Josef Zauner wollte immer Zuckerbäcker werden. Dem leiblichen Vater, einem Lungauer Bergbauern zuliebe hat er aber zuerst eine Bäckerlehre gemacht. Das Originalrezept für den berühmten Zaunerstollen liegt übrigens in einem Tresor. Man könnte ihn aber ohnehin nie alleine daheim backen, sagt Josef Zauner.

STANDARD: Der Zauner gehört zu Ischl wie der Kaiser, nur hat der Kaiser lieber Guglhupf als Zaunerstollen gegessen. Haben Sie ihm das je verziehen?

Zauner: Der Zaunerstollen wurde 1905 erfunden. Da war der Kaiser schon im fortgeschrittenen Alter. Und er hat den Stollen auch nachweislich gekostet. Ich hege daher keinen Groll. Den Kaiser-Guglhupf – wir sagen dazu ja „Schratt-Guglhupf“ – gibt es eben schon länger.

Das Rezept ist geheim – was den Zaunerstollen-Jüngern aber ohnehin egal sein dürfte. Mehr als 120.000 Stück werden jährlich produziert.
Marion & Reinhard Hörmandinger

STANDARD:Sie haben ein durchaus bewegtes Leben hinter sich. Aufgewachsen mit 15 Geschwistern auf einem Bergbauernhof im Lungau, dann die Konditorlehre beim Zauner. Ihr Meister adoptiert Sie letztlich, um die Zukunft des Betriebes zu sichern. Heute sitzen Sie als Österreichs Parade-Zuckerbäcker am längsten Kuchenbuffet des Landes. Was sind die Zutaten für Ihren Erfolg – Fleiß, Talent, Glück, Zufall?

Zauner: Vermutlich ist es eine Mischung aus all diesen Komponenten. Aber wahrscheinlich war es einfach Fügung. Meine Lebensplanung hat als junger Mensch anders ausgesehen. Aber es war immer mein Wunsch, Zuckerbäcker zu werden. Schon mit 14 Jahren habe ich diesen Drang in mir gespürt. Und es gibt ein Schlüsselerlebnis: Ich war als junger Bub beim Zahnarzt und habe im Wartezimmer in einer Illustrierten geblättert. Und auf einmal war da eine Doppelseite über eine Konditorei. Mit tollen Bildern – Guglhupf, Cremeschnitten. Das hat mich so was von fasziniert. Und von diesem Moment an wollte ich Zuckerbäcker werden. Übrigens ist mir „Zuckerbäcker“ sehr wichtig – die Berufsbezeichnung gibt es nur in Österreich.

STANDARD: Zunächst haben Sie aber eine klassische Bäckerlehre gemacht.

Zauner: Ich habe zu meinem leiblichen Vater gesagt: „Ich werd’ Konditor“, und er hat gemeint, dass das doch kein Männerberuf sei. Besser Bäcker, denn „Brot braucht man immer“. Meinem Vater zuliebe habe ich dann also die Bäckerlehre gemacht. Aber immer mit Blickrichtung Konditor. Am 31. Juli 1966 hatte ich als Bäckerlehrling ausgelernt, am 1. August habe ich beim Zauner angefangen.

Die Produktion läuft im Stammhaus in der Pfarrgasse in den Wochen vor Weihnachten auf Hochbetrieb. Doch von Hektik ist beim Chef des Hauses nichts zu spüren. Die 120 Mitarbeiter hat der Bär von einem Mann mit den wachsamen Augen stets in aller Ruhe fest im Griff.
Foto: Marion & Reinhard Hörmandinger

STANDARD: Damals noch als Josef Ferner. Im Zuge der Nachfolgeregelung folgte dann die Adoption. Wie schwierig war es, diesen Schritt den leiblichen Eltern zu vermitteln?

Zauner: So etwas belastet einen natürlich. Und man denkt sehr viel darüber nach. Aber bereits nach zwei Jahren beim Zauner habe ich gespürt, dass der damalige kinderlose Besitzer Richard Kurth irgendwie ein besonderes Naheverhältnis zu mir aufbaute. Und irgendwann äußerte er dann den Wunsch, dass ich weiter im Betrieb bleiben und als Geschäftsführer aufgebaut werden soll. Kurth ist dann überraschend verstorben. Nach dessen Tod führte seine Frau Hildegard den Betrieb weiter, die, damit der Hausname nicht verlorengeht, 1982 ihren Namen von Kurth in Zauner änderte. Dann kam die Überlegung mit der Adoption. Und meine leiblichen Eltern haben nur gesagt: „Ob Ferner oder Zauner, du bleibst immer unser Bua.“

STANDARD: Die Konditorei Zauner gibt es nun schon fast 190 Jahre. Wie schafft man eigentlich die Gratwanderung zwischen Tradition und Moderne?

Zauner: Wir betrachten Tradition als Sprungbrett, um der modernen Gesellschaft einen kleinen Schritt voraus sein zu können. Wenn Gäste das Haus Zauner betreten, werden viele glauben, da gibt es nur Rezepturen aus der Kaiserzeit. Doch am Mehlspeissektor hat sich gewaltig viel geändert. Wie ich ein junger Lehrling war, da waren die Buttercremetorten – Trüffeltorte, Esterházy-Schnitte, Walnusstorte – das Hauptangebot. In der Nachkriegszeit ist man ja nur so alle drei Wochen in die Konditorei gegangen, und da hat dann die Torte schon ein wenig deftiger sein können. Da hat man die Torte schon ordentlich spüren müssen. Heute geht man öfter in eine Konditorei und will eine interessante, lockere, leichte Süßspeise.

STANDARD: Ehrlich, nerven Sie solche Gäste nicht furchtbar? Die Kalorienzähler, die im Angesicht der cremigen Gefahr vor der Torten-Bar gleich drei Kreuzzeichen machen. Die Unverträglichkeitsfanatiker, die mit dem Skalpell zur Jause kommen. Oder zeigt man dann Flexibilität und serviert einen Zaunerstollen light?

Zauner: Um Himmels willen! Es wird nie eine Light-Version von unserem Zaunerstollen geben. Wir machen auch keine Esterházy-Schnitte light, weil dann ist es keine Esterházy-Schnitte mehr. Aber wir folgen dem Trend und bieten leichtere Süßspeisen an. Wir bieten neue Produkte an, würden aber nie die klassischen Rezepte verändern. Wir haben aktuell sicher mehr als 50 Prozent neue Produkte im Sortiment. Aber unser Ischler Törtchen hat immer einen Fixplatz.

STANDARD: Ist das Backen nach so vielen Jahren heute eigentlich noch eine Leidenschaft oder nur mehr reine Arbeit für Sie?

"Ich gehe nie in einen Supermarkt. Die vielen Fertigprodukte, diese ganzen Zusatzstoffe."
Marion & Reinhard Hörmandinger

Zauner: Pure Leidenschaft. Wenn die Leidenschaft fehlt, dann funktioniert es auch nicht. Wobei es schon so ist, dass ich daheim in meiner privaten Küche nicht backe. Also ist das Backen doch Arbeit – aber mit viel Liebe.

STANDARD: Warum findet sich in Ihrem Klassiker „Das große k. u. k. Mehlspeisenbuch“ eigentlich kein Rezept für den Zaunerstollen?

Zauner: Das Originalrezept liegt im Tresor und wird nie veröffentlicht. Außerdem könnten Sie einen Zaunerstollen nie alleine daheim backen. Sie brauchen die speziellen Maschinen und mindestens drei Bäcker.

STANDARD: Sehen Sie sich als Handwerker oder Künstler?

Zauner: Du musst dein Handwerk beherrschen, brauchst Talent und natürlich eine künstlerische Ader. Gewisse Sachen kannst du lernen, das Gefühl musst du aber in dir haben. Es gibt einen Schmied und einen Kunstschmied. Das ist das Alzerl mehr.

STANDARD: Jeder Supermarkt hat heute eine Backecke mit Süßspeisen. Beunruhigt Sie der Trend zur Fertigware?

Zauner: Ganz furchtbar. Eine einzige Katastrophe. Ich gehe generell nie in einen Supermarkt. Das macht mich ganz unrund. Diese vielen Fertigprodukte, diese ganzen Zusatzstoffe. So etwas wird es beim Zauner nie geben. Wir arbeiten nur mit reiner Teebutter und Biofreilandeiern. Und wir backen täglich frisch.

Die Nachfolgefrage hat Josef Zauner schon geklärt: Sein Sohn Philipp wird in seine Fußstapfen treten.
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STANDARD: Aber es ist natürlich auch eine Preisfrage, warum Kunden ihren Süßgusto im Diskonter stillen. In Ihrer Konditorei kann man durchaus von einem gehobenen Preisniveau sprechen.

Zauner: Natürlich. Aber es wird immer einen gewissen Prozentsatz von Menschen geben, die sich einen Besuch beim Zauner leisten können. Generell bin ich mir aber dessen vollkommen bewusst, wenn ich heute ein junger Familienvater mit zwei Kindern bin und ein Nettogehalt von 1.500 Euro habe, dann kann ich mir nicht für jeden Kindergeburtstag eine Zaunertorte leisten. Die kaufen dann halt um neun Euro eine tiefgefrorene Industrietorte.

STANDARD: Die Sie noch nie gekostet haben?

Zauner: Gekostet ja. Aber noch nie konsumiert.

STANDARD: Ihr Sohn Philipp wird in Ihre Fußstapfen treten. Gibt es im Familienbetrieb Zauner so etwas wie einen Generationenkonflikt?

Zauner: Überhaupt nicht. Philipp ist viel mehr Unternehmertyp als ich. Er wird unser Haus sicher anders führen. Aber ich habe damit kein Problem. Wichtig ist für mich, dass ich einen Betrieb mit einem soliden Fundament übergebe. Darauf kann man aufbauen.

STANDARD: 2024 ist Bad Ischl Kulturhauptstadt. Sehen sie das als Chance für die Region – oder besteht das Risiko, im „Sissi und Franzl“-Image gefangen zu bleiben?

Zauner: Es ist ein große Chance. Und es muss die Mischung stimmen. Der Kaiser gehört ebenso zu Ischl wie die kreative Kunstszene und die vielen traditionellen Handwerker. (Markus Rohrhofer, 24.11.2019)