Ein paar Euro sind es immer, die dem Wiener Sport-Club entgehen, wenn alle zwei Wochen freitagabends die Kampfmannschaft auf dem Fußballfeld in Wien-Hernals einläuft. Denn eine Handvoll Zuschauer zahlt keinen Eintritt und hat dennoch den wohl besten Ausblick auf das Spiel. Es sind jene Bewohner der Häuser in der Kainzgasse, deren Loggien direkten Blick auf den Fußballplatz des altehrwürdigen Vereins gewähren. Eine Wohnung mit solch einem Ausblick ist der Traum für Fußballbegeisterte. Nicht selten kann man so manchen Sport-Club-Fan auf der Tribüne davon schwärmen hören.

Aufpreis für eine tolle Aussicht

Doch was ist eine gute oder ganz spezielle Aussicht wert? „Für einen wirklich tollen Aus- und Einblick zahlen die Leute gerne 15 bis 20 Prozent mehr“, sagt Richard Buxbaum von Otto Immobilien, der schon diverse Objekte mit schöner und nicht so schöner Aussicht an den Kunden gebracht hat. Dabei können die Geschmäcker aber durchaus verschieden sein. Was für den einen als echter Hingucker gilt, schreckt den anderen bereits auf den ersten Blick ab.

Weitsicht ist ein sehr guter Faktor, um eine Immobilie teurer auf dem Markt zu platzieren.
Foto: iStock

Besonders begehrt sind Wohnungen im Dachgeschoß, weiß Sophie Karoly von Avantgarde Properties. Je nachdem, ob es einen Rundumblick oder nur eine eingeschränkte Aussicht gibt, in welche Himmelsrichtung man blickt und was man sieht, sei ein um 20 Prozent höherer Preis durchaus möglich, bestätigt sie. „Ein Haus mit Aussichtslage kann auch mal um eine Million überbezahlt sein“, so Karoly. Was noch eine Rolle spielt: „Ob der Ausblick in Zukunft verbaut werden kann“, ergänzt Sandra Bauernfeind, Wohnimmobilienexpertin bei EHL Immobilien.

Alles Geschmackssache

Sie weiß auch, dass die gewünschte Kulisse reine Geschmackssache ist. „Bei einem Projekt, das Ausblicke Richtung Innenstadt und in die Weinberge bietet, gibt es erfahrungsgemäß gleichermaßen Interessenten für beide Optionen“, so Bauernfeind. Im höherpreisigen Segment scheint das anders zu sein, so Karoly: „Kunden wollen vor allem die Stadt sehen, weniger die Weinberge oder das Wasser.“

Buxbaum hat die Erfahrung gemacht, dass zu den liebsten Ausblicken der Kunden auch schöne Gebäude gehören, in Wien allen voran der Stephansdom, Parkflächen oder eben die reine Weitsicht. Kirchen seien eine Grauzone: Den einen gefallen sie aufgrund ihrer Ästhetik, die anderen stören sich am ständigen Glockenläuten. No-Gos sind hingegen Handymasten. Die Aussicht allein sei aber sehr selten ein Kriterium dafür, die Wohnung zu kaufen. „Wenn dem Kunden eine Wohnung oder das Haus generell nicht gefällt, dann ist es unwahrscheinlich, dass er sich nur wegen der Aussicht doch dafür entscheidet“, sagt Buxbaum.

Schöner Ausblick, fehlender Einblick

Was bei Wohnungen weit oben und mit guter Weitsicht noch als Argument zähle, so Buxbaum, sei der Lichteinfall. Je mehr Stunden am Tag die Wohnung mit natürlichem Licht durchflutet werde, desto höher sei der Preis. Und: „Es geht im Dachgeschoß nicht nur um den Ausblick, sondern auch um den fehlenden Einblick von den Nachbarn.“

Logisch, niemand lässt sich gerne in die Karten schauen, vor allem nicht in den heimischen vier Wänden. Aber auch das kostet und ist sehr begehrt. „Jeder im höherpreisigen Segment wartet auf ein nicht einsichtiges Objekt“, sagt Karoly. Sie weiß: Wenn der Nachbar sieht, was beim Mittagessen mit der Familie auf der Terrasse auf den Tellern liegt, oder die Frau beim Sonnenbaden am Pool beobachtet werden kann, ist das nicht verkaufsfördernd. Auch weil dann zusätzliche Sichtschutzmaßnahmen ergriffen werden müssen.

Kulturelle Unterschiede

„Deshalb ist mangelnde Einsicht ein Verkaufsargument, das wir definitiv anführen und das preissteigernd wirkt“, sagt auch Bauernfeind. Und das, obwohl es auch Menschen gibt, denen die Blicke der Nachbarn nichts ausmachen. Bauernfeind weiß, dass das ein kulturelles Thema ist und es hier ganz unterschiedliche Ansprüche gibt: „In Düsseldorf etwa hat kein Mensch einen Vorhang“, sagt sie. Bei uns hingegen, vor allem im ländlichen Bereich, könne die Thujenhecke nicht hoch genug sein. Die Wiener seien hier allerdings auch schon etwas aufgeschlossener. „Man muss sich halt vor Augen führen, dass man in der Großstadt lebt.“

Und das heißt auch, dass überall gebaut und gewohnt werden muss, auch in Lagen mit ungewöhnlicher Nachbarschaft oder Aussicht. Aber was sagen Immobiliensuchende zu speziellen Panoramen? Gehe es etwa um Objekte mit Blick auf einen Friedhof, so Karoly, sei das im höherpreisigen Segment ebenfalls eine kulturelle Sache. „Österreicher, Deutsche oder Schweizer werden sich nicht daran stoßen und sich an der Ruhelage freuen. Aber Kunden aus dem Osten, etwa aus der Ukraine, Russland, Kasachstan oder Aserbaidschan, die zwickt das, die werden nicht kaufen.“ Unter Kollegen heiße es bei diesen Objekten immer, so Bauernfeind: „Wenigstens kommen von der Seite keine Anrainerbeschwerden.“ Auch sie weiß, dass der Blick auf einen Friedhof Geschmackssache ist. „Das Objekt kann aber definitiv mit den Attributen Ruhelage und Blick ins Grüne angeboten werden“, so Bauernfeind weiter.

Die Aussicht auf den Platz des Wiener Sport-Clubs ist nicht für jeden ein Vorteil.
Foto: Heribert Corn

Wenig Euphorie

Grün, aber nicht unbedingt ruhig ist der Ausblick auf den Fußballplatz des Wiener Sport-Clubs. Auch wenn das für Sportaffine interessant sein könnte, sagt Karoly, eigne sich ein Fußballplatz nicht unbedingt dazu, einen höheren Preis für eine Wohnung zu erzielen. Solchen Wohnungen mit Aussicht auf Events steht auch Buxbaum nicht sehr euphorisch gegenüber. Die Wohnungen dürften dadurch einen Wertverlust erleiden, sagt der Experte:„So viele Sportfans, die nur Fußball schauen wollen und die der Lärm nicht stört, gibt es nicht.“

„Verkaufbar ist diese Lage aber sicher auch“, glaubt Bauernfeind, ähnlich wie etwa Objekte neben einem Heurigen. Immerhin sei die Saison ja beschränkt und somit auch der Zeitraum mit erhöhter Geräuschkulisse. Insgesamt, so Bauernfeind, seien Mieter hier weit weniger sensibel als Eigentümer.

Blick auf Sport-Sensationen

Was in Wien den Immobilienpreis drückt, ist anderswo heiß begehrt – etwa in Garmisch-Partenkirchen, wo Wohnungen mit Ausblick auf die Skisprungschanze durchaus nachgefragt werden, wie die ortsansässige Immobilienmaklerin Anette Lohmiller vom Unternehmen Von Poll Immobilien erklärt. „Wer jemanden kennt, der mit so einem Ausblick wohnt, hat Glück und kann das Skispringen vom besten Platz aus beobachten“, sagt Lohmiller, die einst selbst in einer solchen Wohnung gelebt hat.

Der Balkon mit Blick auf den Grand Prix von Monaco hat Event-Charakter.
Foto: Imago

Ähnlich ist die Situation in der Innenstadt von Monaco. Hier findet einmal jährlich der Große Preis von Monaco in der Formel 1 statt, das wohl prestigereichste Rennen in der Königsklasse des Rennsports. Ein ganzes Wochenende lang rasen 20 Autos durch die engen Gassen der Stadtteile Monte Carlo und La Condamine – und 75.000 Menschen schauen sich das am Rennsonntag vor Ort an. Wohnungen in Monaco sind teuer. Wohnungen mit Blick auf den Grand Prix sind noch teurer. Kein Wunder also, dass es Eventfirmen gibt, die für hohe Summen sogenannte „Formel-1-Balkone“ anbieten. Und der Lärm? Der ist hier Teil des Erlebnisses. (Bernadette Redl, Thorben Pollerhof, 7.12.2019)