Die verunglückte deutsche Pkw-Maut fährt beim österreichischen Mautbetreiber Kapsch Traffic.com voll ein. 4,2 Millionen Euro an Vertragsanbahnungskosten musste Kapsch allein aufgrund der Kündigung durch das deutsche Verkehrsministerium vorzeitig abschreiben, Das gab Kapsch Traffic.com am Mittwoch bei Vorlage der Halbjahreszahlen bekannt.

Hinzu kamen 900.000 Euro an Abfertigungsrückstellungen für das Lkw-Mautprojekt in Tschechien, weil die mit der Durchführung befassten Mitarbeiter vom designierten Betreiberkonsortium Skytoll/Czechtoll nicht en bloc übernommen würden.

Der Mautbetrieb in Tschechien durch Kapsch läuft, wie berichtet, im dritten Quartal aus. Am 1. Dezember übernimmt der neue Betreiber, der auch die Umrüstung von einem mikrowellen- auf ein satellitengestütztes System vornehmen wird.

Es geht um den Betrieb des Mautsystems bis Ende 2029 mit einem Auftragswert von 6,9 Milliarden Kronen (267,4 Millionen Euro). Kapsch bekämpft diese Vergabe, wie berichtet, mit Klagen gegen die tschechische Wettbewerbsbehörde UOHS und fordert eine Überprüfung der Vergabe, die Behörde habe die Einwände von Kapsch nicht ausreichend gewürdigt.

Im März gab es Razzien unter anderem im Prager Büro von Kapsch, der Wohnung des tschechischen Direktors und in der UOHS in Brünn (dort wurden im Büro des Behördenleiters zwei Millionen Kronen Bargeld konfisziert). Folgen? Bis dato keine.

Warnung vor Stau

Zehn Tage vor dem Start am 1. Dezember warnt Czechtoll vor Fahrten nach Tschechien Anfang Dezember und Staus an der Grenze. Weniger als die Hälfte der Lkw sei mit Bordgeräten ausgestattet. Kapsch nützt all das nichts, der Vertrag ist perdu. Im ersten Halbjahr 2019/20 stieg zwar der Umsatz um sieben Prozent auf 359,2 Millionen Euro, der operative Gewinn (Ebit) halbierte sich aber auf 8,8 Millionen Euro, und unterm Strich blieb ein um 72 Prozent auf 2,3 Millionen Euro eingebrochenes Periodenergebnis.

Der Aktienkurs gab um drei Prozent auf 28,5 Euro nach. Ohne diese Einmaleffekte hätte das Ergebnis fast 14 Millionen Euro ausgemacht, sagte Kapsch-Chef Georg Kapsch. Er begründete die geringe Profitabilität mit Investitionen in weiteres Wachstum, das Mautgeschäft entwickle sich vor allem in Amerika positiv.

Bis auf Autobahnen in Deutschland eine fahrleistungsabhängige Pkw-Maut installiert ist, wird um Schadenersatz in Millionenhöhe gestritten.
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Belastet vom Pkw-Maut-Debakel wird insbesondere der deutsche Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU). Er gerät in Bedrängnis, denn der Bundesrechnungshof attestiert schwere Fehler bei der Mauteinführung. Die Vorbereitungen seien rechtswidrig gewesen, das Verkehrsministerium habe gegen Haushalts- und Vergaberecht verstoßen und dabei auch noch den Bundestag hintergangen, berichtete die Süddeutsche Zeitung unter Berufung auf den 28-seitigen Bericht der Kontrollbehörde.

Das Ministerium hätte das Vorhaben aufgrund finanzieller Risiken überdenken müssen. Um das CSU-Prestigeprojekt zu retten, habe sich Scheuer nicht an die vom Bundestag vorgegebene Kostenhöchstgrenze von zwei Milliarden Euro gehalten. Wohl habe das nachgebesserte Angebot der Bieter die vom Bundestag bewilligten Mittel eingehalten, aber nur formal.

Denn der – aufgrund der Aufhebung durch den Europäischen Gerichtshof – inzwischen hinfällige Vertrag habe „weitere Vergütungsbestandteile“ enthalten, die Zusatzkosten in dreistelliger Millionenhöhe verursacht hätten, so der SZ-Bericht.

Rückschläge bei Mautprojekten für Georg Kapsch.
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Diesem Zweck diente, wie berichtet, eine Umgehungskonstruktion: Das Ministerium schloss mit Autoticket einen Vertrag, wonach zwar die Einhebung der Pkw-Maut an Kapsch und Eventim ausgelagert wird. Über seine Lkw-Maut-Tochter Toll Collect blieben aber „wesentliche Aufgaben“ und Risiken beim Staat.

Einziger Anbieter

Toll Collect hätte als Subunternehmer entscheidende Leistungen erbringen müssen, etwa Mautstellen zur Verfügung stellen, Infrastruktur warten und instandhalten – laut Berliner Zeitung zu nicht marktüblichen Preisen. Aufgrund dieser Risiken wären Kapsch und CTS Eventim als einzige Anbieter übrig geblieben. Sie hätten dem Ministerium übrigens mitgeteilt, „dass ihr Angebot nicht unter drei Milliarden Euro fallen“ würde.

Das Ministerium wies die Vorwürfe des Rechnungshofs zurück, es habe keine Tricks gegeben. (Luise Ungerboeck, 21.11.2019)