Wissenschafter haben in Ecuador einen außergewöhnlichen und bisher weltweit einzigartigen Fund gemacht: Die Köpfe zweier vor rund 2.100 Jahren beerdigter Kleinkinder trugen die Schädelknochen von älteren Kindern als Kopfbedeckung. Warum die Kinder diese bizarren "Helme" aufhatten, stellt für die Forscher ein Rätsel dar.

Entdeckt wurden die beiden Skelette in zwei Gräbern neben neun weiteren, aber vergleichsweise unauffälligen Beisetzungen an einer Ausgrabungsstätte der Guangala-Kultur in Salango an der Pazifikküste des südamerikanischen Landes. Wie die Wissenschafter um Sara Juengst von der University of North Carolina at Charlotte und der Universidad Técnica de Manabí im Fachjournal "Latin American Antiquity" schreiben, stammte der "Schädelhelm" des ersten Grabes von einem vier bis zwölf Jahre alten Kind, der ursprüngliche Besitzer der zweiten knöchernen "Kopfbedeckung" war zum Todeszeitpunkt zwischen zwei und zwölf Jahre alt. Genauer lassen sich diese Altersangaben zumindest vorerst nicht beziffern.

Was der Grund für die ungewöhnlichen Kopfbedeckungen aus menschlichen Schädeln war, ist weitgehend unklar – ein paar Vermutungen haben die Forscher jedoch.
Foto: Sara Juengst/UNC Charlotte

Genau passende "Knochenhelme"

Die Analyse zeigte, dass die Köpfe der beiden neun und 18 Monate alten Kinder nur knapp in die Knochenhelme hineingepasst hatten. Außerdem befanden sich in einem Zwischenraum ein Handknochen und eine Muschelschale. Makabres Detail des Fundes: Juengst und ihre Kollegen glauben, dass die Schädel zum Zeitpunkt der Beisetzung noch von Fleisch umgeben waren, andernfalls wären sie wohl stärker zerfallen gewesen. In welchem Verhältnis die zwei beigesetzten Kleinkinder und jene Kinder, von denen Schädel stammen, zueinander standen – etwa ob sie miteinander verwandt waren – , konnte zunächst nicht geklärt werden. Dies sollen aber künftige DNA-Untersuchungen beantworten.

Über den genauen Hintergrund dieser beispiellosen Beisetzungspraxis können die Forscher vorerst allenfalls Vermutungen anstellen: Demnach dürfte wohl ein besonderes Ritual im Spiel gewesen sein. "Das ist der einzige bekannte Beleg für die Nutzung eines Kinderschädels als Kopfschmuck für einen Toten – sowohl in Südamerika als auch weltweit", erklären die Forscher. "Es könnte daher einen Versuch darstellen, den Schutz dieser ‚präsozialen und wilden‘ Seelen sicherzustellen", so Juengst und ihre Kollegen.

Eines der beigesetzten Kinder war zum Zeitpunkt seines Todes 18 Monat alt, das zweite dürfte sechs bis neun Monate alt gewesen sein.
Foto: Sara Juengst/UNC Charlotte

Ritual zur Besänftigung eines Vulkans?

Außerdem könnten jene Kinder, die die "Helme" lieferten, speziell für diesen Zweck geopfert worden sein, spekulieren die Wissenschafter. Das zumindest deuten Aschespuren an, die auf einen nahe gelegenen, damals aktiven Vulkan hinweisen. Mangelerscheinungen an den Gebeinen der Kinder wiederum lassen auf einen schlechte Versorgung mit Nahrungsmittel schließen.

Möglicherweise wollte man so den Vulkan gleichsam besänftigen. "Wir halten es für plausibel, dass dieser Vorgang eine Reaktion auf eine Form von natürlicher oder sozialer Katastrophe war, mit dem diese Kleinkinder im Jenseits einen besonderen Schutz erhalten sollten", so Juengst. (tberg, 22.11.2019)