Rendi-Wagner verordnet der SPÖ einen Sparkurs: Ein Viertel der Mitarbeiter ist von Kündigung bedroht.

APA/HERBERT NEUBAUER

Es waren wieder einmal harte Worte, die sich Pamela Rendi-Wagner anhören musste. Doch diesmal richtete ihr niemand via Medien Unangenehmes aus, die Kritik prasselte von Angesicht zu Angesicht auf sie ein. "Massiver Unmut" habe sich entladen, berichtet ein Beteiligter, Genossen hätten der Parteichefin und ihrem Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch Führungsversagen, politische und wirtschaftliche Inkompetenz vorgehalten: "In der Privatwirtschaft wären wir in Konkurs."

Losgebrochen ist der Protest in einer Betriebsversammlung in der SPÖ-Zentrale in der Wiener Löwelstraße, die der Betriebsrat einberufen hatte. Rendi-Wagner und Deutsch waren erschienen, um zu argumentieren, was sie eineinhalb Stunden später auch der Öffentlichkeit mitteilten: Die Bundes-SPÖ sitzt auf einem Schuldenberg von 14,9 Millionen Euro und hat beim Arbeitsmarktservice (AMS) deshalb 27 ihrer 102 Mitarbeiter zur Kündigung angemeldet.

Wie es so weit gekommen ist? Sie wolle weder Vergangenheitsbewältigung betreiben noch mit dem Finger auf Schuldige zeigen, sagt Rendi-Wagner vor den Medien, blickt aber doch kritisch zurück. "Der Sanierungskurs hätte viel früher beginnen müssen", befindet sie und verweist darauf, dass sie bei der Übernahme der Parteispitze im Herbst 2018 von Vorgänger Christian Kern bereits einen Schuldenstand von 14 Millionen Euro übernommen habe: "Ich habe einen Rucksack voller Steine umgehängt bekommen."

In einer Betriebsversammlung der Parteizentrale sollen die Wogen hochgegangen sein, nachdem die SPÖ wegen ihrer maroden Finanzen in einem historischen Schritt dutzende Mitarbeiter kündigen muss.
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Brisante Hinweise

Der Hinweis birgt aktuelle Brisanz. Kern ist zwar nicht mehr in der Politik, sehr wohl aber Max Lercher, der zum Zeitpunkt des Führungswechsels Bundesgeschäftsführer und damit Hausherr in der Löwelstraße war. Pikanterweise wird der Steirer nun als Kandidat gehandelt, der die in der SPÖ unter Dauerkritik stehende Parteichefin ablösen könnte. Rendi-Wagner und Deutsch nehmen den Namen Lercher nicht in den Mund; aber schon der Hinweis, dass aus dessen Zeit ein Schuldenberg stehengeblieben sei, ist natürlich nicht imagefördernd.

Doch es gibt Zweifel an der von Rendi-Wagner und Deutsch präsentierten Geschichte. Ein Dokument aus der SPÖ-Zentrale, das dem STANDARD vorliegt, weist zum Zeitpunkt des Machtwechsels einen deutlich geringeren Schuldenstand aus, als das heutige Spitzenduo anführt. Die Aufstellung beinhaltet Kontoauszüge der Partei bei drei Banken vom 18. September 2018, dem Tag, als Kern seinen Rückzug von der Parteispitze verkündete: Demnach betrug die Gesamtverschuldung der SPÖ zu diesem Zeitpunkt 10,578 Millionen Euro.

Funktionäre aus der Kern-Zeit halten die 14 Millionen Euro, die Rendi-Wagner für den Stichtag 24. November 2018 angibt, deshalb nicht für plausibel. Außerdem seien auch damals längst Schulden abgebaut worden, habe Kern doch von Vorgänger Werner Faymann gleich Verbindlichkeiten von 20 Millionen übernommen.

Man könne die vom STANDARD zitierte Zahl nicht nachvollziehen, sagt dazu ein Sprecher der Parteispitze und verweist darauf, dass in den genannten 14 Millionen auch offene Rechnungen inkludiert seien, die zu Rendi-Wagners Antritt 1,5 Millionen betragen hätten. Bleibt noch eine Diskrepanz von zwei Millionen zwischen den beiden Darstellungen. In den zwei Monaten von Kerns Aufgabe bis zu Rendi-Wagners offizieller Bestellung müsste der Schuldenstand jäh um diese Summe gestiegen sein.

Auch die von den Kündigungen bedrohte Belegschaft nahm die Erklärung der Führung bei der Betriebsversammlung nicht unwidersprochen hin. Immerhin sei Rendi-Wagner jetzt schon ein Jahr am Ruder, so eine Kritik, da hätte früher gegengesteuert gehört. Stattdessen habe die SPÖ eine teure, aber offenbar wirkungslose Wahlkampagne gefahren, die sie sich nicht wirklich leisten konnte: Laut Analyse der Marktforscher vom Focus-Institut hat die Wahlverliererin mehr für Werbung ausgegeben als die ÖVP.

Ärger über Beraterverträge

Nicht minder im Verdacht der Verschwendung stehen Verträge mit externen Beratern. Zwei der insgesamt sieben Vereinbarungen sind in die Schlagzeilen geraten. Eine davon betrifft die Firma Leykam, wo Lercher Vorstand ist. Weil der Nationalratsabgeordnete aber bei der Belegschaft in der SPÖ-Zentrale beliebt ist, richtet sich die Kritik vor allem gegen den Vertrag mit Ex-Faymann-Berater Nedeljko Bilalic, der für seine Dienste 24.000 Euro brutto im Monat erhält. Das Honorar wird nun abgespeckt (siehe unten), doch Genossen fragen: Warum hat sich eine Partei in Geldnot den Mann trotz schwer nachweisbaren Erfolgs so lange geleistet?

Bereits Abschied genommen hat Andrea Brunner, die zweite Bundesgeschäftsführerin neben Deutsch. Es sei ihr in der Situation nicht mehr möglich, die Rolle der "Mittlerin" zwischen Parteiführung und der Belegschaft zu spielen, begründete sie via Facebook. Dem Vernehmen nach soll Brunner zunehmend von Informationen abgeschnitten gewesen sein.

"Alternativlos" nennt Deutsch den Sanierungskurs. Bis Ende 2025 soll der Schuldenstand auf null sinken, schon für 2020 ist ein ausgeglichenes Budget geplant. Wer von Kündigungen betroffen ist, stehe noch nicht fest: Bei den 27 Personen handelt es sich um eine prinzipielle Meldung an das Frühwarnsystem des AMS, am Ende könnten es auch weniger sein. Er wolle jeden einzelnen Fall mit dem Betriebsrat besprechen, verspricht Deutsch. All das gehe ihr menschlich nahe, ergänzt Rendi-Wagner: "Wir werden mit weniger Mitarbeitern mehr leisten müssen." (Gerald John, 26.11.2019)