Der Herr Rainer (Aston_Matters) in seinem muffigen Zimmer des Sanatoriums Grimm. Bitte geben Sie ihm keinen Alkohol zu trinken!

Foto: Alexandra Thompson

"Ta ta ta", tadelt Schwester Elsa (Sabine Anders) jeden, der am Empfang an ihr vorbeirauscht. Die Brille sitzt streng auf ihrer Nase, ihr harscher Ton verschont auch die Gäste des Abends nicht. Die mühselige Arbeit mit den Irren ist ihr ins Blut übergegangen. Oder ist sie bloß grausam? Einer ihrer Kollegen hat derweil allerhand zu tun, die Rasselbande von Insassen im oberen Stock der Anstalt zu bändigen.

Die Fanfarenmusik ist aber feierlich im Sanatorium Grimm, denn gleich soll das erste öffentliche Weihnachtsfest der Heilanstalt steigen. Im Frühstücksraum wird noch letzte Hand an den Baum gelegt, Glühweingeruch zieht bereits durch den Raum, alles steuert auf das Krippenspiel als Höhepunkt zu. Doch dann ist der Patient tot, der das Jesuskind spielen sollte.

Seit 2011 baut die Wiener Gruppe Nesterval ihrem Publikum immersive Theatererlebnisse, aktuell ist sie mit Das Dorf für den Spezialpreis des Nestroy nominiert. Die dunkle Weihnacht im Hause Grimm heißt das neue Stück in Kooperation mit dem Brut. Stickbilder und Möbel mit Patina (toll von Andrea Konrad) versetzen das Gewerbehaus beim Stadtpark zurück in die 1950er. Elektrotherapie, kalte Bäder und Fixierung als Methoden unter Dr. Frost liegen noch nicht lange zurück.

Märchenhaft schrecklich

Mittels Märchentherapie sollen die 15 Insassen inzwischen ihr altes Ich vergessen und auf dem Nährboden der Brüder Grimm ein neues erlangen. Tatsächlich haben es die Patienten aber kaum besser als einst. Schwester Sibille (Pamina Puls) verabreicht mit derselben Grobheit wahlweise Tabletten oder Einläufe. Schreie hallen durch die Flure und mischen sich mit Weihrauchduft.

Immer mehr Patienten sterben, eine Schnitzeljagd nach dem Grund beginnt, sie führt in alle Zimmer. In dem des hibbeligen Theodor (Bernhard Hablé) tobt ein Schneesturm, der Hypochonder Konrad (Johannes Scheutz) lässt sich zwischen anatomischen Karten nach Flecken absuchen und Daniela (Rita Brandneulinger) wohnt in einem Iglo aus Packerln. Man soll sich reinsetzen und Fragen stellen. Improvisation und Interaktion sind Herzstücke des Konzeptes, gesungen wird auch.

Das muss man mögen, immerhin fördert die Publikumsbeteiligung auch manch Gelaber zutage und vielleicht spuckt einem Hons in den Punsch.(Michael Wurmitzer, 19.11.2019)