Beppe Grillo liebt die theatralische Geste – und tatsächlich ist der Niedergang seiner Fünf-Sterne-Bewegung für ihn eine Tragödie.

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Dass eine Partei an Wahlen teilnimmt, liegt in der Natur der Sache – doch bei den „Grillini“ ist das nicht so sicher: Die eingeschriebenen Mitglieder mussten in einer Internetabstimmung darüber befinden, ob sich die Fünf-Sterne-Bewegung im Jänner an den Regionalwahlen in der Emilia-Romagna und in Kalabrien überhaupt beteiligen soll.

Der Hintergrund: Die aktuellen Umfragewerte sind in beiden Regionen dermaßen katastrophal – bei vier bis fünf Prozent –, dass sich die Führung der (noch) stärksten Partei in der Regierung in Rom gefragt hat, was weniger peinlich wäre: eine krachende Niederlage oder gleich die weiße Fahne zu hissen. In der Abstimmung hat sich die Mehrheit schließlich für eine Teilnahme an den Wahlen entschieden – und damit für die sichere Niederlage.

„Leck mich am Arsch“

Besonders augenfällig ist das Verglühen der Fünf Sterne in der Emilia-Romagna: In der Hauptstadt Bologna hatte Politkomiker Beppe Grillo im Jahr 2007 seinen ersten „Vaffanculo Day“ organisiert, den „Leck-mich-am-Arsch-Tag“. Der Event wurde zum bis heute beschworenen Gründungsmythos der Grillini, in der roten Hochburg begann der kometenhafte Siegeszug der Anti-System-Bewegung. Erst eroberte der Movimento 5 Stelle (M5S) mittelgroße Städte wie Parma, Imola und Caltanisetta, dann Turin und Rom – und im März 2018 wurde er bei den Parlamentswahlen mit 32 Prozent gar stärkste Partei des Landes.

Beppe Grillo, das Enfant terrible aus Genua, galt als Messias der Politikverdrossenen. Zu seinen Auftritten, bei denen er gegen korrupte Politiker vom Leder zog und die traditionellen Parteien als „Krebsgeschwür der Demokratie“ geißelte, strömten Hunderttausende. Vor allem im armen, mafiageplagten Süden liefen die Wählerinnen und Wähler in Scharen zu der Protestbewegung über. In vielen Gemeinden Siziliens, Apuliens und Kalabriens erreichten die Fünf Sterne 50 und mehr Prozent der Stimmen.

Doch kaum waren die Grillini an der Macht, stellte sich heraus, dass Protest als politisches Programm nicht ausreicht. Besonders eklatant ist das Versagen der Cinque Stelle in Rom, das unter der völlig überforderten Bürgermeisterin Virginia Raggi in beängstigender Weise herunterkommt.

Fehlende Kompetenzen

Vielen Spitzenleuten – etwa Politikchef und Außenminister Luigi Di Maio, einem 32-jährigen früheren Sandwich-Verkäufer im Fußballstadion von Neapel – fehlt es an politischer und fachlicher Kompetenz. Hinzu kommt ein eklatanter Mangel an interner Demokratie: Das Sagen haben bloß Grillo und eine Handvoll weiterer Figuren wie Davide Casaleggio, Betreiber der Internetplattform der Bewegung. Die Protestbewegung ähnelt mehr einer Sekte als einer demokratischen Partei.

Als Regierungspartei hat die Fünf-Sterne-Bewegung fast alle Hoffnungen enttäuscht und praktisch alle Wahlversprechen gebrochen. „Wir sind gegen die Politikerkaste angetreten, und nun werden wir selber als Vertreter dieser Kaste angesehen“, resümiert Max Bugani, Stadtrat in Bologna. An der Macht, habe die Bewegung „ihre Werte aus den Augen verloren“. Dies trifft besonders auf die ersten eineinhalb Jahre zu, in welchen die Fünf Sterne zusammen mit der rechtsnationalen Lega regiert hatte: Von Matteo Salvinis Schließung der Häfen bis zu Steueramnestien – die Bewegung hatte sich dem damaligen Innenminister völlig untergeordnet.

Wofür stehen wir?

In der neuen Regierung mit dem linken Partito Democratico wurde es nicht viel besser: Inzwischen wissen nicht einmal mehr die Grillini so richtig, wofür die Bewegung eigentlich noch steht – geschweige denn die Wähler.

Die Quittung für Improvisation, krasses Versagen und Verrat der Ideale konnte nicht ausbleiben. Bei den Europawahlen im Mai halbierte sich der Stimmenanteil im Vergleich zu den Parlamentswahlen von 2018; und bei den Regionalwahlen in Umbrien vor drei Wochen kamen Grillos Leute nur noch auf 7,4 Prozent.

In der Emilia-Romagna und in Kalabrien droht ihnen ein noch härterer Absturz. „In der Emilia-Romagna wurden die Fünf Sterne geboren, und hier werden sie sterben“, orakelt Giovanni Fava, ein alter Weggefährte von Grillo, der sich von der Bewegung mittlerweile distanziert: „Wenn es sich bei den Grillini um ein Geschäft handeln würde, dann müsste ein Schild an der Tür hängen: ,Wegen Liquidation geschlossen‘.“ (Dominik Straub aus Rom, 27.11.2019)