Vorfälle an der HTL Ottakring haben zu einer breiten Diskussion über Gewalt an Österreichs Schulen geführt.

Foto: APA/HERBERT NEUBAUER

Man wolle keinen "Unfrieden säen", doch das Thema Gewalt an den Wiener Schulen müsse endlich enttabuisiert werden, sagt der Sicherheitssprecher der ÖVP, Karl Mahrer. Die Stadt würde das Problem einfach wegschieben. "Für ein sicheres Wien müssen wir in die Bildung investieren und verhindern, dass Gewalt an Schulen und in der Gesellschaft zur Normalität wird", betonte Mahrer am Freitag bei einem Hintergrundgespräch.

Dabei wollen die Türkisen vor allem auf Vorsorge setzen. So soll es analog zu den Verkehrssicherheitstrainings an Volksschulen für ältere Schüler auch verpflichtende Gewaltprävention geben. Dabei soll ein Polizist die Schule besuchen und die Schüler über das Thema aufklären. Stattfinden soll das in der Sekundarstufe I.

Entsprechende Konzepte gibt es bereits. So bietet das Innenministerium im Rahmen des Programms "Under 18" Schulungen an, die sich etwa mit Rechtsinformationen zu der Frage, wo psychische und physische Gewalt beginnt, auseinandersetzen oder mit dem verantwortungsvollen Umgang mit digitalen Medien und der Suchtprävention. Doch: "Meiner Erfahrung nach nehmen das maximal 20 Prozent der Schulen in Anspruch", sagt der ehemalige Wiener Vizepolizeipräsident Mahrer.

Stempel Brennpunktschule

Vor allem Schulen, die guten Kontakt zur Polizei hätten, würden die Kurse besuchen. Der Grund: "Wenn man ein Problem an einer Schule meldet, stellt man sich in ein Eck und bekommt den Stempel 'Brennpunktschule'", sagt Mahrer. "Derzeit ist es eine Schande, wenn man ein Problem zugibt." Müssten alle die Kurse machen, wäre es kein Tabu mehr, findet Mahrer.

In der Bildungsdirektion Wien verweist man auf bestehende Gewaltpräventionsprojekte der Stadt. Hier würden bereits in der Volksschule altersgerecht erste Schulungen angeboten. Nach Gewaltvorfällen habe es an allen polytechnischen Schulen Kurse gegeben. Und: Natürlich wünsche man sich mehr Prävention, aber gerade die von der ÖVP vorgeschlagenen verpflichtenden Kurse mit der Polizei seien eine Ressourcenfrage der Sicherheitsbeamten. Mit den derzeit rund 60 in Wien tätigen Präventionspolizisten sei das personell durchaus machbar, entgegnet dem Mahrer. Sonst müsste die Stadt eben aufstocken.

Niederschwellige Vorfälle dokumentieren

Anstoß für die ÖVP, ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen, war der runde Tisch gegen Gewalt an Schulen der Bildungsdirektion Anfang der Woche. Hier wurden neue Zahlen zu Gewalt an Schulen präsentiert. Gesamt gab es im vergangenen Schuljahr 176 Anzeigen. 141 davon betrafen strafbare Handlungen gegen Leib und Leben, 21 Handlungen gegen die Freiheit und 14 gegen die sexuelle Integrität. Zum Vergleich: Im Schuljahr 2017/18 waren es insgesamt 258 Anzeigen. Für ÖVP-Bildungssprecherin Sabine Schwarz sind diese Zahlen jedoch "nicht sachlich" erhoben worden. Die Bildungsdirektion habe vorab selektiert, welche Anzeigen relevant sind. Eine Anfragebeantwortung des Innenministeriums aus dem Jahr 2018 weist nämlich für das ganze Jahr eine weit größere Zahl aus: 413 Anzeigen in Bildungseinrichtungen werden gelistet, 312 davon betrafen Körperverletzungen (neun davon schwere) sowie 67 gefährliche Drohungen.

Mahrer will auch schon "niederschwellige Vorfälle" dokumentiert sehen, etwa Beschimpfungen. Doch fordert die ÖVP auch Folgen für Gewalt an Schulen. Neben einem "transparenten Konsequenzenkatalog" soll es Verwarnungen geben – "ein Gelbe-Karten-System". Bei größeren Problemen sollen Schüler kurzfristig in Förderklassen oder in sozialpädagogische Schulzentren versetzt werden. "Das sind sicher keine Rohrstabmethoden", sagt Mahrer.

Der Chef der Pflichtschulpersonalvertung in Wien, Thomas Krebs (FCG), will vor allem einschreiten können, wenn Kinder wiederholt Lehrer angreifen und dadurch für die Schule "untragbar" werden. Aktuell habe man keinen Handlungsspielraum, denn selbst wenn Schüler suspendiert würden, kämen sie bald wieder in die Klasse zurück. Ein Problem sei auch das Anstellungsverhältnis von Sozialarbeitern an den Schulen als Lehrer. Denn anders als herkömmliche Sozialarbeiter dürften sie dadurch etwa keine Familienbesuche machen.

Schwarz fordert diesbezüglich neue Schulsozialpädagogen mit mehr Kompetenzen an jedem Schulstandort. 70 Stellen würde neun Millionen Euro kosten, rechnet die ÖVP-Politikerin vor. Das könne Wien sich leisten. (Oona Kroisleitner, 22.11.2019)