Benny Gantz musste Mittwochabend in Fernsehen verkünden, dass er mit Versuchen, eine israelische Regierung zu bilden gescheitert ist.

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Jerusalem – 28 Tage lang hat er verhandelt, diskutiert, um eine Mehrheit gerungen – und ist nun doch gescheitert: Am Mittwochabend teilte Benny Gantz, Chef des Bündnisses Blau-Weiß, dem israelischen Präsidenten Reuven Rivlin mit, dass es ihm nicht gelungen sei, eine Koalition zu bilden. Zuvor hatte bereits Premier Benjamin Netanjahu keine nötige Knesset-Mehrheit hinter sich versammeln können.

"Ich habe alles versucht, um eine Regierung zu bilden, die dem Staat Israel eine Führung mit Integrität, Moral und Werten bringt", sagte Gantz am Mittwochabend, pünktlich zur Nachrichtenzeit, in einer live übertragenen Ansprache. "Ich war bereit, weitreichende Kompromisse zu schließen für die Bildung einer stabilen Einheitsregierung. Hätten Sie gewusst, wie weit meine Bereitschaft ging, wären manche von Ihnen böse mit mir." Damit gab Gantz indirekt seinem Gegner Netanjahu die Schuld am Scheitern.

Große Koalition

Gantz hatte versucht, mit dessen Likud-Partei eine große Koalition zu bilden, konnte sich mit dem Noch-Premier aber nicht auf die Bedingungen dafür einigen. Auch ein letztes Treffen zwischen Netanjahu und Gantz in der Nacht auf Mittwoch bliebt erfolglos – obwohl beide Seiten in den vergangenen Wochen immer wieder betont hatten, dass eine Einheitsregierung das einzig Richtige sei.

Netanjahu pochte bis zuletzt darauf, nur gemeinsam mit seinem rechten Block – bestehend aus 55 Abgeordneten des Likud, der nationalreligiösen und ultraorthodoxen Parteien – einer großen Koalition beizutreten. Gantz wiederum hielt sich an sein Wahlversprechen, nicht mit einem Premier an der Spitze in der Regierung zu sitzen, dem Korruption vorgeworfen wird und der demnächst auf der Anklagebank landen könnte. Genau das nämlich droht Netanjahu.

Minderheitsregierung

Der Versuch, eine Minderheitsregierung mit den Partnern aus dem linksliberalen Lager zu bilden, unterstützt von den arabischen Parteien, scheiterte an der fehlenden, aber nötigen Zustimmung von Avigdor Lieberman und dessen Partei Unser Haus Israel. Dieser trat bereits am Mittag vor die Presse und verkündete, weder einer linken noch einer rechten Minderheitsregierung beizutreten. Beide Varianten seien nämlich nicht funktionsfähig.

Mit Gantz' Scheitern werden Neuwahlen wahrscheinlicher, auch wenn in den kommenden 21 Tagen jeder der 120 Parlamentarierinnen und Parlamentarier noch einmal den Versuch unternehmen darf, eine Mehrheit zustande zu bringen – eine Phase, die in Israels Geschichte noch nie eingetreten ist. Nach bisher 48 Verhandlungstagen dürfte aber selbst das kaum zu einer Lösung führen.

Warten auf die Anklage

In den kommenden Tagen wird Israel nun gebannt auf die Entscheidung von Generalstaatsanwalt Avichai Mandelblit warten: Der will demnächst bekanntgeben, ob er den unter Korruptionsverdacht stehenden Premier anklagen wird. Zwar hat Netanjahu bereits angekündigt, selbst dann nicht zurücktreten zu wollen. Fraglich aber bleibt, ob sein rechtsnationaler Block im Fall einer Anklage weiterhin geschlossen hinter ihm stehen wird – oder ob es gar innerhalb seiner eigenen Partei manche Abgeordnete wagen werden, die Führung Netanjahus infrage zu stellen. (Lissy Kaufmann aus Tel Aviv, 20.11.2019)