanlagen, Geschwindigkeitsbegrenzungen und Schutzwege ignorierte der damals 15-Jährige nicht einmal. Laut den verfolgenden Polizisten gefährdete D. nicht nur andere Autolenker, sondern auch Kinder, die gerade eine Straße überqueren wollten. Auf dem Margaretengürtel schien die Amokfahrt schließlich in der Kolonne vor einer roten Ampel zu enden. Tat sie nicht. Denn der Angeklagte fuhr über den Randstein auf die Straßenbahnschienen und beschleunigte.

Der Fahrer der in der Gegenrichtung fahrenden Tram der Linie 6 erzählt als Zeuge, dass er schon zu Bremsen begann, als er das Geschehen wahrnahm. Zum Glück, denn wenige Meter vor der mit rund 150 Fahrgästen besetzten Garnitur wechselte D. plötzlich auf deren Gleise, um abzubiegen. "Was wäre passiert, wenn Sie dann keine Notbremsung gemacht hätten?", erkundigt sich Allmayer. "Es hätte eine Frontalkollision gegeben", ist sich der Zeuge sicher. So seien etwa zwei Meter zwischen den Fahrzeugen verblieben. Verletzt wurde bei der Aktion glücklicherweise niemand.

Handyverbot als familiäre Konsequenz

Vom Angeklagten will der Vorsitzende etwas anderes wissen: "Was denken Sie heute darüber?" – "Das war ein blöder Fehler." – "Was hat die Mama gesagt?" – "Nix. Sie hat geschrien und mir das Handy weggenommen." Noch ein Detail fällt Allmayer auf: "Sie haben bei der Polizei gesagt, Sie haben vor der Fahrt zwei Joints geraucht." D. sieht ihn verständnislos an. "Gras?", probiert es der Vorsitzende. "Ja", lautet die Antwort. "Gras vorm Autofahren ist auch nicht so gscheit", mahnt Allmayer.

"Wie soll es mit Ihnen jetzt weitergehen?", erkundigt er sich auch beim Teenager. Der hat keine abgeschlossene Schulbildung und bekam deshalb auch keine Lehrstelle in seinen Wunschberufen Automechaniker und Installateur. "Ich mach bald beim AMS einen Kurs", erfährt man. "Und was machen Sie jetzt den ganzen Tag?", bohrt der Vorsitzende nach. "Nix. Ich bin daheim und spiel am Handy." Das hatte ihm die Mutter nämlich nach zwei bis drei Wochen wieder ausgehändigt.

Wegen vorsätzlicher Gemeingefährdung wird D. schließlich zu zehn Monaten bedingter Haft verurteilt, zusätzlich wird Bewährungshilfe angeordnet. Die von Verteidiger Thomas Mayer im Schlusswort erbetene Diversion sei bei dieser Tat "ausgeschlossen", stellt Allmayer in der Urteilsbegründung noch klar.

In einem Punkt hatte D. übrigens recht: Beim Führerscheinerwerb wird er Probleme bekommen, wie Polizeisprecher Markus Dittrich auf STANDARD-Anfrage erklärt. Je nach Sachlage kann er die Fahrerlaubnis erst sechs Monate bis ein Jahr später bekommen und muss sich davor von einem Amtsarzt und einem Verkehrspsychologen untersuchen lassen, die seine Verkehrstüchtigkeit beurteilen. (Michael Möseneder, 19.11.2019)