Vernetzen sich bewaffnete Gruppen aus Soldaten auch in Österreich? Davor warnen nun Mitarbeiter des militärischen Abwehramtes

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Eine Gruppe von Mitarbeitern des militärischen Abwehramtes will nicht mehr länger über die Zustände in ihrem Nachrichtendienst schweigen. Sie haben ein Konvolut mit Vorwürfen verfasst, das derzeit kursiert und dem STANDARD vorliegt. Es ähnelt in seinem Aufbau dem berüchtigten "BVT-Konvolut", das die Verfassungsschutz-Affäre mit ausgelöst hat. In dem Abwehramt-Dokument ist eine ganze Reihe von Verfehlungen aufgelistet, beispielsweise geht es um Mobbing, illegale Überwachung von Mitarbeitern, unautorisierte Ermittlungen und schiefgelaufene nachrichtendienstliche Operationen.

Ein Teil der Vorwürfe befasst sich mit Ermittlungen gegen Rechtsextreme. Das Abwehramt dient dem Eigenschutz des Bundesheeres und achtet etwa darauf, dass keine Neonazis oder Islamisten an der Waffe ausgebildet werden oder die eigenen Reihen infiltrieren.

Deshalb wurden im Abwehramt Berichte aus Deutschland genau geprüft, in denen von rechtsextremen Soldaten und Polizisten die Rede war, die sich über Chatgruppen vernetzen und teilweise auch Feindeslisten führten – deutsche Behörden sprechen von "rechtsextrem motivierten Adresssammlungen".

Soldaten vernetzen sich

Das Abwehramt soll daraufhin auch selbst seine Untersuchungen intensiviert und sich dabei vor allem auf die Steiermark konzentriert haben. Nachrichtendienstler befürchten, dass es in den Reihen der sogenannten "wehrpolitischen Vereine" Anknüpfungspunkte gibt.

Beispielsweise tauchte der "Militär Fallschirmspringer Verbund Ostarrichi" – kurz "Milf-O" – in den deutschen Ermittlungen auf. Mindestens zwei Personen, die Mitglieder der Tag-X-Chatgruppen waren, nahmen vor einiger Zeit am "Nibelungenmarsch" teil, der von Milf-O organisiert wird.

Der Verein war in der Vergangenheit immer wieder in die Schlagzeilen geraten, weil ihm eine Nähe zu Rechtsextremismus attestiert wurde. Diese Vorwürfe hat der Verein stets bestritten, etwa in Person seines ehemaligen Präsidenten Josef Paul Puntigam, der am 1. 9. seine Funktion "aus gesundheitlichen Gründen" zurückgelegt hat.

Der einstige Bundesheer-Brigadier stellte 2015 gemeinsam mit der FPÖ Steiermark und deren Landesparteiobmann Mario Kunasek ein "Grenzschutzkonzept" vor. Als Kunasek dann Verteidigungsminister wurde, wurde Milf-O ein "wehrpolitisch relevanter Verein". Puntigam sagt dem STANDARD, dass Milf-O durch ein öffentliches Schreiben eines Referenten im Verteidigungsministerium dazu angeregt worden war.

Die Aufnahme des Vereins ärgerte Mitarbeiter im Abwehramt, die zum Thema Rechtsextremismus im Heer ermittelten. Denn derartige Vereine dürfen Bundesheer-Infrastruktur nutzen. Puntigam sagt, er kenne "kein einziges Mitglied, das im Frühjahr oder Sommer 2019 vom Heeresabwehramt kontaktiert wurde". Er halte dies "für eines der vielen inhaltslosen Gerüchte" rund um Milf-O.

Angst vor Info-Abfluss

Abwehramt-Mitarbeiter befürchten, dass es regelmäßig zu einem Informationsabfluss aus dem Bundesheer zu Objekten ihrer Beobachtungen gekommen sei. Sie verweisen etwa auf zwei ranghohe Mitarbeiter des Heeres, die bei der Nationalratswahl für die FPÖ kandidiert haben. Die Ermittlungen sollen auch innerhalb des Abwehramts keine besonders hohe Priorität genossen haben, sagen Quellen dem STANDARD.

So hätten Mitarbeiter auch Hinweise auf eine Ausbreitung des deutschen Vereins "Uniter" in der Steiermark gefunden, der personell und strukturell mit den verdächtigen Chatgruppen zusammenhängen soll.

In Vorarlberg hat Uniter bereits einen Ableger gegründet, unter den Mitgliedern von dessen geschlossener Facebook-Gruppe befinden sich einschlägig verurteilte Rechtsextreme.

Im Verteidigungsministerium dementiert man, dass das Abwehramt bereits zu Uniter ermittelt oder Hinweise auf die Vernetzung rechtsextremer Soldaten hat. Prinzipiell gibt sich das Heer zu Operationen und Analysen des Abwehramts sehr zugeknöpft.

In dem Konvolut, das neben dem STANDARD auch zumindest noch der Tageszeitung "Österreich" vorliegt, zeichnen die Mitarbeiter das Bild eines zerstrittenen, dysfunktionalen Abwehramts. Ähnlich wie beim Verfassungsschutz soll von Ministerebene regelmäßig interveniert worden sein.

Mitarbeiter hatten auch in der Vergangenheit immer wieder vor Fehlentwicklungen gewarnt und beispielsweise die Information nach außen gespielt, dass Soldaten keine Probleme mehr bekommen, wenn sie Mitglied der rechtsextremen Identitären Bewegung sind. Diese Nachricht hatte zu einem hitzigen Telefonat zwischen dem damaligen Bundeskanzler Sebastian Kurz und Kunasek geführt, der dann eine Umkehr der Maßnahme anordnete. (Fabian Schmid, 22.11.2019)