In Paris gingen Tausende gegen Gewalt an Frauen auf die Straße.

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Das Entsetzen ist groß, wenn das Äußerste passiert – wenn Frauen ermordet werden und oft auch ihre Kinder oder andere Angehörige. Viele fragen dann nach dem Warum. Man versucht sich in psychologischen, milieu- und, wenn es zu passen scheint, auch in kulturspezifischen Erklärungen.

Es ist verständlich, dass man sich das Geschehene begreiflich machen will. Nicht verständlich ist, wenn das, was wir über Gewalt gegen Frauen wissen, unter den Tisch fällt. Wir wissen, dass diese Gewalt Frauen trifft, weil sie Frauen sind. Dass sie zu einem überwiegenden Teil von Männern ausgeht, mit denen die Frauen zusammen sind – oder es früher waren. Dass in Österreich jede fünfte Frau ab dem 15. Lebensjahr Gewalt erfährt und dass das so ist, weil die Geschlechterverhältnisse so sind, wie sie sind.

Doch dieses große Ganze wird nach wie vor kaum gesehen. Erst recht nicht, wenn die schrecklichen Fälle schon wieder verblasst sind. Dann erscheint eine Aufstockung des Budgets des Frauenministeriums, das seit knapp 10 Jahren mit mickrigen 10 Millionen auskommen muss, als völlig unnötig.

Wirksames Instrument der Gleichstellung

Dabei liegt es auf der Hand, dass Gleichstellung das wirksamste Instrument gegen Gewalt gegen Frauen ist. Ökonomische Abhängigkeit ist für Frauen ein Sicherheitsrisiko, und trotzdem ist die Abwertung der Arbeit von Frauen Alltag in unserer Gesellschaft: Für ihre Fürsorgearbeit erhalten sie nichts, für ihre Lohnarbeit weniger als Männer. Die Politik tut dagegen seit Jahren wenig bis nichts.

Als Anfang des Jahres innerhalb von 15 Tagen vier Frauen ermordet wurden, kündigte die türkis-blaue Regierung ein „Maßnahmenpaket“ an. Davon geblieben ist ein Gewaltschutzgesetz, das von Expertinnen scharf kritisiert wird. Sie sind sich einig, dass ein höheres Strafrahmen für Sexualdelikte angesichts dessen, dass die Verurteilungsraten im Sinken sind und bereits der jetzige Strafrahmen nicht ausgenutzt wird, rein gar nichts bringen. Und dass man mit der Verpflichtung für alle Beschäftigen im Gesundheitsbereich, bei Verdacht auf eine Vergewaltigung einer Patientin oder eines Patienten Anzeige zu erstatten, Gewaltopfer völlig entmündigt. Doch diese gravierenden Einwände von Fachfrauen, die sich jeden Tag und oft seit Jahrzehnten mit Gewalt gegen Frauen befassen, wurden nicht gehört – eine chauvinistischen Geste par excellence.

Die neue Regierung sollte einen konsequenten Umgang mit Gewaltschutz finden und die Forderungen nach mehr Geld für Gleichstellungspolitik ernst nehmen. Nicht nur dann, wenn wieder etwas passiert ist. (Beate Hausbichler, 25.11.2019)