Vor dem Rathaus geht es derzeit weihnachtlich zu. Der Festtagsruhe folgt ein wohl aufreibendes Wahljahr.

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Die Gerüchte darüber, dass in der Bundeshauptstadt bereits im Frühjahr gewählt wird, werden in der SPÖ Wien vehement zurückgewiesen: "Warum sollte die Wien-Wahl vorgezogen werden?" In der Parteizentrale geht man von Herbst 2020 aus – und bereite sich darauf auch vor. Siegessicher, wie versichert wird. Denn die Umfragewerte seien in Ordnung, interne Erhebungen vom September zeigten, dass die SPÖ bei der Gemeinderatswahl um zehn Prozent mehr erreichen würde als auf Bundesebene – sprich rund 37 Prozent. Und das ohne einen auf Wien zugeschnittenen Wahlkampf.

Das wichtigste Thema der roten Nummer eins in Wien: soziale Gerechtigkeit. Man werde im Wahlkampf betonen, wie einzigartig Wien sei, und für alle Milieus ein Programm anbieten. Eine linke Volkspartei wolle man sein. Die Krise in der Bundespartei spiele kaum eine Rolle, die Wähler würden deutlich zwischen den Ebenen unterscheiden, heißt es.

Neues Feindbild?

Allerdings stehen die Wiener Roten vor einem Problem: Ihnen ist ihr jahrelanges Feindbild abhandengekommen, nämlich die im vergangenen Jahrzehnt immer weiter erstarkte FPÖ von Heinz-Christian Strache. Ibiza- und Casinos-Affäre werden den roten Spitzenkandidaten Michael Ludwig (SPÖ) jedoch kein neuerliches rot-blaues Duell um Wien ausrufen lassen. Aber intern wird man nicht müde, zu betonen: Wer Ludwig als Stadtchef wolle, müsse SPÖ wählen. Alle anderen, wird kolportiert, wollen die SPÖ aus dem Rathaus draußen haben.

Dass sich die SPÖ selbst vom Wiener Koalitionspartner, den Grünen, distanziert, ist deren Verhandlungen mit der ÖVP im Bund geschuldet. Wobei Ludwig und Grünen-Chefin Birgit Hebein an sich harmonieren. Streitpunkte wie das Alkoholverbot am Praterstern oder der Bau des Lobautunnels werden außen vor gelassen.

Ausgangssituation

Bei der Wahl 2015 kam die SPÖ auf fast 40 Prozent, gefolgt von der FPÖ mit 31 Prozent. Die Grünen erreichten zwölf Prozent, die ÖVP neun und die Neos sechs Prozent. Das Regierungsprogramm für Rot-Grün II wurde noch von Ludwigs und Hebeins Vorgängern ausverhandelt: Michael Häupl und Maria Vassilakou.

Die Kandidaten der Parteien im Überblick:

Michael Ludwig, SPÖ
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In der SPÖ wurden die Weichen für Spitzenkandidat Michael Ludwig vor fast zwei Jahren gestellt, damals wurde die Nachfolge des ehemaligen Stadtchefs Michael Häupl fixiert. Im Vorfeld kam es zur Lagerspaltung: ein Teil der Partei unterstützte Ludwig, ein anderer den jetzigen EU-Mandatar Andreas Schieder. Als Bürgermeister blieb Ludwig bislang eher unauffällig. Die SPÖ-Strategen sind jedoch zuversichtlich: Ludwig habe gute Werte. In einer Direktwahl würde er laut internen Umfragen besser abschneiden als Sebastian Kurz als Spitzenkandidat der ÖVP im Bund.

Dominik Nepp, FPÖ
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Durch die Ibiza-Affäre kam der FPÖ das langjährige Wiener Zugpferd Heinz-Christian Strache abhanden. Vor einer Woche hat sich die Partei festgelegt, 2020 mit Dominik Nepp als Spitzenkandidat in die Wienwahl zugehen. Seine erste politische Forderung seither zeigt, dass die Blauen wieder mit dem "Ausländerthema" punkten wollen. Nepp forderte die Auflösung der Islamischen Glaubensgemeinschaft. Anlass ist die Ansage von Präsident Ümit Vural, eine größere Moschee in jedem Bundesland zu errichten. Nepp warnte vor "radikal-islamischem Gedankengut".

Birgit Hebein, Grüne
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Dass Birgit Hebein die Wiener Grünen als Spitzenkandidatin in die Wahl 2020 führen wird, wurde vor einem Jahr entschieden. Sie setzte sich in der innerparteilichen Vorwahl durch. Als Vizebürgermeisterin fungiert sie seit Juni dieses Jahres – und hat sich dem Klimaschutz verschrieben. Hebein war Teil des Verhandlerteams der Grünen im Bund bei den Sondierungsgesprächen – und leitet aktuell die Gruppe Soziale Sicherheit bei den Koalitionsverhandlungen. Kommt es tatsächlich zu Türkis-Grün im Bund, wollen die Grünen in Wien dennoch Rot-Grün fortsetzen.

Gernot Blümel, ÖVP
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Gernot Blümel ist Wiener Landesparteichef und auch Spitzenkandidat für die Wienwahl, heißt es aus der Wiener ÖVP kurz. Obwohl Blümel bereits vor geraumer Zeit seine Kandidatur erklärt hat, halten sich die Spekulationen darüber, ob der Intimus von ÖVP-Chef Sebastian Kurz tatsächlich das Amt des Wiener Bürgermeisters anstrebt, stetig. So scheint es beinahe unumgänglich, dass der ehemalige Kanzleramtsminister Blümel auch in der kommenden Bundesregierung, sei diese türkis-grün oder anders gefärbt, ein Fixstarter ist.

Christoph Wiederkehr, Neos
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Der Abgang von Matthias Strolz aus dem Parlamentsklub im Jahr 2018 hat auch für die Wiener Neos eine Umstellung in den eigenen Reihen nach sich gezogen. Beate Meinl-Reisinger, mit der als Spitzenkandidatin bei der Wienwahl 2015 die Neos in den Gemeinderat eingezogen sind, verließ die Stadt- für die Bundespolitik. Ihr folgte Christoph Wiederkehr an der lokalen Spitze. Zwar ist Wiederkehr der logische Spitzenkandidat für die kommenden Wahlen, die Liste wird aber erst im Jänner erstellt. Dann entscheiden Onlinevoting, Vorstand und Mitgliederversammlung.

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Sonstige Kandidaten?
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Wird Heinz-Christian Strache mit seiner eigenen Partei der FPÖ in Wien Konkurrenz machen? Dominik Nepp, Spitzenkandidat der Blauen, macht sich da keine Sorgen, er vertraue darauf, dass sich Strache an das, was er gesagt hat, auch hält. Und zwar, sich aus der Politik zurückzuziehen. Doch das Vertrauen der FPÖ in ihren ehemaligen Parteichef schließt eine Kandidatur noch lange nicht aus. Dieselbe Frage stellt sich für Peter Pilz und seine Liste Jetzt. Pilz hatte schließlich mit einer Kandidatur in Wien geliebäugelt – vor dem Rauswurf aus dem Nationalrat durch die Wähler. (Oona Kroisleitner, Rosa Winkler-Hermaden, 21.11.2019)