Die Händedesinfektion ist die wichtigste Maßnahme gegen die Verbreitung von Keimen. Schätzungen zufolge wird sie jedes zweite Mal unterlassen.

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Wien – Kürzlich einen Gesprächsfetzen beim Spaziergang in Wien aufgeschnappt: "Man hat ja heute im Krankenhaus nicht mehr Angst vor der Operation", sagte da eine Dame zu ihrem Begleiter, "heute hat man Angst vor dem Keim." Die Sorge ist nicht ganz unberechtigt: In Österreich infizieren sich jedes Jahr rund 95.000 Patienten während ihres Krankenhausaufenthalts mit Bakterien. Jede fünfte Infektion gilt als schwer. In bis zu 5000 Fällen stirbt der Patient an der Infektion.

Dagegen sollte die nächste Bundesregierung vorgehen, fordert die Plattform Kampf gegen Krankenhauskeime, die sich aus Vertretern der Österreichischen Gesellschaft für Krankenhaushygiene (ÖGKH), der Patientenanwaltschaften und der Plattform Patientensicherheit zusammensetzt. Im Wesentlichen gehe es um zwei Dinge, sagte Ojan Assadian, Präsident der ÖGKH: erstens Antibiotika richtig zu verwenden, da Keime dagegen resistent werden, und zweitens Hygienemaßnahmen konsequent umzusetzen.

Zwar gibt es Qualitätsstandards für die Organisation und Strategie der Krankenhaushygiene. Dabei handelt es sich aber um Empfehlungen. Die Umsetzung obliegt den einzelnen Bundesländern.

Hände öfter desinfizieren

Die Händehygiene ist eine der effektivsten Maßnahmen gegen die Verbreitung von Krankenhauskeimen, auch nosokomiale Infektionen genannt. Derzeit dürfte laut Assadian jede zweite erforderliche Händedesinfektion unterlassen werden. Gründe dürften Wissensmängel, fehlende Desinfektionsmittelspender, Zeitmangel, Hautirritationen und mangelhaft vorbildliche Vorgesetzte sein. Wichtig ist zusätzlich das Desinfizieren von Oberflächen sowie das richtige Aufbereiten medizinischer Instrumente.

Der Plattform Kampf gegen Krankenhauskeime zufolge dürfe es nicht alleine Hygienefachkräften überlassen bleiben, über die Umsetzung von Hygienemaßnahmen zu wachen. Offenbar mangelt es zudem an entsprechend qualifiziertem Personal: Bei einer Befragung der ÖGKH gaben 235 Gesundheits- und Krankenpfleger an, dieses Wissen erworben zu haben. Von diesen sind laut Assadian aber nur 40 Prozent im Beruf tätig und in der Regel nicht Vollzeit.

Fachkräfte mit schlechtem Image

"Das Image ist schlecht", sagt Elke Poßegger, selbst Hygienefachkraft, über ihr Spezialgebiet. Ein bundesweit einheitlicher Personalschlüssel, wie viele Hygienefachkräfte es für eine bestimmte Bettenzahl geben müsste, fehlt.

Hat ein Patient den Verdacht, einen Krankenhauskeim erwischt zu haben, hat er nicht nur ein gesundheitliches Problem. "Derzeit liegt es am Patienten selbst, zu beweisen, dass Fehlverhalten in einem Spital zur Ansteckung mit einem Keim geführt hat", sagt Gerald Bachinger, Sprecher der Patientenanwälte Österreichs.

Ein beachtlicher Teil der Entschädigungen nach Infektionsschäden erfolgt dann aus dem Patienten-Entschädigungsfonds, der von Patienten selbst finanziert wird. Bachinger fordert dafür zusätzlich Geld der Träger. Weiters sollten aus seiner Sicht die Qualitätsstandards für Krankenhaushygiene für Patienten als verbindliches Schutzgesetz gelten.

Überblick über Verbreitung fehlt

Welche Keime wann wie oft in Österreichs Spitälern aufgetreten sind, ist unbekannt. Zwar wurde im Jahr 2016 eine systematische Erfassung beschlossen, ein für Februar 2018 angekündigter Bericht liegt allerdings bis dato nicht vor. Im Gesundheitsministerium heißt es dazu, dass dieser im März 2020 fertig sein soll. Aufgrund technischer Probleme sei es zu Verzögerungen gekommen.

Zu den Gefahren durch die Verbreitung von Krankenhauskeimen heißt es beim Wiener Krankenanstaltenverbund (KAV) als Träger der Spitäler der Stadt Wien, man lege viel Wert auf Hygiene. Es gebe regelmäßig Fortbildungen und an allen Einrichtungen einfach zugängliche Desinfektionsmittel. Der Umgang mit Hygienemaßnahmen sei "klar in der Dienstordnung geregelt". An allen bettenführenden Krankenanstalten sei ein Hygieneteam zu bilden, das sich der Erkennung, Überwachung, Verhütung und Bekämpfung von Infektionen widmet. Zusätzlich existiere hausübergreifend eine Hygiene-Kommission. (Gudrun Springer, 21.11.2019)