Im Alma gibt es jetzt atemberaubend gute Gemüseküche – und sämtliche Weinskandal-Weine, auch über die Gasse.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Dieser Tage ergehen sich die wirklich verantwortungsvollen, nur dem Land verpflichteten Lobbyisten der Besitzstandswahrerei in dunklem Raunen, wie wir alle den Bach runtergingen, wenn jetzt tatsächlich so Wahnsinn wie Klimapolitik, die wahrhaftige Gleichstellung der Frau oder, um Himmels willen, gar die Hintanhaltung gutbürgerlicher Postenschacherei mit Regierungsverantwortung belohnt würde.

So weit wird es eh nicht kommen, aber ein bissl träumen dürfen wir – noch. Ganz konkret lässt sich das zum Beispiel in der Großen Neugasse in Wien-Wieden, wo zwei Quereinsteiger ein Lokal machen, das in vielfältiger Hinsicht von den Möglichkeiten erzählt, wie sich echt Gutes auf den Weg bringen lässt.

Die Alma Gastrothèque hat schon seit mehr als einem Jahr offen, jetzt wurde das Lokal von Christina Nasr und Andreas Schwarz neu aufgestellt. Dabei konnten ihre hochelaborierten Sandwiches samt handgemachten Garnierungen (Pickles! Salate!) auch bei Dehnmägen als Mahlzeit bestehen.

Mit Gemüse und Kräutern spielen

Ein paar gibt es eh noch, inzwischen aber will sich Küchenchefin Christina Nasr lieber mit dem spielen, was ihr Robert Brodnjak vom Krautwerk und Evi Bach von der gleichnamigen Gärtnerei liefern. Wer die beiden kennt, weiß, dass da Gemüse und Kräuter zusammenkommen, wie man sie sich als Supermarktkunde in den feuchtesten Träumen nicht vorzustellen vermag.

Dazu stehen seit ein paar Wochen zwei Rollregale im Lokal, auf denen das komplette Portfolio von Moritz Herzogs Weinskandal zur Entnahme bereitsteht – zum Mitnehmen oder, gegen kulante Aufschläge, zum Gleichtrinken. Der führende Naturweinhändler des Landes ist wie Nasr aus Kärnten, versessen auf geiles, unprätentiös dargebrachtes Essen – und hatte bisher kein Outlet, in dem sich seine Weine unkompliziert über die Gasse mitnehmen ließen. Im Alma geht das jetzt zum Website-Preis.

So stehen sie also dicht gedrängt, all die Superglitzer, Bambules, Elektras und sonstigen Himmel auf Erden in bester Gesellschaft französischer, spanischer, deutscher und sonst wie tschechischer Schönheiten, dass man gar nicht weiß, was zuerst aufreißen. Ist eh nicht so wichtig, wer sich auf die Küche hier einlässt, bleibt nämlich länger sitzen.

Christina zeigt vor, wie und warum Essen wie ihres nicht nur uns und dem Planeten viel besser bekommt, sondern auch so wahnsinnig gut schmecken kann, dass es sich strukturkonservative Proteinschlucker gar nicht vorstellen wollen.
Foto: Gerhard Wasserbauer

Das fängt bei selbsteingelegten Oliven und mit Rosmarin frisch gerösteten Mandeln an und hört bei der jenseitig geilen Schokoladetarte auf, einer zart salzigen, absurd molligen Kreation samt hausgesäuerter Crème fraîche. Dazwischen zeigt Christina vor, wie und warum Essen wie ihres nicht nur uns und dem Planeten viel besser bekommt, sondern auch so wahnsinnig gut schmecken kann, dass es sich strukturkonservative Proteinschlucker gar nicht vorstellen wollen.

Superglitzerkürbis, in Buttermilch und Salz fermentiert, dann abartig knusprig gebacken und mit einem herrlich Meyer-zitronigem Dip serviert, ist so ein Fall – der Schüppel ebenso knusprig gebackenen Bach-Salbeis dazu ist mutmaßlich ein Fall für die Suchtgiftpolizei.

Dirty Happy

Oder Badger-Flame-Rüben, eine Dan-Barber-Züchtung, einerseits auf Salz gebacken, anderseits hauchdünn gehobelt und mit nichts als fantastischem Olivenöl und einem Berg Kräuter serviert, dessen Duft einen schon vor dem ersten Bissen umhaut. Fenchel wird ebenfalls mit Meyer-Zitrone und Haus-Sauerrahm angemacht und mit geräucherter Forelle kombiniert, Glück pur.

Cacio e Pepe kommt mit Fregola sarda, die bis zur Schmutzigkeit dichte Pecorinocreme mit reichlich Kampot-Pfeffer ist in der Kombination mit frisch pochiertem Stängelkohl (Cime di Rapa) unwiderstehlich. So geht es dahin, ein Teller besser als der andere, ein Wein strahlender als der vorige, ein Feuerwerk der Herrlichkeiten.

Endlich ein Lokal, das sich des jungen Gemüses in unmittelbarer Direktheit annimmt –ohne Zweifel eine der Entdeckungen des Jahres. (Severin Corti, RONDO, 22.11.2019)

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