Am Fleisch scheiden sich in den sozialen Medien die Geister, wie eine aktuelle Studie zeigte.

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Wien – Mitte Jänner 2019 wurde von der "EAT-Lancet-Kommission", der 37 Wissenschafter unterschiedlicher Disziplinen aus 16 Ländern angehören, unter dem Titel "The planetary health diet" ein Konzept vorgestellt, in dem erstmals genaue Ernährungsrichtlinien mit dem Ziel formuliert wurden, nicht nur die Gesundheit, sondern auch die Umwelt zu schützen. Ein zentraler Punkt darin: Pro Tag sollten maximal 35 Gramm an rotem Fleisch konsumiert werden. Im Gegenzug sollten mehr Hülsenfrüchte, Obst und Gemüse gegessen werden. Dadurch käme es zu einer Reduktion von vorzeitigen Todesfälle um 20 Prozent und zugleich werde dem Klimawandel entgegengewirkt, berechneten die Forscher.

Positiv aufgenommen wurden diese Empfehlungen zur Zukunft der Ernährung in vielen etablierten Medien. Auf Twitter lief die Rezeption jedoch anders, wie nun eine im Fachjournal "The Lancet" veröffentlichte Studie zeigte. Mit einer Kampagne unter dem Hashtag "#yes2meat" wurde gezielt und erfolgreich Stimmung gegen die Empfehlung zu weniger Fleischkonsum gemacht. Große internationale Leitmedien wie "The Guardian" oder der "New York Times" nahmen das Konzept durchaus positiv auf, "es führte aber auch zu hochpolarisierten Online-Debatten, inklusive Desinformation, Verschwörungstheorien und persönlichen Attacken in Zusammenhang mit dem Hashtag '#yes2meat'", schreiben die Autoren der aktuellen Analyse vom Stockholm Resilience Centre und dem Complexity Science Hub (CSH) Vienna.

Die Komplexitätsforscher Victor Galaz, David Garcia und Stefan Daume durchleuchteten rund 8,5 Millionen Tweets, die von 4.278 Nutzern in Zusammenhang mit dem Thema "#EAT-Lancet" und "#yes2meat" abgesetzt wurden. Dabei zeigte sich, dass bereits Tage vor der Veröffentlichung des Berichts unter "#yes2meat" eine zunächst eher in neutralem Ton gehaltene, aber durchaus lebhafte Debatte begonnen wurde, heißt es in der Analyse. In der Zeit danach wurde der Ton rauer und Erkenntnisse der Kommission direkt angegriffen. Im Fortgang der Diskussion überstieg dann die Reichweite der negativen Kampagne auf Twitter jene der ausgewogenen Berichterstattung. Während im Untersuchungszeitraum Kritiker dort 26 Millionen Menschen erreichten, ging die Botschaft von Wissenschaftern und Befürwortern an rund 25 Millionen Menschen.

Komplexe Kommunikation

Die Komplexitätsforscher werten in ihrer Analyse die "'yes2meat"-Bewegung als Rückschlag für den EAT-Lancet-Bericht. Es sei der Kampagne offenbar auch gelungen, viele ursprünglich unentschlossene Twitter-User zu beeinflussen. Auffällig war zudem, dass die Pro-Fleisch-Aktivitäten nachweislich nicht von sogenannten "Social Bots" – also Programmen, die automatisch Nachrichten versenden, aber so tun als wären sie "echte" Nutzer – getragen wurden.

Für Koautor Victor Galaz ist es "zutiefst beunruhigend zu sehen, dass Erkenntnisse aus einer ambitionierten und sorgfältigen wissenschaftlichen Analyse, wie sie die EAT-Lancet-Kommission vorgelegt hat, in sozialen Medien derart erfolgreich konterkariert werden können". Für den am CSH und an der Med-Uni Wien tätigen David Garcia zeigt die Studie, "dass die wissenschaftliche Kommunikation in sozialen Medien viel komplexer ist als jene über traditionelle Massenmedien. Mit unseren Ansätzen können wir öffentliche Gespräche jedoch gut erfassen und analysieren. Die Erkenntnisse helfen dann im Diskurs mit der Öffentlichkeit." (APA, 27.11.2019)