Ich bekam die Diagnose im Februar 2013. Ich hatte es fast befürchtet, denn im Dezember ging es mir nicht gut, ich hatte Fieber und bin einmal ohnmächtig geworden. Die Infektion muss vor Weihnachten, im November oder Dezember, passiert sein.

Memo ist 33 Jahre alt und spricht ganz offen über sein Leben mit HIV.
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Damals hatte die Aidshilfe in einem Lokal im sechsten Bezirk Tests angeboten. Das ist praktisch und weniger angsteinflößend, dass man das an einem lockeren Ort machen kann und nicht direkt zur Aidshilfe gehen muss. Einer der Berater hat mir dann gesagt, dass ich positiv bin. Weil es aber eine einprozentige Wahrscheinlichkeit gibt, dass der Test falsch-positiv ist, wurde ein zweiter gemacht. Diese Woche, die da dazwischen lag, bis das zweite Ergebnis kam, war schrecklich. Denn man hat natürlich immer noch einen kleinen Funken Hoffnung. Obwohl die Chance gering ist.

Dann hat sich das Ergebnis bestätigt. Ich bekam vom Berater eine Liste mit Ärzten, einen davon habe ich kontaktiert. In seiner Ordination wurden Tests gemacht und mir alle Therapiemöglichkeiten vorgestellt. Seither nehme ich jeden Tag eine Tablette, bin unter der Nachweisgrenze und kann somit niemanden infizieren.

Soziale Ängste

Die Zeit nach der Diagnose war nicht einfach. Obwohl ich zu dem Zeitpunkt schon wusste, dass HIV heutzutage nicht so schlimm ist, habe ich mir viele Fragen gestellt: Werde ich die Liebe finden? Werde ich ausgegrenzt? Es ist nicht einfach, mit diesen Sorgen umzugehen. Dabei war meine größte Angst nicht meine Gesundheit, sondern es waren soziale Ängste. Das sagt auch viel über diese Krankheit aus.

Ich bin ein Mensch, der sich sagt: Das ist blöd und schlimm, aber es bringt auch nichts, traurig zu sein. Ich wollte nicht zulassen, ein Opfer zu werden. Ich musste mein Leben einfach fortsetzen und die Erkrankung in mein Leben integrieren.

Meiner besten Freundin habe ich es zuerst erzählt. Mit Gummibärchen und Wein bin ich zu ihr gefahren. Ich habe einfach geredet, sie war sehr unterstützend, stand aber auch unter Schock. Das konnte ich verstehen.

Meinen engsten Freunden habe ich es auch erzählt, auch meiner Chefin, weil man mir deutlich angemerkt hat, dass etwas nicht stimmt. Wenn ich neue Menschen treffe, sage ich nicht sofort: "Hallo, ich bin HIV-positiv." Wenn es aber im Gespräch ein Thema ist, verstecke ich mich nicht. Es ist wie beim Coming-out. Beim ersten Mal denkt man sich "Oh mein Gott, wie werden die Leute reagieren?" Beim hundertsten Mal ist es nur noch: "Hallo, ich bin schwul. Und?" So ähnlich ist es auch, wenn man HIV-positiv ist. Die ersten paar Mal, wenn man davon erzählt, ist es schwierig, und man hat Angst. Aber je offener man damit umgeht, desto häufiger ist es kein Thema mehr.

Positive Reaktionen

Die Menschen reagieren darauf ganz unterschiedlich. Viele sind komplett locker. In der Schwulenszene gibt es viele, die aufgeklärt sind. Sie sagen nur: "Ja, okay, kein Problem." Andere denken an sich und daran, dass sie auch vor Jahren mal ungeschützten Sex hatten. Sie fragen sich dann, ob sie auch positiv sind. Es gibt Leute, die sehr erschrecken. Im Großen und Ganzen sind die Reaktionen aber positiv und verständnisvoll. Das hängt aber natürlich auch davon ab, in welchen sozialen Kreisen man lebt.

In Beziehungen dachte ich am Anfang, ich muss es meinen Sexualpartnern immer gleich sagen. Mittlerweile hat sich das geändert. Es gibt ja kein Risiko für eine Ansteckung, und ich gefährde die Person, mit der ich Sex habe, nicht – weil ich unter der Nachweisgrenze bin und wir uns immer schützen. Wenn es ein Thema wird, bin ich aber immer ehrlich. In der Schwulenszene gibt es den Ausdruck: "Bist du gesund?" Ich antworte dann: "Ja, ich bin gesund, aber HIV-positiv." Und das hat nichts mit gesund sein zu tun. Meine Lebenserwartung ist wie die aller anderen, ich huste nicht, ich habe keine Verkühlung. Ich bin tipptopp gesund. Auf Englisch lautet die Frage: "Are you clean?" Das ist noch schlimmer, denn ich bin nicht schmutzig, nur weil ich HIV-positiv bin.

Beim Dating hatte ich auch schon negative Situationen. Einmal hat der andere den Kontakt abgebrochen, nachdem er erfahren hat, dass ich positiv bin. Aber allgemein hat sich die Situation für Menschen mit HIV stark verbessert. Es ist viel einfacher, eine Beziehung zu führen, ohne Angst zu haben. Außerdem gibt es mit der PrEP (Prä-Expositions-Prophylaxe, Vorsorge vor einem Risikokontakt, Anm.), neben Kondomen, eine weitere Option, sich präventiv zu schützen. Das alles hilft Paaren mit unterschiedlichen Hintergründen, zusammenzukommen.

Nicht akzeptabel

Vor allem bei Menschen, wo man erwarten würde, dass sie besonders gebildet und informiert sind, ist man häufig mit Diskriminierung konfrontiert. Zahnärzte sind die allerschlimmste Gruppe, das finde ich heutzutage nicht akzeptabel. Sie als Ärzte müssten eigentlich mehr Informationen haben und nach Fakten handeln. Doch das passiert leider nicht, davon berichten viele HIV-Betroffene.

Als ich vor einigen Jahren wegen akuter Schmerzen beim Zahnarzt war und angegeben habe, dass ich Medikamente gegen HIV nehme, hat der Arzt mir erklärt, dass er mich am Ende des Tages behandeln muss – obwohl es dafür überhaupt keine Begründung gibt. Ich war schockiert. Ich bin ein Mensch, der immer nach den Fakten geht. Ich konnte das überhaupt nicht nachvollziehen, wo ich doch unter der Nachweisgrenze bin, sprich: Ich kann niemanden infizieren. Warum soll es da eine besondere Regelung geben? Es könnte doch auch jemand zum Zahnarzt kommen, der noch nicht weiß, dass er HIV-positiv ist und eine sehr hohe Viruslast hat, womit es viel wahrscheinlicher zu einer Infektion kommen könnte. Zahnärzte müssen daher sowieso bei jedem Patienten Maßnahmen setzen, dass so etwas nicht passieren kann. Ich habe den Arzt dann angezeigt, vor Gericht haben wir aber verloren – mit der Begründung, es sei keine Diskriminierung, am Ende des Tages behandelt zu werden.

Langweiliges Leben

Beim Thema HIV sind leider längst nicht alle Menschen auf dem gleichen Stand. Das hat auch mit der öffentlichen Wahrnehmung zu tun. Ein gutes Beispiel: Wenn eine Person mit HIV in einem Film erscheint, ist sie bis zum Ende höchstwahrscheinlich tot. Auch solche Dinge verfälschen die Bilder von Menschen mit HIV. Es gibt kaum Darstellungen von Leuten, die HIV-positiv sind und ein ganz normales und langweiliges Leben führen. So ist mein Leben auch gerade. Ich gehe ganz normal arbeiten, ins Fitnessstudio, einkaufen, hab einen Freund. Das typische, veraltete Bild von HIV gibt es heute nicht mehr. Aber das ist leider nicht bei allen Menschen angekommen.

Ich habe mich auch in meiner Masterarbeit mit der Wirkung von Stigmatisierung auf die Arbeitsleistung beschäftigt und Interviews mit HIV-positiven Menschen, die damit in ihrem Beruf offen umgehen, geführt. Es zeigte sich, dass etwa internalisierte Stigmatisierung bei HIV stärker verbreitet ist. Das bedeutet, dass jemand das, was man über HIV so hört, auch selbst glaubt. Auf die Frage, welches Tier er wäre, hat ein Interviewpartner geantwortet: ein Nilpferd, weil ich gefährdet und gefährlich bin. Es gibt also immer noch HIV-positive Menschen, die das Gefühl haben, dass sie gefährlich sind.

Was ich einem jungen Menschen, der sich neu infiziert hat, sagen würde? Auch wenn es sich am Anfang so anfühlt, als würde die Welt untergehen: So ist es nicht. Man wird lange leben und darf nicht zulassen, dass das Virus gewinnt. Man muss das Leben genießen, die Medikamente regelmäßig nehmen, auf die Gesundheit aufpassen und vor allem am Anfang Unterstützung suchen. Wenn es nicht Freunde und Familie sind, dann gibt es die Aidshilfe. Es macht einen riesengroßen Unterschied, wenn man mit anderen darüber sprechen kann. (Bernadette Redl, 30.11.2019)