Das Krankenhaus in Entebbe ist eines der modernsten des Landes. Frauen werden hier zur Planung einer Familie beraten, wenn sie eine gründen wollen. Und auch, wenn nicht

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Vergangenen Monat mussten in Uganda 800.000 Kondome vom Markt genommen werden. Sie waren löchrig und liefen Gefahr zu platzen. In einem Land mit einer ebenso hohen HIV- wie Geburtenrate wird seit Jahren nach Lösungen gesucht, um Geschlechtskrankheiten einzudämmen und Frauen unabhängig zu machen. Wie genau, das sieht man, wenn man die Orte in Uganda besucht, in denen Aufklärung passiert. Dort beobachtet man, wie sich das Thema Verhütung, wenn auch langsam, in die Mitte der Gesellschaft drängt.

Zum Beispiel im Krankenhaus Entebbe. Es liegt etwa eine Autostunde von der Hauptstadt Kampala entfernt und gilt als eines der modernsten Spitäler im Land. Zwischen 2013 und 2016 wurde es neu erbaut. Der hintere Ausgang des Hauptgebäudes führt in einen Garten. Ein Weg, der sich zwischen gelben und rosa Häusern und saftigen grünen Bäume schlängelt, führt zur Mutter-Kind-Station. Kinder schreien, Hühner gackern, unter einem einfachen Verschlag sitzen dutzende Frauen in der Wartezone.

Schwester Gertrude berät Frauen im Krankenhaus Entebbe.
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Österreich drei Mal so alt

Drinnen ist der Arbeitsplatz von Gertrude, einer kleinen, ernsten Frau in rosa Uniform, auf dem Kopf ein Häubchen mit Spitzensaum. Kaum größer als vier Quadratmeter ist der Raum, in dem sie Frauen zu Verhütungsmitteln berät und sie ihnen verabreicht. Auf dem Holzstuhl zwischen dem schmalen Tisch und einer abgewetzten Liege sitzt eine junge Frau mit Baby auf dem Schoß. In ihrem Arm hat sie ein Hormonimplantat, deutlich sieht man die Stelle, an der es unter die Haut gepflanzt wurde.

Es ist ein beliebtes Verhütungsmittel vor allem für Frauen, die ihre Familienplanung bereits abgeschlossen haben. Jüngere greifen zur Pille – die ist flexibler. Kondome sind eines der am wenigsten genutzten Verhütungsmittel im Land. Von 42 Millionen Ugandern sollen laut der Organisation Unaids 1,4 Millionen mit HIV infiziert sein. Knapp die Hälfte der Menschen in Uganda ist unter 14. Kaum ein Land ist so jung, in Österreich ist das Durchschnittsalter fast dreimal so hoch. Statistisch gesehen bringt eine Uganderin in ihrem Leben 5,5 Kinder zur Welt, 1,5 sind es pro Österreicherin.

Hormonstäbchen sind ein beliebtes Verhütungsmittel. Manche Männer sind dagegen.
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Mythen und Vorurteile

Obwohl sämtliche Verhütungsmittel kostenlos sind, sind sie gesellschaftlich stigmatisiert. Fragt man das Krankenhauspersonal in Entebbe, ob denn die Männer an Verhütung denken würden, lachen die Frauen. "Sie glauben, mit einer Vasektomie verlieren sie ihre Männlichkeit", sagt Malsayiga Gersmele, die Oberschwester des Spitals.

Egal ob Kondom, Pille oder Implantat: Um jedes Verhütungsmittel ranken sich Mythen. Jane Banage fährt in Dörfer, um mit den dortigen Menschen über ihre Gesundheit zu reden. Sie hat schon viele dieser Mythen gehört. Etwa dass eine Frau als Betrügerin abgestempelt wird, wenn sie Kondome kauft. Oder als Prostituierte. Und dass ihre Fruchtbarkeit sinkt, wenn sie hormonell verhütet. Genauso glauben aber auch manche Frauen, ihr Mann würde sie betrügen, wenn sie Kondome bei ihm finden. Jane sollte eigentlich elf Geschwister haben. Weil drei starben, hat sie nur acht. Sie selbst brachte vier Kinder zur Welt.

Die Versorgung mit Verhütungsmitteln ist in Uganda schlecht, vor allem auf dem Land. Was ebenso fehlt, ist die notwendige Information. Frauen wie Schwester Gersmele und Sozialarbeiterin Banage wollen dem entgegenwirken. Aber auch Männer arbeiten daran.

Mit Gewalt gegen Verhütung

Etwa Sebs Kadokech, Statistiker von Naguru, einem Gesundheitsberatungszen trum für Jugendliche in Kampala. An seinem Schreibtisch malt er Kreise und Pfeile auf Papier und zeichnet auf, wie undicht das Gesundheitssystem ist – obwohl sich der Staat in einem Entwicklungsplan für den Gesundheitssektor vornimmt, bis 2030 einen "universellen Zugang zu sexuellen und reproduktiven Gesundheitsdiensten" zu schaffen. Draußen vor Kadokechs Tür warten Jugendliche zwischen bunten Plakaten vor einem Fernseher, auf dem eine Kindersendung läuft. Auch Kadokech redet davon, wie beliebt das Hormonimplantat ist. Und von damit einhergehenden Gefahren. Manche Männer würden es den Frauen aus der Haut reißen, sagt er, "und sie machen es auf eine schreckliche Art, denn sie machen es, wenn sie wütend sind".

Die Stigmatisierung der Verhütungsmittel in Uganda erfolgt vorwiegend seitens der Männer. Stolz, Fortpflanzungswille und pa triarchale Strukturen sorgen dafür, dass sie Frauen verbieten zu verhüten und diese ihnen folgen. Zumindest meistens. "Will eine Frau eine Methode unbedingt nutzen, findet sie den Weg in eine Einrichtung. Auch ohne dass ihr Mann das merkt", sagt Kadokech. Weil das nicht reicht, müssten auch Männer gebildet werden. Immer mehr aber würden realisieren, so Kadokech, dass es nicht nur Vorteile hat, so viele Kinder zu haben.

Kadokech hat immer ein Kondom auf seinem Schreibtisch liegen. Nicht für den Fall, sondern damit es normal wird, dass Verhütungsmittel Teil des Alltags sind. (Gabriele Scherndl, 9.12.2019)