Netanjahu-Fans versammelt sich am Dienstagabend in Tel Aviv.

Foto: APA/AFP/Guez

Netanjahus Anhänger hatten auch einen Kuchen gebacken.

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Wie viele Menschen waren denn nun gekommen zur Pro-Netanjahu-Demonstration vor dem Tel-Aviv-Museum im Zentrum der Stadt? Selten wurde in den sozialen Netzwerken so leidenschaftlich über die Teilnehmerzahl gestritten wie bei der Demonstration am Dienstagabend. Schließlich sollte sich daran messen lassen, wie viel Rückhalt Premier Benjamin Netanjahu noch hat, seitdem klar ist, dass er in drei Korruptionsfällen angeklagt wird. Während Kritiker gerade einmal von 4.000 Teilnehmern sprachen, twitterte Netanjahu eine Luftaufnahme und den Text: "15.000-mal Danke." Die Wahrheit dürfte irgendwo dazwischen liegen.

Es waren wohl einige tausend Teilnehmer, die mit wehenden Flaggen und Transparenten kamen, um sich mit Netanjahu solidarisch zu zeigen und gegen die Justiz zu demonstrieren, die in ihren Augen eine Hetzjagd gegen den Premier betreibt. Seit Donnerstag ist bekannt, dass Generalstaatsanwalt Avichai Mandelblit Netanjahu wegen Betrugs, Bestechlichkeit und Untreue vor Gericht bringen will. Netanjahu nannte das einen Putschversuch – und das sahen die Menschen auf dem Vorplatz des Museums ebenso: "Bibi ist unschuldig. Aber für die Justiz, die von den Linken kontrolliert wird, steht er auf der falschen Seite des politischen Spektrums. Sie mögen ihn einfach nicht", sagte die 40-jährige Meitar, die aus einer Siedlung im besetzten Westjordanland, rund 50 Kilometer östlich von Tel Aviv, zur Demo gekommen war.

Beten für Netanjahu

Zahlreiche Teilnehmer waren sogar in Bussen herangekarrt worden. Für sie war kein Weg zu weit, um ihren Bibi zu unterstützen. Schließlich gibt es in ihren Augen zu Netanjahu keine Alternative: "Er ist in allen Bereichen erfolgreich, nicht nur beim Thema Sicherheit. Er hat gute diplomatische Beziehungen mit so vielen Ländern aufgebaut, und auch der Wirtschaft geht es gut. Wir beten, dass er Premierminister bleibt", erzählt Meitar.

Organisatoren der Kundgebung waren zahlreiche rechte Organisationen, Netanjahus Likud soll an der Planung und Finanzierung beteiligt gewesen sein. Im Vorfeld hatten israelische Medien über Schwierigkeiten berichtet, Anhänger dazu zu bewegen, an dem Protest teilzunehmen. Zehntausende Einladungen sollen per SMS verschickt worden sein. Doch innerhalb der Partei habe es nicht viele gegeben, die bereit waren, auf der Demo zu sprechen. Wohl auch, weil sie sich nicht gegen das israelische Rechtssystem stellen wollten, das Netanjahu in den vergangenen Tagen verbal angegriffen hatte. Seine Forderung: jetzt auch gegen die Ermittler zu ermitteln.

Auch wenn der interne Aufstand in der Partei bislang ausbleibt: Netanjahu bekommt mehr und mehr Gegenwind. Nicht umsonst teilte der Likud am Dienstag per Twitter mit, dass Netanjahu und Knesset-Sprecher Yuli Edelstein nach einem Treffen die "Einigung im Likud" forderten und dazu aufriefen, innere Spaltungen und Streitigkeiten zu vermeiden. Langzeitrivale Gideon Saar hat bereits angekündigt, Netanjahu bei der Wahl des Likud-Vorsitzes herausfordern zu wollen – mit dem Ziel, danach eine große Koalition zu bilden.

Zur Demo erschienen war entgegen israelischen Vorberichten die Netanjahu-treue Kulturministerin Miri Regev. Sie betonte in ihrer Rede, dass die Menschen auf diesem Platz die eigentlichen Hüter der Demokratie seien, die an die Justiz glaubten, und dass vielmehr die Strafverfolger der Demokratie schadeten und sich über das Gesetz stellten. Der Likud-Abgeordnete Miki Zohar rief den Premier dazu auf, stark zu bleiben.

Kritik kam bereits im Vorfeld der Veranstaltung aus der Opposition: Das Recht zu demonstrieren und die Meinungsfreiheit seien das Lebenselixier der Demokratie, erklärte Benny Gantz, Chef des Bündnisses Blau-Weiß, auf Twitter, fügte aber hinzu: "In einer gesunden Demokratie organisiert ein Premierminister keine Kundgebung gegen das Strafverfolgungssystem, für das er verantwortlich ist."

Der Teilnehmerzahl nach zu urteilen war Netanjahu allerdings nur mäßig erfolgreich darin, die Massen gegen die Justiz zu mobilisieren. Auch die Stimmung auf der Demo selbst war eher ernüchternd: Angestimmte Gesänge wie "Das Volk fordert Gerechtigkeit" ebbten innerhalb von Sekunden wieder ab. Spannend bleibt, ob die für Samstag geplante Demonstration vor dem Tel Aviver Habima-Theater größer und lauter wird: Dann wollen sich Korruptionsgegner versammeln und gegen Netanjahu demonstrieren. (Lissy Kaufmann aus Tel Aviv, 27.11.2019)