2003 fiel österreichischen Imkern zum ersten Mal ein Zusammenhang zwischen Neonicotinoiden, einer Klasse von Insektiziden, die auf Feldern rund um ihre Stöcke verwendet wurden, und einem drastischen Bienensterben auf. Drei Substanzen dieser Klasse wurden seither verboten. Doch die Situation der Insekten hat sich verschlechtert: Erst im Februar zeigte eine umfassende Studie, dass 40 Prozent der bekannten Insektenarten vom Aussterben bedroht sind.

Viele Wissenschafter und Landwirte stellen das in einen Zusammenhang mit dem Verlust von Lebensräumen und einer intensiven Landwirtschaft: Monokulturen und der Einsatz verschiedener Pestizide schaden den Tieren und ihrer Lebensweise. Auch die Existenz kleiner Betriebe ist durch dieses System bedroht. Sie stehen unter dem Druck, stets höhere Erträge zu erwirtschaften. Unter der unliebsamen Devise "Wachsen oder weichen" ist die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe in Österreich seit 1970 um mehr als die Hälfte gesunken.

Die Richtung stimmt nicht – zumindest aus Sicht der Bienen.
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Biene zeigt an, wie es dem Ökosystem geht

Die Umweltschutzorganisation Global 2000 hat deshalb gemeinsam mit über 50 europäischen Projektpartnern die Europäische Bürgerinitiative (EBI) Save Bees and Farmers ins Leben gerufen. Neben Global 2000 sind in Österreich auch der Erwerbsimkerbund, Biene Österreich, der Österreichische Bergbauernbund und die ÄrztInnen für eine gesunde Umwelt vertreten.

"Die Biene ist ein guter Indikator für die Gesundheit und Leistungsfähigkeit eines Ökosystems", sagt Helmut Burtscher-Schaden, Biochemiker, Umweltschützer bei Global 2000 und Buchautor. Bis 2030 soll der Einsatz synthetischer Pestizide in der EU-Landwirtschaft um 80 Prozent reduziert, bis 2035 komplett verabschiedet werden, fordert die EBI. Gleichzeitig gilt es, die Biodiversität in der Landwirtschaft wiederherzustellen und zu fördern. Damit der Umstieg auf kleinteilige, nachhaltige und vielfältige landwirtschaftliche Strukturen gelingt, müssen Landwirte und Landwirtinnen dabei unterstützt und Forschung zu pestizid- und gentechnikfreiem Anbau gefördert werden. Die Hoffnung ist, so die im kommenden Jahr anstehenden Verhandlungen zur Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU zu beeinflussen.

Im Zeichen des Wandels

"Artenvielfalt auf den Feldern ist wichtig für das Immunsystem und die Gesundheit des Bienenvolks", sagt Stefan Mandl, Präsident des österreichischen Erwerbsimkerbundes. "Aber die momentane Landwirtschaft gleicht eher einer Wüste." Die Forderungen seien tatsächlich radikal, so Burtscher-Schaden. Aber den Auftrag zum Systemwandel sehen die Initiatoren auch durch große UN-Organisationen erteilt: Der massive Artenrückgang sei eine Bedrohung für die Welternährung, heißt es vonseiten der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO) der Vereinten Nationen.

Der Weltbiodiversitätsrat (IPBES) rief im Mai zu einem "transformativen Wandel" auf, um den Zusammenbruch der Natur zu stoppen. Und auch der Zusammenhang mit der Klimakrise wird betont: Denn neben Kohlendioxid und Methan ist Lachgas (N2O) das drittwichtigste langlebige Treibhausgas – und das werde großteils in der Produktion von Stickstoffdüngemitteln für die Landwirtschaft freigesetzt. "Wir haben lange eine Systemreparatur gemacht und hatten immer wieder kleine Erfolge. Doch oft werden daraufhin einfach die Spielregeln geändert. Deswegen ist es nun Zeit für einen Systemwandel", sagt Burtscher-Schaden.

Hoffnung auf Agrarroboter

Doch können Pestizide einfach aus dem System genommen und gleichzeitig die Ernährung einer wachsenden Weltbevölkerung gewährleisten werden? Eine 2017 im Fachjournal "Nature" veröffentlichte Studie zeigte, dass 94 Prozent der untersuchten Betriebe keine Ertragsverluste hätten, wenn sie den Einsatz der Pestizide reduzieren würden. Weniger Insektizide führten sogar zu einer höheren Produktion bei 86 Prozent und keinerlei Verlusten. Zusätzlich müsse die Lebensmittelverschwendung und der Fleischkonsum eingedämmt werden, so der Weltklimarat (IPCC).

"Das Zeitalter der chemisch-synthetischen Pestizide ist vorbei", ist sich Mandl sicher. Schädlingsbekämpfung und Pflanzenschutz funktionierten schon heute, etwa indem Agrarroboter gegen Unkraut eingesetzt werden. Ein Viertel der österreichischen Betriebe produziere bereits biologisch, also ohne Einsatz von Pestiziden. Das macht das Land zum europäischen Spitzenreiter. Doch die biologische Produktion sei arbeitsintensiver und teurer, sagt Daniela Kohler, Vorsitzende der Österreichischen Bergbauernvereinigung und Biobäuerin in Vorarlberg: "Man kann deshalb nicht einfach Pestizide verbieten, ohne das mit Förderungen zu kompensieren und Anreize für einen Umstieg zu schaffen."

Werden in einem Zeitraum von zwölf Monaten eine Million Unterstützungserklärungen für die EBI gesammelt, muss sich die EU-Kommission mit den Forderungen befassen. Unterschreiben kann man seit Montag. (Katharina Kropshofer, 25.11.2019)

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