Der Künstler Peter Fischli 2013 neben "Rock on Top of Another Rock" von Peter Fischli/David Weiss in der Serpentine Gallery, London.

Foto: Morley von Sternberg

Die Fragen stellten Fischli/ Weiss eigentlich am liebsten selbst. Sie projizierten diese auf der Venedig-Biennale an die Wand oder druckten sie in ein schwarzes Kunstbüchlein, das zum Bestseller wurde (Findet mich das Glück?). Mit dem Tod von David Weiss im Jahr 2012 endete eine Zusammenarbeit, die vor inzwischen vierzig Jahren mit Kunst, die aus dem Kühlschrank kam, begonnen hatte. In den Fotoinszenierungen der Wurstserie oder in Filmen wie Der Lauf der Dinge erhoben die beiden Schweizer Gegenstände und Situationen des Alltags mit viel Ironie zum Welterklärungsmodell.

Sie wandten sich damit auch gegen die strenge Konzeptkunst – um sie letztlich mit den Mitteln des Humors fortzuführen. Zu den bekanntesten Arbeiten zählt Plötzlich diese Übersicht, eine Sammlung aus mehreren Hundert ungebrannten Tonskulpturen, mit denen Fischli/Weiss nichts Geringeres als die wichtigsten Momente der Weltgeschichte darzustellen vorgaben. Herr und Frau Einstein nach der Zeugung ihres Sohnes Albert im Ehebett gehörten dazu. Die Frage nach dem Glück beschäftigt Peter Fischli, geboren 1952 in Zürich, nach wie vor.

STANDARD: „Action, Geld, Champagner im Schuh“: Im Super-8-Roadmovie „Der geringste Widerstand“ von 1981 haben Sie und David Weiss, kostümiert als Ratte und Bär, auch die Verheißungen der Kunstwelt parodiert. Die Klischeebilder haben sich seither nicht groß verändert.

Fischli: Aber es ist auch nicht Kunstwelt-spezifisch, dass alle von einem besseren Leben träumen. Diese Trugbilder, die wir von einem schönen Leben oder von Glück haben, gibt es überall, nicht nur in der Kunstwelt.

STANDARD: Bilder vom schönen Leben werden heute massenweise für Social-Media-Kanäle inszeniert. Ist es das, was Sie interessiert hat, als Sie sich zuletzt mit Werbebildern für GoPro-Kameras beschäftigt haben?

Fischli: Mich interessiert die Frage nach der Illusion des Echten, Authentischen und der Aufrichtigkeit des Nachgemachten, Un-authentischen. Das, was diese Werbungen zeigen, sind ja Phantombilder eines erstrebenswerten Lebens. Und es geht darum, sie nachzuspielen. Daraus ergeben sich Situationen, die unglaublich wahr und unglaublich klischiert zugleich sind. Ich sehe das aber gar nicht als Kommentar auf das Heute, Selfies und Ähnliches sind nur die Form, wie sich das heute manifestiert, mimetisches Verhalten ist kein Novum. Es beschleunigt sich nur die Wirkung, je stärker eine Gesellschaft von Medien durchdrungen ist.

STANDARD: Die Zusammenarbeit mit David Weiss dauerte mehr als dreißig Jahre, 2012 starb er an einer Krebserkrankung. Wie geht das Arbeiten nach einem solchen Verlust weiter?

Fischli: Lebensumstände ändern sich, auch für andere Künstler, für andere Menschen. Es gehört zum Leben, durch solche Momente hindurchzugehen. Das braucht natürlich Zeit, ist schwierig, man muss es entwickeln, daran arbeiten.

STANDARD: Ihr Vater war der Bauhaus-Architekt Hans Fischli, Sie sind also in einem Bauhaus-Umfeld aufgewachsen. Hatten Sie das Gefühl, daraus fliehen zu müssen?

Fischli: Nein, als Kind habe ich das als eine „Normalität“ hingenommen. So um 1968 herum, als damals 16-jähriger Teenager, hat sich bei mir eine große Neugier auf die Gegenwartskunst entwickelt, und ich habe auch zum ersten Mal so richtig mit dem Gedanken und dem verklärten Wunsch gespielt, Künstler zu werden. When Attitudes Become Form war eine der Kunstausstellungen, die ich damals besucht habe und in denen für mich neue Möglichkeiten aufgezeigt wurden, welche ich so noch nicht kannte. Wenn man die Kunstgeschichte anschaut, dann war es ja immer so: Es gibt einen Kanon, einen bestimmten Konsens, man kann auch Zeitgeist dazu sagen, dann folgt eine nächste Generation, und die stellt in den meisten Fällen eine Gegenrede dar. Aber sie wird natürlich immer auch gespeist von dem, was vorher war.

STANDARD: David Weiss haben Sie in den 1970er-Jahren in Zürich im Umfeld der Bar Kontiki kennengelernt, die ein Treffpunkt der subkulturellen Szene war. Muss man Sie sich eher als Bohemiens oder Punks vorstellen? Sie selbst haben jedenfalls auch Covers für eine befreundete Punk-Band gestaltet ...

Fischli: David war ein wenig älter als ich, er war stärker von dieser 68er-Generation geprägt, dafür war ich ein bisschen zu jung. Und ich kann auch nur für mich sprechen, wenn ich sage: Ich fand damals dieses Bild des Bohemiens unglaublich staubig und wollte nichts damit zu tun haben. Man hat alles getan, um nicht diesen äußerlichen Zeichen vom Klischee zu entsprechen. Aber auf einer Metaebene war man sicher trotzdem auch ein Bohemien.

STANDARD: Dinge des Alltags, ihre Nachahmung, Entfunktionalisierung, Neuordnung in Systemen, in denen die Unterschiede zwischen banal und bedeutungsvoll aufgehoben sind: Was reizt Sie heute noch daran?

Fischli: Es ist ein ständiges Ringen, die Welt zu begreifen, sich mit Fehlinterpretationen zu konfrontieren, die man macht, um sie dann wieder zu revidieren.

STANDARD: Wenn wie bei „Rock on Top of Another Rock“ ein Granitfelsen auf dem anderen balanciert, lässt das auch an Land-Art denken.

Fischli: Da kann man vielleicht ein Echo sehen, aber ich sehe es mehr vor dem Hintergrund von Arbeiten wie den Equilibres, die ich mit David Weiss gemacht habe und bei denen wir Gegenstände des alltäglichen Gebrauchs zu kleinen Skulpturen aufgetürmt und fotografiert haben. Rock on Top of Another Rock entstand auf die Einladung hin, eine Skulptur in einer wunderschönen Landschaft in Norwegen zu realisieren. Wir dachten, da etwas hinzubringen wäre falsch. Uns hat eher interessiert, was man mit dem vorhandenen Material machen kann.

STANDARD: Zurück zu Ratte und Bär: Wie kam es damals eigentlich zu dieser Maskerade?

Fischli: David Weiss hat zu der Zeit in Los Angeles gewohnt, und ich habe auf meinen Erkundungsfahrten durch die Stadt einen Kostümverleih entdeckt, wo man mir aber sagte, er sei nicht öffentlich, sondern nur für Professionals aus der Filmbranche. Also haben wir uns überlegt, wir kommen mit der Behauptung wieder, dass wir wirklich einen Film machen wollen. Daraus entstand dann die Idee: warum eigentlich nicht wirklich machen?

Wir hatten natürlich sehr beschränkte Mittel auf jeder Ebene. Uns hat diese Möglichkeit der Alter Egos interessiert, und wir fanden mit den Kostümen von Bär und Ratte so ein prototypisches Gegensatzpaar, wie man es aus Fabeln kennt. In dieser Maskerade war es dann möglich, bestimmte Dinge zum Beispiel auch über den Kunstbetrieb zu sagen. Denn das waren ja nicht wir, das waren der Bär und die Ratte. (Ivona Jelcic, 22. 11. 2019)