Ein 50 Zentimeter langes Mars-Insekt ... oder vielleicht doch nur ein ganz normaler Stein?
Foto: Dr. William Romoser

Stünde er noch mitten im akademischen Betrieb, hätte er sich mit diesem Auftritt wohl keinen Gefallen getan. Doch William Romoser von der Ohio University ist nach einer 45-jährigen Laufbahn als Entomologe, also Insektenkundler, emeritiert und muss sich nicht mehr viele Karrieresorgen machen.

Und so präsentierte er auf dem jüngsten Treffen der Entomological Society of America in St. Louis ein Thema, das etwas aus dem Spektrum der sonst dort gehaltenen Vorträge herausstach und inzwischen weltweit für Schlagzeilen und hochgezogene Augenbrauen sorgt: Romoser ist sich sicher, auf Bildern vom Mars Insekten beträchtlicher Größe entdeckt zu haben.

Der angebliche Fund

Romoser gibt an, im Internet frei zugängliche Fotos verschiedener Marsmissionen – insbesondere des Rovers Curiosity – studiert zu haben und dabei auf zahlreiche insektenartige Lebensformen gestoßen zu sein. Segmentierte Körper, Beine und Fühler seien typisch für Gliederfüßer, und bei einer Beinzahl von sechs Stück müsse man nach irdischen Begriffen von einem Insekt sprechen.

Auch diese Struktur interpretiert Romoser als insektenartiges Lebewesen.
Foto: Dr. William Romoser

Und er geht sogar noch weiter: Die Rover-Fotos würden nicht nur fossilierte Exoskelette von Mars-Insekten zeigen, auf manchen Aufnahmen könne man sogar lebende Exemplare sehen: eine Art Bienenstock ebenso wie verwaschene Eindrücke eines Tiers, das sich gerade im Sturzflug befindet und dann kurz vor dem Aufschlag wieder hochzieht. Sogar eine Art Schlange soll auf einem der Bilder zu sehen sein. Für Romoser sind alle Anzeichen einer artenreichen Mars-Fauna gegeben: "Es gab und gibt immer noch Leben auf dem Mars."

Optische Täuschung

Die ersten Reaktionen auf Romosers Vortrag, den die Ohio University immerhin mit einer offiziellen Aussendung geadelt hat, waren ebenso erwartbar wie einhellig ablehnend. Und auch die Interpretationen gehen alle in die gleiche Richtung: Romoser sei der Pareidolie aufgesessen, einem Wahrnehmungsphänomen, das uns auch dort vertraute Muster "erkennen" lässt, wo sie gar nicht vorhanden sind. Die vermeintlichen Insekten seien nichts anderes als Gesteinsbrocken.

Für eines der bekanntesten Pareidolie-Beispiele kann man gleich auf demselben Planeten bleiben: Das sogenannte Marsgesicht wurde 1976 auf einer Aufnahme der Sonde Viking I entdeckt und ließ Spekulationen über eine Kolossalstatue ehemaliger Marsianer ins Kraut schießen. Spätere Aufnahmen zeigten, dass es sich um eine ganz normale Felsformation handelt, die nur aus einem bestimmten Winkel betrachtet aufgrund des Schattenfalls einem Gesicht glich.

Bild nicht mehr verfügbar.

Ein legendärer Fall von optischer Täuschung: das Marsgesicht.
Foto: AP Photo/NASA

Ähnliche "Entdeckungen" auf Mars-Fotos werden immer wieder gemeldet, in der Regel allerdings von Laienforschern. Insektoide Formen waren jedoch ein halbes Jahrhundert lang Romosers täglich Brot. Er ist auf Insekten spezialisiert, die für die medizinische Forschung relevant sind, und war Mitbegründer des Instituts für Tropenkrankheiten an seiner Universität. Mit "The Science of Entomology" schrieb er zudem ein Lehrbuch, das jahrzehntelang verwendet wurde.

Die Nasa und andere Weltraumorganisationen suchen tatsächlich nach Lebensformen auf dem Mars – allerdings wird dabei eher an Mikroorganismen gedacht. Bei solchen wäre sogar ein interplanetarer Transport in ferner Vergangenheit denkbar: Bausteine des Lebens und vielleicht sogar einfachste Organismen selbst könnten durch Meteoriten, die bei Einschlägen auf Planet A losgesprengt wurden, auf Planet B gelangt sein.

Atemprobleme

Bei vielzelligen Tieren wie Insekten sähe das etwas anders aus. Insekten sind ein Produkt der irdischen Biosphäre und haben sich hier vor etwa 400 Millionen Jahren entwickelt. Hätte etwas – oder jemand – sie anschließend auf den Mars gebracht, wären sie auf einem Planeten angekommen, auf dem es zu diesem Zeitpunkt schon einige Milliarden Jahre lang keine atembare Atmosphäre mehr gab.

Vor dem gleichen Problem wären indigene marsianische Organismen gestanden, die dann zwar keine Insekten gewesen wären, aber wie die uns vertrauten Gliederfüßer ausgesehen hätten – Romoser glaubt unter anderem Entsprechungen von Hummeln und Rossameisen erspäht zu haben. Er spricht zwar von ausreichenden Energieressourcen durch das Vorhandensein ganzer Nahrungsketten und will auch fotografische Belege für Wasserstellen und Bäche ausfindig gemacht haben. Der nicht unwesentliche Faktor Luft bleibt aber ausgespart.

Nichtsdestotrotz ist der Forscher von seiner Entdeckung überzeugt. Und auch davon, dass sie weitere Studien des Mars rechtfertige – zumindest in diesem Punkt wird ihm der Rest der wissenschaftlichen Gemeinde nicht widersprechen. (jdo, 20.11.2019)