Warum unterscheidet sich die türkis-blaue Postenschacher-Affäre von vielen früheren (rot-schwarzen) Affären?

Weil blaues Personal in seiner Mehrheit besonders unqualifiziert ist. Weil der Verdacht strafrechtlich relevanter Vorgänge – Glücksspiellizenz gegen Personal und Spenden – im Raum steht. Weil die Beteiligten vergessen haben, dass das Netz nichts vergisst. Und weil jetzt ein Fragezeichen über einer wirklichen politischen Wende in Österreich steht – der ersten konservativ-grünen Koalition.

Niemand, am wenigsten Werner Kogler, glaubt, dass Sebastian Kurz in die großflächige Säuberung des staatsnahen Wirtschaftsbereichs von rotem und seinen Ersatz durch türkises und blaues Personal nicht eingebunden war. Die Umfärbung traditioneller sozialdemokratischer Einflussbereiche war Kurz ein besonderes Anliegen.

Sebastian Kurz und Werner Kogler bei Koalitionsverhandlungen.
Foto: EPA/MICHAEL GRUBER

Das bedeutet nicht, dass man ihn für den vermuteten Deal „Novomatic stimmt als Casinos-Aktionär für FPÖ-Sidlo, dafür kriegt sie neue Glücksspiellizenzen“ klar verantwortlich machen wird können. Aber angesichts der ganzen Personalpakete (Strache: „Kurz will davon nichts wissen, aber das ist abgemacht“) kann von einem „neuen Stil“ in Türkis keine Rede sein.

Wie geht es nun weiter? Wird Türkis-Grün an den Altlasten von Türkis-Blau scheitern? Dann bleibt eine Rückkehr zu Türkis-Blau, die selbst Kurz schwerfallen müsste; oder Türkis-Rot (bei anderer Besetzung in Rot) oder eine Minderheitsregierung (die nicht sofort fallen muss, weil weder FP noch SP Interesse an Neuwahlen haben).

Alarmzeichen

Alles nicht sonderlich attraktiv und zukunftsreich. Es ist daher davon auszugehen, dass die Grünen ihr inneres Bauchweh überwinden und mit Kurz abschließen werden. Es ist auch objektiv anzuraten, weil dann der jahrzehntelange Fluch der heimischen Politik – wenn Rot und Schwarz nicht mehr miteinander können, bleibt nur die rechtsextreme FPÖ – durchbrochen wird.

Es ist auch davon auszugehen, dass die Mehrheit der Österreicher bei ihrer guten Meinung von Kurz bleiben und ihn nicht für die Skandale verantwortlich machen wird. Fast wichtiger, es gibt keine glaubwürdige personelle Alternative zu ihm.

Es ist jedoch sehr wichtig für die Grünen, dass sie sich in der Natur der türkisen ÖVP nicht täuschen: Die hat im Unterschied zur alten schwarzen ÖVP kein sozialpartnerschaftliches Gen. Die Kurz-ÖVP hat ein klar rechtskonservatives Konzept (mit großen Überschneidungen mit der FPÖ), das sie ohne große Rücksicht auf einen (unerfahrenen) linksliberalen Partner durchziehen will. Ein Alarmzeichen erster Ordnung wäre etwa jemand wie Karoline Edtstadler als Innenministerin.

Die Grünen werden diverse Transparenzregeln ins Koalitionsabkommen einfordern, und das ist gut so. Aber nicht genug. Türkis hat ein relativ autoritäres Politikverständnis, das immer wieder eingebremst werden muss. Wie lange das gehen kann, ist die Frage.

Auf den Grünen ruht jetzt die Verantwortung dafür, dass Österreich nicht so komplett türkis-schwarz eingekleidet wird wie groteskerweise (und ganz sicher nicht zufällig) die Fußball-Nationalmannschaft mit ihren neuen Dressen. (Hans Rauscher, 19.11.2019)