Von wegen "You like it? Bike it!" – wer die Kampagne der Österreich Werbung beim Wort nimmt, zahlt drauf.

Foto: APA/Barbara Gindl

Seckau – Am Nationalfeiertag wollten zwei Freunde in der Steiermark einen der letzten warmen Herbsttage für eine Mountainbiketour nutzen. Ihr Ziel waren die Berge nahe Seckau, wo sie vom Mur- ins Liesingtal queren wollten. Die Anfahrt führte über den Moosbodenweg im Forstrevier Seckau, der nicht für Radfahrer freigegeben ist. Dessen waren sich die Freunde bewusst. Allerdings bietet die Region so gut wie keine legale Mountainbikeroute, die diesen Namen auch verdienen würde, also fuhren sie dennoch.

Es ist die traurige österreichische Realität für Mountainbiker, dass Radfahren im Wald und am Berg grundsätzlich verboten ist. Zwar wirbt die Österreich Werbung mit dem Slogan "You like it? Bike it!" – eine Kampagne, die sich auch Steiermark Tourismus auf die Fahnen heftet –, doch wer diese Aufforderung wörtlich nimmt, riskiert Strafen und Klagen. So auch die beiden Freunde im steirischen Murtal.

Von Geländewagen gestoppt

Als sie gegen neun Uhr vormittags auf dem Moosbodenweg unterwegs waren, kam von hinten plötzlich ein Geländewagen mit hohem Tempo in ihre Richtung gefahren. "Ich ahnte schon, dass es Probleme geben wird. Aber ich dachte mir, ich versuche, die Situation durch ein Gespräch zu klären", erzählt einer der beiden Biker, dessen Name der Redaktion bekannt ist, der aber anonym bleiben will.

Doch die zwei Herren in dem Geländewagen waren an einem klärenden Gespräch nicht interessiert. Sie gehörten der Forstverwaltung Wasserberg an, die wiederum seit 1912 im Besitz der Zisterzienserabtei Stift Heiligenkreuz ist. "Sie forderten uns auf, uns auszuweisen, andernfalls würden sie die Polizei auf den Berg rufen", erzählt der Mountainbiker. Er habe sich vom Auftreten der Forstmitarbeiter eingeschüchtert gefühlt und kam der Aufforderung daher nach. Sein Freund hatte keinen Ausweis dabei.

Der Mountainbiker zeigte seine Vorteilscard, die von den Forstmitarbeitern abfotografiert wurde. Als diese bemerkten, dass er auch seine E-Card mitführte, forderten sie auch diese und fotografierten die Karte ebenfalls. Danach wurden die Mountainbiker angewiesen, sofort kehrtzumachen und über den Forstweg zurück ins Tal zu fahren. Die Mitarbeiter der Forstverwaltung stiegen in ihren Geländewagen und fuhren weiter bergauf.

Klagsdrohung mit Ultimatum

Gut zwei Wochen nach dieser Begegnung erhielt der Mountainbiker Post vom Anwalt des Stiftes Heiligenkreuz. Darin wurde er aufgefordert, binnen weniger Tage 200 Euro "Schadenersatzbetrag" zu überweisen sowie eine dem Schreiben beigefügte Erklärung zu unterzeichnen, in der er sich verpflichtete, derartige "Störungen bzw. Handlungen" auf der besagten Liegenschaft künftig zu unterlassen, andernfalls werde man eine Besitzstörungs- sowie eine Schadenersatzklage gegen ihn einbringen.

"Ich habe weder die Zeit noch die Nerven, deshalb einen Rechtsstreit anzuzetteln, daher habe ich fristgerecht bezahlt und unterschrieben", sagt der Biker. Er und sein Freund teilten sich die Kosten. Die Lust am Mountainbiken im "Radland Steiermark" sei ihnen aber gründlich vergangen. Es fahre ohnehin schon immer ein mulmiges Gefühl mit, sagt der Biker, weil es kaum legale Strecken gebe und die Fahrverbote rigoros exekutiert werden.

Holzproduktion und Jagd

Auf Nachfrage des STANDARD beim Stift Heiligenkreuz wird der Vorfall bestätigt. Warum man derart harsch gegen Mountainbiker vorgeht, erklärt man seitens des Zisterzienserklosters wie folgt: Auf dem Moosbodenweg gelte gemäß Forstgesetz nun einmal Radfahrverbot. Die Straße diene ausschließlich der Bewirtschaftung des Waldes. Wie man der Homepage der Forstverwaltung Wasserburg entnehmen kann, ist der vornehmliche Zweck der Liegenschaft die Holzproduktion. Hier werden Bäume geerntet.

Imagevideo der Forstverwaltung Wasserberg. Der Wald wird wirtschaftlich genutzt, das Wild ebenso.
Stift Heiligenkreuz

Nebenbei wird auch gejagt. Derzeit ist zwar keine Jagdmöglichkeit zu vergeben, doch Interessierte können sich auf die Warteliste setzen lassen. Holzproduktion und Jagd erklären zusammen, warum man dem Mountainbiker neben der Besitzstörungs- auch eine Schadenersatzklage androhte. Denn im oberen Bereich des Moosbodens befindet sich eine große Rotwildfütterung. Die Tiere würden sich durch Mountainbiker gestört fühlen, sagt das Kloster und untermauert dies mit einem Beispiel eines Skitourengehers.

In einem Winter habe es nämlich den Fall gegeben, dass Rotwild durch Skisportler gestört wurde. Daraufhin seien die Tiere von der Futterstelle in den Wald ausgewichen, was zu Schäden an den Bäumen geführt habe, dem sogenannten Schälen. Das wiederum reduziere den Holzpreis empfindlich, erklärt man seitens des Klosters. Damit erkläre sich, warum man den Radler auch auf Schadenersatz klagen wollte.

Auf die Nachfrage, ob die Männer im Geländewagen, die an diesem Tag im Gebiet herumfuhren, das Wild nicht mehr stören als zwei Radfahrer, hieß es, dass das Wild daran gewöhnt sei und man die Fahrten ohnehin auf ein nötiges Minimum reduziere. Auf die Frage, warum man im Oktober, bei spätsommerlichen Temperaturen schon das Rotwild füttere, konnte man keine Antwort geben. Laut Wetterdaten kann an diesem 26. Oktober jedenfalls noch kein Schnee, geschweige denn eine geschlossene Schneedecke in den Seckauer Bergen vorhanden gewesen sein. Inwiefern die Präsenz zweier Radfahrer somit zu Schälen durch Rotwild im Wald hätte führen können, bleibt unbeantwortet.

Offroad-Rennstrecken kein Problem

Und zum Verschrecken des Wildes ist noch ein weiterer interessanter Fakt zu nennen. Denn unweit der besagten Stelle, an der die Mountainbiker gestoppt und abgestraft wurden, befinden sich Offroad-Rennstrecken für Autos und Motorräder. Es ist dasselbe Forstrevier, und die Liegenschaft gehört ebenfalls zum Zisterzienserstift Heiligenkreuz. Das Kloster hat dort Waldgrund an das Projekt Spielberg verpachtet. Die Firma gehört Red-Bull-Gründer Dietrich Mateschitz und bietet – behördlich genehmigt – motorisierte Offroad-Abenteuer für zahlende Kundschaft an.

Dass nur wenige Hundert Meter weiter Buggys und Motorräder keine Störung für das Wild bedeuten, Radfahrer auf dem Moosbodenweg aber schon, erklärt man seitens des Stiftes so: Rotwild brauche die Berechenbarkeit, wo es Ruhe hat und wo nicht. Der obere Bereich Moosboden sei eben ein solcher Rückzugsbereich für das Wild, und daher würden Radfahrer dort stören. Grundsätzlich betont man vonseiten des Stiftes aber, dass man Mountainbikern gegenüber sehr positiv eingestellt sei. (Steffen Arora, 22.11.2019)