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Freude über den Wahlausgang.

Foto: REUTERS/Thomas Peter

Es ist ein Sieg der Demokratie. Nicht nur, dass Kandidaten des Demokratielagers 90 Prozent der Sitze bei den Bezirkswahlen am Sonntag gewonnen haben, auch die relativ hohe Wahlbeteiligung von 70 Prozent zeigt: Den Hongkongern sind, anders als die Kader in Peking immer behaupten, ihre Grundrechte wichtig.

Die Wahlen verliefen friedlich und ohne Zusammenstöße. Aufgerufen, ihre Stimme abzugeben, waren rund drei Millionen Stimmberechtigte, etwas weniger als die Hälfte der 7,4 Millionen Einwohner Hongkongs. Die Opposition gewann insgesamt 388 von 452 Sitzen.

Eigentlich geht es bei den Bezirkswahlen um lokale Belange wie Müllabfuhr und Straßenbeleuchtung. Durch monatelangen Proteste gegen den Einfluss Pekings aber waren die Wahlen zu einer Art Lackmustest für die Demokratiebewegung geworden. Die Machthaber in Peking versuchen seit Monaten die Demonstranten als gewaltbereite Minderheit darzustellen. Der Großteil der Hongkonger, die "schweigende Mehrheit", sei von den Krawallen schwer genervt und wolle unbedingt so schnell wie möglich zur Normalität zurückkehren. Die Wahlen waren die ersten seit Ausbruch der Proteste vor rund sechs Monaten.

"Schweigende Mehrheit" hat gesprochen

Der Ausgang der Wahlen aber zeigt: Pekings Narrativ hinkt. Die "schweigende Mehrheit" steht offenbar nicht aufseiten der Pro-Peking-Fraktion. Deutlich macht das auch die verhältnismäßig hohe Wahlbeteiligung. Gaben bei den vergangenen Wahlen nur rund 40 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme ab, waren es dieses Mal fast doppelt so viele. Zudem waren viele der aufgestellten Kandidaten des Demokratielagers jung und unerfahren – trotzdem entschieden sich die meisten Hongkonger für sie.

Die Hongkonger feierten bereits am Abend, als sich ein Wahlsieg des Demokratielagers abzeichnete. Vor den Wahlbüros fanden sich Menschengruppen zusammen und skandierten den Slogen "Liberate Hongkong. Revolution Now".

Als "demokratischen Tsunami" bezeichnete den Wahlsieg Tommy Cheung, ein ehemaliger Führer der Studentenproteste, der in einem der Bezirke einen Sitz erringen konnte. Joshua Wong selbst war als einziger Kandidat nicht zugelassen worden. Er schrieb auf Twitter von einem "historischen Sieg".

Pro-Peking-Partei gestand Niederlage ein

Regierungschefin Carrie Lam, deren Rücktritt die Demonstranten seit Monaten fordern, sagte in einer Erklärung, die Regierung werde die Ergebnisse anerkennen und wünsche sich, dass die Situation weiter friedlich, sicher und ordentlich bleibe. Es gebe viele Analysen und Interpretationen der Wahl, und einige verträten die Sicht, "wonach die Ergebnisse die Unzufriedenheit der Leute mit der aktuellen Lage zum Ausdruck bringen". Die Regierung wolle auf diese Belange eingehen.

Starry Lee, die Vorsitzende der größten Pro-Peking-Partei, gestand ihre Niederlage ein und bat um Entschuldigung. In der Presse des Festlands waren die Wahlen dagegen nur ein Randthema. In der parteinahen Zeitung "Global Times" erklärte man sich den Sieg des Demokratielagers mit einer Beeinflussung der Stimmung durch das westliche Ausland. Zudem sei die Lage emotional so aufgeheizt, dass "rationales Denken schwierig" sei. (Philipp Mattheis aus Shanghai, 25.11.2019)