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Premier Benjamin Netanjahu kämpft ums politische Überleben.

Foto: Reuters / Nir Elias

Zumindest in einem Punkt sind sich Premier Benjamin Netanjahu und sein politischer Kontrahent Benny Gantz vom Bündnis Blau-Weiß dieser Tage einig: Beide begrüßten am Montagabend den Vorstoß der USA, den Siedlungsbau nicht mehr per se als Verstoß gegen das Völkerrecht zu betrachten.

„Ich habe mit US-Präsident Donald Trump telefoniert und ihm gesagt, dass er eine historische Ungerechtigkeit korrigiert hat. Jemand musste die Wahrheit sagen, Präsident Trump hat es getan, wie er auch die Golanhöhen anerkannt und die US-Botschaft nach Jerusalem verlegt hat“, schrieb Netanjahu am Abend auf Twitter. Auch Gantz lobte die „entschlossene Haltung“ der USA gegenüber Israel und das „Engagement für die Sicherheit im Nahen Osten“.

Kurz zuvor hatte US-Außenminister Mike Pompeo die Umkehr der langjährigen US-Position hinsichtlich des israelischen Siedlungsbaus verkündet: „Die zivilen Siedlungen unvereinbar mit internationalem Recht zu nennen, hat nicht funktioniert. Es hat den Frieden nicht vorangetrieben.“ Damit führen die USA ihre proisraelische Nahostpolitik fort, die der zahlreicher anderer Staaten widerspricht. Laut internationalem Völkerrecht ist die Besiedelung von besetztem Gebiet illegal.

Innenpolitische Krise

Israel hatte unter anderem das Westjordanland und Ostjerusalem im Zuge des Sechstagekrieges 1967 erobert. Heute leben mehr als 600.000 Israelis dort in Siedlungen. Die Ankündigung der USA kommt zu einer Zeit, in der Israel in einer tiefen innenpolitischen Krise steckt und Benjamin Netanjahu um sein politisches Überleben kämpft. Zuletzt war der Premier mit dem Versuch der Regierungsbildung gescheitert. Die Neuwahlen im September hatten erneut keine klaren Mehrheitsverhältnisse hervorgebracht. Netanjahus Herausforderer Benny Gantz, der den Auftrag zur Koalitionsbildung übernommen hatte, bleibt nur noch bis heute, Mittwoch, Zeit. Danach werden Neuwahlen wahrscheinlicher. Eine Lösung ist derzeit nicht in Sicht.

Obwohl Netanjahus Likud-Partei und Gantz’ Bündnis Blau-Weiß inhaltlich in zahlreichen Punkten übereinstimmen – nicht nur in Sachen Siedlungsbau –, haben sie es bisher nicht geschafft, sich auf eine große Koalition zu einigen. Obendrein steht der Premier unter Korruptionsverdacht, demnächst wird die Generalstaatsanwaltschaft über seine Anklage entscheiden. Unklar ist, ob Netanjahus rechtskonservativer Block, bestehend aus dem Likud, den ultraorthodoxen und den nationalreligiösen Parteien, im Falle einer Anklage weiter hinter ihm steht.

Einige Beobachter sehen daher in Pompeos Ankündigung den letzten Versuch der Trump-Administration, Netanjahu – späte – Schützenhilfe zu geben. Vor den Wahlen hätte Netanjahu die Entscheidung noch als außenpolitischen Erfolg verkaufen können. Nun aber dürfte die Ankündigung kaum etwas an den festgefahrenen politischen Positionen ändern.

Neue Eskalation

Israel hat außerdem mit einer neuerlichen Gewalteskalation zu kämpfen. Vergangene Woche waren etwa 450 Raketen aus dem Gazastreifen abgefeuert worden. Am Dienstagmorgen wurden wieder vier Raketen aus Syrien abgefangen. Auslöser war ein Angriff der israelischen Armee auf den Chef der palästinensischen Miliz Islamischer Jihad.(Lissy Kaufmann aus Tel Aviv, 19.11.2019)