Turnunterricht findet in Österreich meist nicht im Freien, sondern im Turnsaal statt. Deren gibt es zu wenig.

foto. elmar gubisch

Den Schulweg bewältigen sie mit dem Elterntaxi, wenn schon nicht ganz, so zumindest bis zur nächsten Bus- oder Bahnstation. Den Nachmittag verbringen sie vor dem Laptop über ihren Hausaufgaben oder aber am Smartphone in den sozialen Medien – und zum anschließenden Treffen mit Freunden düsen sie auf dem Mofa. Auch zum Training auf dem Fußballplatz oder ins Schwimmbad gelangen sie vielfach nur motorisiert.

So sieht in Österreich der Bewegungsalltag vieler Teenager aus, zumindest in Regionen, die nur unzureichend an den öffentlichen Verkehr angebunden sind; abgesehen von größeren Städten ist das fast überall. Auch in den Städten dominieren trotz punktuellen Gegensteuerns Autos das Straßenbild. Richtig Lust zum Radfahren und Zu-Fuß-Gehen macht das Jungen ebenso wenig wie Alten.

Fehlorganisation des öffentlichen Raums

Die Bilanz dieser von der Anziehungskraft der digitalen Kommunikation noch verschärften Fehlorganisation des öffentlichen Raums ist in die am Freitag veröffentlichte Studie der Weltgesundheitsorganisation WHO über die körperliche Aktivität adoleszenter Schüler mit eingeflossen: 71 Prozent aller Burschen und 85 Prozent aller Mädchen im Teenageralter bewegen sich hierzulande weniger, als ihnen empfohlen wird: eine Stunde täglich.

Das Problem ist global, doch das ist kein Anlass, um sich entspannt zurückzulehnen: Bewegungsmangel in frühen Jahren legt den Grundstein für Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen in höherem Alter.

Tägliche Turnstunde, eine Schimäre

Grund genug also, um nach Abhilfe zu suchen. Schüler, die sich zu wenig bewegen? "Da muss mehr Turnunterricht her!" – lautet ein naheliegender Gedanke. Tatsächlich geistert die tägliche Turnstunde seit Jahren durch die Schuldiskussion. Realität geworden ist sie nicht, obwohl 2012 alle 183 Nationalratsabgeordnete für sie unterschrieben haben.

Klassisch im Turnsaal wäre täglicher Sport an den Mittel- und weiterführenden Schulen auch nicht umsetzbar. Um die Auflage der nach Geschlechtern getrennten Körperertüchtigung zu erfüllen, gibt es zu wenige Turnsäle.

Ergometer im Klassenzimmer

Zielführend wären daher kreative Lösungen wie zum Beispiel "Bewegte Schulen", in denen körperliche Aktivität auch abseits der Sportstunden in den Lehrplan eingebaut ist; Bewegungsübungen beim Lernen fördern die Konzentration. Bewährt haben sich im Modellversuch auch Ergometer in Schulklassen, die die Schüler nach Belieben nutzen können. Dem Unterricht lässt sich beim Radeln gut folgen.

Gefragt wäre aber auch ein Umdenken bei Eltern, die ihre Kinder schon in jungen Jahren aus Angst vor den Risiken vor wildem Spielen oder Klettern abhalten. So erzieht man spätere Bewegungsmuffel.

Frauensport fördern

Und nicht zuletzt würde es sich lohnen, zu erforschen, woher der Bewegungsmangel kommt, der auch in Österreich bei pubertierenden Mädchen viel ausgeprägter ist als bei Burschen. Ein Tipp: Ein wenig geringer ist diese Diskrepanz in Ländern mit einer Tradition organisierten Frauensports. (Irene Brickner, 22.11.2019)