Amy Klobuchar, Pete Buttigieg, Elizabeth Warren, Joe Biden, Bernie Sanders, Kamala Harris und Andrew Yang wollen ins Weiße Haus.

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Washington – Zielsicher haben die US-Demokraten bei der Planung ihrer insgesamt fünften TV-Debatte den denkbar schlechtesten Termin gewählt. Während sich die gesamte Medienöffentlichkeit nach den explosiven Aussagen von EU-Botschafter Gordon Sondland auf die Hauptstadt Washington konzentrierte, versammelten sich die neun bestplatzierten Kandidatinnen und Kandidaten für die demokratische Präsidentschaftskandidatur am Mittwochabend in Atlanta. Mit absehbarem Ergebnis: Obwohl auf der Bühne über vieles diskutiert wurde, dominierte das große Thema des Tages die Medienberichte über die Debatte.

Als sonderlich kontroversiell entpuppte sich die mögliche Absetzung des US-Präsidenten wegen seiner Verfehlungen in der Ukraine-Affäre dabei erwartungsgemäß nicht. Vielmehr erwies sich das Thema als Möglichkeit für die Spitzenreiter des demokratischen Feldes, ihre möglichen Vorzüge hervorzukehren. Joe Biden, einst Vizepräsident und direkt in die Affäre involviert, brachte dabei eine offenkundig vorbereitete Antwort vor, die trotz des unsicheren Vortrags ihre Ziel nicht verfehlte: Dass Präsident Trump die Ukraine zu Ermittlungen gegen seinen Sohn Hunter drängen wollte, beweise, welche Angst der US-Präsident vor seinem Antreten bei der Wahl 2020 habe. In Erweiterung bedeute dies auch, dass Russlands Präsident Wladimir Putin ihn nicht im Weißen Haus sehen wolle.

"Krimineller" Präsident

Auch die anderen Kandidatinnen und Kandidaten gaben sich hart. Senatorin Kamala Harris nannte Trump einen "Kriminellen", Elizabeth Warren sprach von der "verfassungsmäßigen Pflicht", die Vorwürfe gegen Trump zu untersuchen. Außerdem legte sie ihren Fokus auf die Person von EU-Botschafter Sondland, der als Dank für eine Großspende nach Brüssel geschickt worden sei, obwohl er keine Qualifikationen dafür mitbringe. Dass reiche Spender Botschaftsposten übernehmen, werde es unter ihrer Präsidentschaft nicht mehr geben, versprach sie.

Ob es zu einer Warren-Präsidentschaft kommt, scheint nach einem Umfragehoch zu Ende des Sommers allerdings mittlerweile wieder unwahrscheinlicher. Die Senatorin aus dem Neuengland-Staat Massachusetts war in der vorangegangenen Debatte von einigen wegen ihrer teils weit linken Wahlversprechen angegriffen worden, seither hat sie an Boden verloren. Auf ihre Kosten gewonnen hat nicht nur ihr ebenfalls linker Konkurrent Bernie Sanders, sondern auch der wesentlich zentristischere Bürgermeister von South Bend, Indiana, Pete Buttigieg. Der 37-Jährige, der mit Abstand jüngster US-Präsident aller Zeiten wäre, liegt in neuesten Umfragen im Bundesstaat Iowa, wo im Februar die erste Vorentscheidung fallen wird, sogar auf Platz eins.

Gemeinsamer Feind Trump

Allzu vieler Angriffe musste sich der neue Frontrunner in der Debatte dennoch nicht erwehren. Die insgesamt neun Kandidatinnen und Kandidaten beschränkten sich diesmal mehrheitlich auf Kritik an Trump und an den Republikanern. Harte Attacken untereinander vermieden sie. Das lag auch an der Themenwahl: Die Frage der Gesundheitsversicherung, in der die größten inhaltlichen Unterschiede bestehen, bleib diesmal weitgehend ausgespart und beschränkte sich vor allem auf einen Austausch zwischen Warren und dem Senator von New Jersey, Corey Booker, zu Beginn der Debatte.

Über Umwege nahm die gemäßigte Senatorin aus Minnesota, Amy Klobuchar, Buttigieg und ihre anderen männlichen Konkurrenten ins Visier. Es gebe einen Grund, wieso "wir nicht ein Spiel namens 'Nenne deine Lieblingspräsidentin' spielen", sagte sie, Frauen würden an viel strengeren Maßstäben gemessen als ihre männlichen Konkurrenten. Eine Kandidatin, die ähnlich wenig Erfahrung mitbringe wie Buttigieg, wäre vermutlich nicht auf der Debattenbühne zu finden. Dabei sei das Argument, wonach Frauen Donald Trump nicht schlagen könnten, erwiesenermaßen falsch: "Nancy Pelosi schlägt ihn jeden Tag", sagte Klobuchar unter Verweis auf die demokratische Chefin des Abgeordnetenhauses und deren Vorgehen in der Impeachment-Untersuchung.

Ebenfalls mit einem Angriff auf Buttigiegs mangelnde politische Erfahrung versuchte die hawaiianische Abgeordnete Tulsi Gabbard zu punkten. Gabbard, unter anderem russlandfreundliche Favoritin zahlreicher Internettrolle, versucht sich mit massiver Kritik an der Demokratischen Partei und deren außenpolitischer Haltung zu profilieren. Sie geriet daher mehrfach in den Mittelpunkt der Debatte: Harris kritisierte sie für ihre zahlreiche Auftritte bei dem rechten TV-Sender Fox News, Buttigieg reagierte auf die Kritik an seiner Unerfahrenheit mit den Worten, er hätte "sicher die Erfahrung gehabt, mich nicht mit einem mörderischen Diktator zu treffen". Gemeint war damit eine Zusammenkunft zwischen Gabbard und dem syrischen Staatschef Bashar al-Assad vor einigen Jahren, mit der die Abgeordnete damals einen ungewöhnlichen außenpolitischen Akzent gesetzt hatte. Ihre mit Verve vorgetragene Kritik an der Demokratischen Partei wurde noch während der Debatte von Unterstützern Donald Trumps in sozialen Medien verwertet.

Ebenfalls kontrovers fiel ein Austausch zwischen Booker und Biden aus, in dem der Senator dem ehemaligen Vizepräsidenten dessen Haltung zur Legalisierung von Marihuana vorhielt. Dass Biden diese im Jahr 2019 immer noch ablehne, wollte Booker nicht unkommentiert lassen: "Ich dachte, Sie seien high gewesen, als Sie das gesagt haben", meinte er mit Bezug auf Aussagen Bidens aus der vergangenen Woche. Dafür gab es Lacher im Publikum.

Biden, immer noch Spitzenreiter in landesweiten Umfragen, musste sich ansonsten nur gegen wenig Kritik verteidigen. Er lieferte dennoch erneut jene verschwurbelt oder unpassend formulierten Antworten, mit denen er im Lauf des aktuellen Wahlkampfs immer wieder aufgefallen ist. So sagte der 77-Jährige auf eine Frage zur Gewalt gegen Frauen, er werde das Problem "mit Schlagkraft" angehen. Später meinte er in einer Diskussion über afroamerikanische Wähler, er sei von "der bisher einzigen schwarzen Senatorin" Carol Moseley Braun empfohlen worden. Kamala Harris, schwarze Senatorin aus Kalifornien, stand dabei unweit von Biden auf der Bühne und warf "Die andere ist hier!" ein. Biden korrigierte sich, er habe sagen wollen "der ersten schwarzen Senatorin".

Insgesamt gingen Beobachter nicht davon aus, dass die Debatte große Änderungen im demokratischen Feld auslösen wird. Das gilt besonders, weil am ehesten Booker und Klobuchar, die in Umfragen weit hinten liegen, ein Sieg in der Debatte attestiert wurde. Große Fehler leistete sich keiner der Antretenden. Damit bleibt die Spannung im Rennen um die demokratische Präsidentschaftskandidatur bis zur nächsten Debatte aufrecht – sie findet am 19. Dezember in Los Angeles statt. (Manuel Escher, 21.11.2019)