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Ursula von der Leyen kann sich auf die Bestätigung ihres Teams durch das EU-Parlament verlassen.

Foto: AP Photo/Virginia Mayo

Die neue EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat es praktisch geschafft. Am Mittwoch wird das Plenum des Europäischen Parlaments (EP) über die Bestätigung ihres Teams abstimmen. Aber bereits am Vortag stand in Straßburg fest, dass eine breite Mehrheit für das neue Kollegium von insgesamt 27 Kommissarinnen und Kommissaren (ohne Briten, aber inklusive von der Leyen) sicher ist.

„Bei uns hat sich die Stimmung gedreht. Wenn überhaupt, werden nur zwei, drei Dutzend Abgeordnete mit Nein stimmen“, hieß es am Dienstag aus der Fraktion der Sozialdemokraten (S&D), mit 154 Mitgliedern zweitstärkste Gruppe hinter den Christdemokraten der Europäischen Volkspartei (EVP). Für eine Bestätigung brauchen die Neuen eine absolute Mehrheit aller EU-Abgeordneten, also 376 von 751 Mandataren.

Bei der Direktwahl von der Leyens im Juli war diese mit 383 Ja-Stimmen noch äußerst knapp ausgefallen. Weil Wahlspitzenkandidat Frans Timmermans von den Staats- und Regierungschefs im letzten Moment als Präsident verhindert worden war, stimmte gut die Hälfte der Sozialdemokraten noch empört gegen die Deutsche.

Die EU-Abgeordneten stimmen am Mittwoch über das Kommissionsteam rund um Ursula von der Leyen ab. ORF-Korrespondent Peter Fritz berichtet.
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Sozialdemokraten zufrieden

Das sei inzwischen kein Thema mehr, auch nicht unter den österreichischen SP-Abgeordneten. Deren Delegationschef Andreas Schieder kündigte an, für das Team von von der Leyen zu stimmen, ebenso wie SP-Abgeordnete aus Deutschland und Frankreich.

Grund dafür: Nicht nur ist Timmermans einer von drei Vizepräsidenten und erster Stellvertreter der Präsidentin, für das wichtige Thema Klimaschutz / Green Deal verantwortlich. Europas Sozialdemokraten stellen trotz starker Verluste bei den EU-Wahlen im Mai neun von 27 Kommissaren, deutlich mehr als die Liberalen, deren Fraktion mit 108 Abgeordneten in Straßburg die drittstärkste ist.

Da man davon ausgehen kann, dass die EVP-Fraktion (182 Abgeordnete) für „ihre“ CDU-Parteifreundin stimmt, bei den Liberalen gemäß Vorgesprächen kaum Nein-Stimmen anfallen werden, könnte die Von-der-Leyen-Kommission bei der namentlichen Abstimmung sogar über 400 Stimmen kommen – in der historischen Einordnung kein schlechter Wert. Die Neos-Abgeordnete Claudia Gamon will mit Ja stimmen. Die Grünen enthalten sich laut Sarah Wiener. Nur die drei FPÖ-Abgeordneten lehnen die neue Kommission ab, im Geleitzug mit ihrer Rechtsfraktion (ID), der Linksfraktion und den EU-Skeptikern.

EVP bekommt „Zugabe“

Von der Leyen war es bei einem holprigen Nominierungsprozess (drei Kommissarskandidaten wurden abgelehnt, der Start auf 1. Dezember verschoben) am Ende doch gelungen, alle drei Großfraktionen, aber auch die Regierungen der großen EU-Staaten zufriedenzustellen. Die Liberalen stellen mit Margrethe Vestager eine Vizepräsidentin, die für Wettbewerbskontrolle und die digitale Zukunftsagenda zuständig sein wird. Die EVP bekam als „Zugabe“ auch einen Vize, Valdis Dombrovskis, gesamtzuständig für Wirtschaft, Finanzen, Arbeit und den Euro. Die französische Regierung darf sich über einen einflussreichen Kommissarsposten freuen: Thierry Breton wird Industriepolitik, Rüstung und Digitales verantworten. Italien stellt den Eurokommissar mit Ex-Premier Paolo Gentiloni, Spanien den EU-Außenbeauftragten mit Ex-Außenminister Josip Borrell, Polen den Agrarkommissar. Über allem steht, dass von der Leyen so viele Frauen wie kein Vorgänger auf Kommissarsposten hieven konnte (zwölf von 15), wenngleich die von ihr angestrebte Parität deutlich verfehlt wurde.

„Wir sind froh, dass wir endlich loslegen können“, heißt es im Umfeld der Präsidentin. Sie wird am Sonntag in einem feierlichen Akt von Jean-Claude Juncker übernehmen, der nach einer Operation Mitte November in Rekonvaleszenz ist. Zeitgleich fängt auch der neue Ständige Ratspräsident Charles Michels an, bis vor kurzem Premierminister in Belgien.

Letzter Gipfel mit Johnson

Beider erste Aufgabe wird es sein, den nächsten EU-Gipfel am 12./13. Dezember vorzubereiten, der vermutlich ein historisches Treffen wird. Am 12.12. finden in Großbritannien die vorgezogenen Wahlen statt. Sollte Boris Johnson eine Mehrheit im Unterhaus erringen, könnte dies der letzte reguläre EU-Gipfel mit einem britischen Premierminister werden.

Johnson hat angekündigt, dass er dann so rasch wie möglich den EU-Austritt einleiten wird, gemäß dem modifizierten Brexit-Abkommen mit den EU-27-Partnern. Von der Leyen blieben dann über Weihnachten nur sechs Wochen Zeit zur Umsetzung des Austritts per 31. Jänner 2020. (Thomas Mayer aus Brüssel, 27.11.2019)