Mit einer schlichten App (sofern sie denn bald erlaubt wird) können die Schüler den Spieß umdrehen und Lehrpersonal ein fettes Feedback drüberziehen.

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Digitalisierung und "soziale Medien" haben viel Schönes bewirkt. So ist das Bewerten nicht nur für jedermann zum Kinderspiel geworden, sondern man kann es auch überall tun, wo man gerade Lust darauf hat. Im Internet sowieso, aber auch am Flughafen, wo man mit grünen Lach-Emojis, gelben Na-ja-Emojis und wutroten So-ein-Dreck-Emojis die Performance der Kloperson ebenso bewerten kann wie jene der Leute, die einen beim Sicherheitscheck durchleuchten (Knopfdruck auf das grüne Smiley heißt: "Danke, sie haben mich liebevoll gefilzt").

Früher musste man als professioneller Bewerter, etwa als Lehrperson, erst ein längeres Studium hinter sich bringen, ehe man mit dem roten Stift sein erstes "Sehr gut" oder "Nicht genügend" unter eine Schularbeit setzen durfte. Heute ist die Einstiegsschwelle zum Bewerten viel niedriger geworden.

Tolles Permanentbewerten

Mit einer schlichten App (sofern sie denn bald erlaubt wird) können die Schüler den Spieß umdrehen und den präpotenten Kasperln da vorn am Pult einmal ein fettes Feedback drüberziehen. Späte Rache für unzählige karnifelte Schüler, vom Zögling Törleß, Hanno Buddenbrook und dem Schüler Gerber bis zur Gegenwart herauf! Dass die Schüler ihre Lehrer dabei emotionsfrei und in profunder Kenntnis einschlägiger pädagogischer Parameter per App judizieren werden, versteht sich wohl von selbst.

So wie es aussieht, steht uns künftig also allen ein tolles wechselseitiges Permanentbewerten ins Haus. ("Das Netz der einander kontrollierenden Blicke wird geknüpft", hat das der französische Philosoph Foucault einmal säuerlich genannt, aber der war ein Miesepeter und kein echter Freund des Fortschritts.)

Wenn Sie persönlich darunter leiden, ständig bewertet zu werden, dann habe ich einen Tipp für Sie: Gehen Sie als Funktionär zu einer politischen Partei, dann können Sie ganz ohne Probleme die negativen Folgen einer ungünstigen Bewertung abwenden.

Jüngstes Exempel: Der Wiener FPÖ-Bezirksrat Peter Sidlo wurde von einem Experten als ungeeignet für einen Leitungsposten in den Casinos Austria bewertet, aber die Partei hielt zu ihm, machte ihn trickreich zum Finanzchef und gab dem Experten zu verstehen, dass er mit seiner Bewertung Sidlos groß auf die Toilette gehen kann. Jetzt dürfen wir gespannt sein, wie die Gerichte diese Bestellung bewerten. (Christoph Winder, ALBUM, 23.11.2019)