Christian Mitter ist kein Freund strenger Regeln. Beim Essen nicht auf sein Smartphone zu starren sei selbstverständlich. Schließlich gelte es, durch Gespräche das Teamgefüge zu stärken.

Foto: APA/EXPA/JOHANN GRODER

Christian Mitter hat nach zwölf Jahren in Norwegen die Reißleine gezogen. Den Abschied im Norden hat nicht zuletzt ein offener Brief erleichtert, den Norwegens medizinisches Team im Frühjahr veröffentlichte. Darin wurde der Umgang des Herrencheftrainers mit Ärzten und Physiotherapeuten kritisiert.

"Fachliche Uneinigkeit" habe zu einer Auseinandersetzung geführt, und diese sei aufgebauscht worden, relativiert Mitter selbst. Ein längeres Engagement fördere Stabilität und Kontinuität, andererseits aber auch Abnützungserscheinungen. "Ich habe viel Eigenenergie reingesteckt, man steht vor vielen 50:50-Entscheidungen, die man allein treffen muss, Kanten werden abgerieben", sagt der 39-jährige Steirer, der sich seine Kanten nicht nehmen lassen wollte.

Mitter hatte sich geschworen zu gehen, sollte der Verband beschließen, "es wieder auf seine Art zu machen". Die Trennung sei aber nicht im Streit erfolgt. Das Angebot aus Österreich kam zum richtigen Zeitpunkt.

Nach zwei Jahren bei Norwegens Technikern und zehn als Cheftrainer löste Mitter, der aus Ramsau am Dachstein stammt, im Sommer den ÖSV-Damenchef Jürgen Kriechbaum ab. Das öffentliche Interesse am Alpinrennsport sei in Norwegen geringer, Druck und Erwartungshaltung seien da wie dort gleich. Die Strukturen unterscheiden sich. Während Norwegens Skifahrt zentralistisch aufgebaut ist, setzt der ÖSV auf ein föderalistisches System.

Viele Typen, ein Ziel

Er habe sich, sagt Mitter, nicht groß umstellen müssen. "Ob Damen oder Herren, für mich sind sie Spitzenathleten, da gibt es die Lockeren, die Verkrampften, Komplizierte und Unkomplizierte, Laute und Leise. Sie vereint, dass alle gewinnen wollen."

Mitter fordert ein professionelles Miteinander für eine professionelle Arbeit. Der Sohn des Organisators der nordischen WM 1999, Wolfgang Mitter, legt Wert auf Disziplin, Willen zur Kooperation, eine gewisse Unkompliziertheit mit Fokus auf das Wesentliche, Freude am Verbessern, Wettkampfwillen und Pünktlichkeit. Beim Essen nicht auf sein Smartphone zu starren sei selbstverständlich. Schließlich gelte es, durch Gespräche das Teamgefüge zu stärken. Allzu strenge Regeln brauche es nicht, solange sich nicht ein einzelnes Verhalten negativ auf die Gruppe auswirkt.

Simple Erfolgsstrategie

Christian Mitter, Bruder des in Deutschland tätigen Skisprungassistenztrainers Andreas Mitter und zugleich Bruder des im ÖSV-Slalomteam engagierten Mark, ist oft bei den Trainings dabei und räumt – nicht im wörtlichen Sinn – Steine aus dem Weg. Er möchte den Prozess vorantreiben. Wenn gut trainiert wird und die Freude am Wettkampf da ist, kommen auch die Resultate. "Im Endeffekt geht es um das Erlebnis an einem Tag, und das soll gut sein." Seine Schützlinge sollen es als Chance sehen, die Schwünge in den einzelnen Sektoren gut auszuüben. Dann werden sich auch gute Ergebnisse einstellen – vielleicht schon in Levi, Finnland, wo sich am Samstag mit einem Slalom der Weltcup fortsetzt.

Mitter konstatiert, dass in der Vergangenheit gut gearbeitet wurde. Die Speeddamen seien top, Aufholbedarf gebe es im Technikbereich, speziell im Riesentorlauf. Hier reagierte er mit der Einführung einer weiteren Trainingsgruppe. Es gilt nun, mit hoher Erwartungshaltung zu jonglieren. Für die Athletinnen sei das kein Problem, sonst wären sie erst gar nicht in den Weltcup gekommen.

Mit dem Begriff Talent fängt der Steirer nicht viel an, der werde überstrapaziert. Manche können motorisch schneller lernen, aber auch eine Mikaela Shiffrin müsse hart trainieren. Insofern glaubt Mitter, dass man auch an sie herankommen kann. Mitunter müsse man dafür aber mehr, länger und besser trainieren. Mitter weiß, dass die perfekte Skifahrerin nicht vom Himmel fällt. (Thomas Hirner, 22.11.2019)