Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (im Bild bei einer Abgeordnetenkonferenz der steirischen Volkspartei) meint, sein SPÖ-Stellvertreter Michael Schickhofer erzähle "Märchen".

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Es ist ein großer Lebenstraum, der am 24. November mit der steirischen Landtagswahl für Hermann Schützenhöfer in Erfüllung gehen könnte. Bisher führt er das Amt des Landeshauptmanns, weil es ihm sein Vorgänger Franz Voves (SPÖ) nach der letzten Wahl freiwillig überlassen hat. Allen Umfragen zufolge kann Schützenhöfer davon ausgehen, dass er von den Wählerinnen und Wählern als Erster im Land nun auch – sozusagen offiziell – bestätigt wird. Mit wem er nach der Wahl koalieren will, sagt Schützenhöfer nicht. Auch die Blauen bleiben für ihn ein Ansprechpartner. Zu den Grünen äußert er sich seinem Image als "Sphinx der Grazer Burg" entsprechend äußerst vage.

Ein Face-to-Face-Interview wollte oder konnte Schützenhöfer auch nach wochenlanger Urgenz nicht geben. Er war bereit, via E-Mail Fragen zu beantworten.

STANDARD: Vorweg aktuell zur Bundespolitik: Fürchten Sie, dass die Casinos-Affäre die steirische Landtagswahl für die ÖVP noch negativ beeinflussen könnte?

Schützenhöfer: Nein, denn das hat mit der Steiermark überhaupt nichts zu tun.

STANDARD: Mit der Steiermark direkt vielleicht nicht, aber mit der ÖVP. Die Affäre könnte ja das Stimmungsbild für die Volkspartei trüben und den Schwung bremsen. Immerhin sind auch zwei Ex-ÖVP-Finanzminister involviert, und der eine, Hartwig Löger, ist zudem Steirer.

Schützenhöfer: Wie gesagt: Das hat mit der Steiermark nichts zu tun.

STANDARD: Ihr SPÖ-Stellvertreter Schickhofer hat Ihnen vorgeworfen, Sie hätten sein Vertrauen missbraucht und seien "mit der FPÖ fremdgegangen". Wie gehen Sie damit um?

Schützenhöfer: Ich will Äußerungen im Wahlkampf generell nicht überbewerten. Dennoch gilt für mich: Meine Hand zur Zusammenarbeit bleibt ausgestreckt. SPÖ und ÖVP haben in den vergangenen zwei Perioden viele richtungsweisende Beschlüsse und wichtige Reformen im Land gemeinsam umgesetzt. Nur weil es in der Frage des Wahltermins keine Einigkeit gibt, sollte man diese gute Arbeit nicht so schlechtreden.

STANDARD: Warum musste tatsächlich in der Steiermark früher gewählt werden? SPÖ-Chef Schickhofer behauptet, der Entschluss sei erst nach dem Graz-Besuch von Sebastian Kurz, der darauf gedrängt habe, gefallen.

Schützenhöfer: Mir fehlt die Fantasie, an solche Märchen zu glauben. Nachdem die Sozialdemokratie im Bund in einem nie da gewesenen Vorgang Bundeskanzler Kurz und die gesamte Regierung abgewählt hat, sind die Wahlkampftöne in die Steiermark übergeschwappt. Als Schickhofer auch noch meinte, dass die Regierungsarbeit nur "dahinplätschert", habe ich Gespräche mit Vertretern der Sozialpartner und der im Landtag vertretenen Parteien geführt. Fast zwei Drittel der Abgeordneten haben dann für Neuwahlen gestimmt. Es galt, einen langen Wahlkampf zu verhindern. Äußerungen wie die von Ihnen angeführte zeigen, dass die Entscheidung, rasch zu wählen, richtig war.

STANDARD: Sie werden aller Voraussicht nach mit der ÖVP die Wahl gewinnen. Wird Ihr erster Ansprechpartner für eine Koalition die zweitstärkste Partei sein?

Schützenhöfer: Sollten wir Erster werden, wäre es demokratischer Brauch, mit dem Zweiten zuerst zu sprechen. Aber ich würde auch mit allen anderen im Landtag vertretenen Parteien sprechen.

STANDARD: Wäre für Sie eine Koalition mit den Grünen eine interessante Option? Ist das für Sie überhaupt vorstellbar?

Schützenhöfer: Jetzt sind die Wählerinnen und Wähler am Wort. Ich bin nicht übermütig. Ich schließe wie gesagt keine Partei aus, die nach einer demokratischen Wahl im Landtag vertreten ist.

STANDARD: Hätten Sie gewisse Sympathien für eine Zusammenarbeit mit den Grünen? Wäre es wert, wie jetzt im Bund, es auch in der Steiermark zumindest zu probieren, mit den Grünen zu verhandeln?

Schützenhöfer: Hier geht es nicht um Sympathien, sondern es geht um die Steiermark. Dann geht es um die Zusammenarbeit für das Land.

STANDARD: Wie steht es mit der FPÖ? Was müssten die Freiheitlichen tun, um nach der Liederbuch-Affäre und all den "Einzelfällen" Ihr Vertrauen zu gewinnen.

Schützenhöfer: Wie gesagt, ich werde niemanden ausschließen. Ich habe mit Mario Kunasek, als er Verteidigungsminister war, gut zusammengearbeitet. Aber natürlich machen es solche Vorkommnisse und fehlende Distanzierungen nicht leichter.

STANDARD: Eine Zusammenarbeit oder Koalition ist deswegen also nicht ausgeschlossen?

Schützenhöfer: Hier gilt: Keine Partei kommt durch Putsch ins Landesparlament. Eine Partei von vornherein von Gesprächen auszuschließen wäre übermütig.

STANDARD: Sie hatten die Vorverlegung der Wahl auch mit der Eintrübung der Konjunktur argumentiert. Wo sehen Sie denn die Prioritäten für die nächsten Jahre? In welchen Bereichen muss die Steiermark krisenfester werden?

Schützenhöfer: Für mich ist die Fokussierung auf Bildung und Ausbildung, Wissenschaft und Forschung essenziell. Nur so können wir auch in Zukunft das Innovationsland Nummer eins bleiben. Wer bei Forschung und Entwicklung vorne ist, hat den Fuß in der Tür der Arbeitsplätze der Zukunft. Wir können im globalen Wettbewerb nur bestehen, wenn wir alles dafür tun, dass sich unsere jungen Talente bestmöglich entwickeln können. Das beginnt bei den Kinderkrippen und reicht über die Lehrlingsausbildung bis zu den Hochschulen. Eines ist klar: Bei der Bildung, bei unseren Universitäten darf nicht gespart werden.

STANDARD: Wird die Fokussierung auf den automotiven Sektor, den steirischen Autocluster, nicht langsam zum Problem? Sollten tragfähige Alternativen dazu angedacht werden?

Schützenhöfer: Der automotive Sektor beschäftigt nicht nur zehntausende Menschen im Land, sondern ist auch bei der Innovation ganz vorne dabei. Graz ist einer von weltweit nur fünf Standorten, an denen Elektroautos zur Gänze produziert werden. Aber natürlich sind mehrere Standbeine besser als eines. Daran arbeiten wir schon lange im Zuge unserer Clusterstrategie. Da forcieren wir etwa den Humantechnologie- und den Green-Tech-Cluster. Aber auch im Bereich der Mikroelektronik sind wir besonders stark.

STANDARD: Was sind denn Ihrer Meinung nach die drei ganz großen Zukunftsthemen für ein Bundesland wie die Steiermark.

Schützenhöfer: Der demografische Wandel ist zweifelsohne ein Thema – von der Kinderbetreuung bis zur Pflege, von den ländlichen Regionen bis zum Zentralraum. Vor besondere Herausforderungen stellt uns der Klimawandel mit der zunehmenden Häufigkeit von Unwettern. Als dritte große Herausforderung sehe ich die Digitalisierung und die damit einhergehende Veränderung der Arbeitswelt.

STANDARD: Warum fahren Sie zur Vorbildwirkung eigentlich kein E-Auto? Wären Sie für einen autofreien Tag in der Steiermark?

Schützenhöfer: Nein, ich bin gegen einen autofreien Tag, denn für mich gelingt vernünftiger Klimaschutz nicht alleine mit Verboten. Wir haben im Fuhrpark des Landes bereits zahlreiche E-Autos, die für städtische Dienstfahrten eine tolle Alternative sind. Für den politischen Alltag sind die derzeit am Markt befindlichen E-Autos noch nicht geeignet oder leistbar. (Walter Müller, 20.11.2019)