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Eine Aufnahme aus Isfahan vom Wochenende: Wie in vielen anderen großen und mittleren Städten protestierten die Menschen auch hier gegen die Benzinpreiserhöhung.

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Glaubt man Irans Führung, dann sind die Proteste und Unruhen, die in den vergangenen Tagen in geschätzten hundert iranischen Städten Zehntausende auf die Straßen gebracht haben, wieder abgeebbt: Am Mittwoch konnten die Medien hingegen von „spontanen Demonstrationen“ Regimetreuer an vielen Orten berichten, die die „Stärke des iranischen Volkes“ zeigten, wie Präsident Hassan Rohani das darstellte.

Auch Rohani ist völlig auf die Linie aufgesprungen, dass die Proteste von außen gelenkt und befeuert wurden, wobei er aber gleichzeitig zugab, dass die Menschen Grund zur Unzufriedenheit hätten. Aber die Iraner hätten gleichzeitig „den historischen Test bestanden“ und „die äußeren Feinde des Iran“ nicht profitieren lassen. Bei den Pro-Regime-Demos wurden Plakate gegen die USA und Israel mitgeführt. Die Regierung bestreitet auch empört die Zahl von mehr als 100 getöteten Demonstranten, die Amnesty International meldete.

Die Wahrheit ist, man weiß nicht sehr viel, mangels verlässlicher unabhängiger Quellen: Die Volksmujahedin (MEK), die westliche Medien nur zu gerne mit Informationen versorgen, gehören jedenfalls nicht dazu. Die sofortige Sperre des Internets stoppte den Informationsfluss – sie ist auch ein Hinweis darauf, dass das Regime auf Proteste vorbereitet war. In sozialen Medien gelangten trotzdem Bilder der Zerstörung – abgefackelte Banken, brennende öffentliche Gebäude – aus etlichen Städten ins Ausland, ein Gesamtbild lässt sich seriöserweise dennoch nicht herleiten.

Benzinkonsum drücken

Begonnen hat alles mit einer Benzinpreiserhöhung um ein Drittel auf 15.000 Rial (40 Cent), wobei um diesen Preis für den Normalverbraucher nur 60 Liter pro Monat zu erhalten sind, danach wird es teurer. Was anderswo lächerliche Preise wären, ist natürlich an der iranischen Kaufkraft zu messen. Benzin ist immer wieder Thema, es gab bereits Rationierungen (2007) und Preiserhöhungen (2010). Dahinter steckt der Wunsch der Regierung nach Benzin-Autarkie. Im Iran ist der Benzinverbrauch überdurchschnittlich hoch, auch wegen des Schmuggels nach Pakistan und in die Türkei, wo Benzin um ein Mehrfaches teurer ist.

War der Benzinpreis der Auslöser, so richteten sich die Proteste im Iran – wie in anderen nahöstlichen Ländern, wo derzeit demonstriert wird – sehr schnell gegen das System an sich. Gerade die Social-Media-affinen Iraner kriegen mit, dass es im Iran längst eine Zweiklassengesellschaft und enorme Korruption unter den Eliten gibt. Auch Rohanis Bruder Hossein Fereidun wurde vor kurzem wegen Korruption verurteilt (wobei er dies als politisches Komplott bezeichnet). Die Sprösslinge der einstigen Revolutionäre tun sich dabei oft besonders hervor, mit ihren teuren Klamotten, Autos und Partys, während die normalen Menschen den Preis für die teure iranische Einflusspolitik in der Region – im Irak, Syrien, Libanon und Jemen – und für die US-Sanktionen zahlen.

Öffentliche Personen haben teilweise Verständnis für die Anliegen der Demonstranten gezeigt. Da aber der religiöse Führer, Ali Khamenei, in einer Rede am 17. November quasi die Verantwortung übernahm, gibt es offizielle Kritik nicht mehr an der neuen Benzinpreispolitik, sondern nur noch daran, wie sie kommuniziert wurde. Rohani habe die Bevölkerung nicht genügend darauf vorbereitet und nicht für die nötige soziale Abfederung gesorgt. Das wird nun nachgeholt, Millionen Iraner sollen in Zukunft einen Benzinpreiszuschuss bekommen.

Grad der Erschütterung

Bleibt die Frage, ob und wie schwer das iranische Regime von den Protesten erschüttert wurde. Auf eine Destabilisierung des Systems weist einstweilen nichts hin, zitiert Haaretz den Experten Raz Zimmt vom israelischen Institute for National Security Studies – und auch nichts darauf, dass der Iran nun den USA gegenüber, was den Atomdeal betrifft, verhandlungsbereiter sein könnte.

Das nächste Wochenende wird zeigen, ob die Protestwelle wirklich eingedämmt ist: Mit vermehrtem Einsatz von Gewalt ist zu rechnen, das Regime kündigte das offen an. Mit den ebenfalls landesweiten Protesten im Libanon und im benachbarten Irak verbindet die iranischen, dass es keine sichtbare Führung und Organisation gibt, was gezielte Verhaftungen schwieriger macht. Im Einklang mit dem Narrativ, dass die Unruhen von außen gesteuert sind, sollen im Iran weitere Personen mit doppelter Staatsbürgerschaft – der iranischen und einer anderen – festgenommen worden sein.

Dem iranischen Regime sei es stets gut gelungen, „Unzufriedenheit in Wahlkämpfe zu kanalisieren“, heißt es in einem Papier des Washington Institute for Near East Policy. Im Februar 2020 stehen Parlamentswahlen an, 2021 Präsidentschaftswahlen – falls Rohani nicht früher geopfert wird. Die Frage ist, ob das Vertrauen der Menschen, jemand könne „Change“ bringen, nicht erschöpft ist. Rohani, der das 2013 versprach, ist jedenfalls gescheitert.

Zum inneren Druck auf das Regime kommt auch wieder äußerer: In einem seit Jahren laufenden unterschwelligen Krieg Israels gegen die iranische Präsenz in Syrien kam es diese Woche wieder zu massiven israelischen Angriffen. Vier syrische Raketen wurden vom Iron Dome über dem Golan abgefangen. Man wird sehen, ob noch mehr kommt. (Gudrun Harrer, 21.11.2019)