Ein Eisbär hat sich im Juni auf der Suche nach Nahrung in die russische Stadt Norilsk verirrt.

Foto: APA/AFP/Zapolyarnaya pravda news

Der Klimawandel schreitet voran. Viele Klimawandelleugner und -skeptiker glauben allerdings nicht so recht daran. Zahlreiche Mythen haben sich rund um den Klimawandel gebildet. Wir haben die STANDARD-Community gefragt, welche Mythen sie immer wieder hören und ob sie dem Glauben schenken – und Gegenargumente gesammelt.

Mythos 1: Österreich ist ein kleines Land. Was wir tun oder nicht, ist egal.

Antwort: Ja, die zwei größten Emittenten weltweit sind China und die USA. Und ja, beide Staaten nehmen es mit dem Klimaschutz nicht in allen Belangen so genau. Ist Europa damit aus dem Schneider? Nein. Die EU, die sich aus größeren, aber auch aus vielen kleinen Ländern wie Österreich zusammensetzt, belegt immerhin Platz drei der weltweit größten Emittenten. In Europa konsumierte Güter werden zudem auf der ganzen Welt produziert. Deren Emissionen fallen in den Produktionsländern an. So entstanden 38 Prozent von Österreichs konsumbasierten Emissionen im Jahr 2011 – so die letzten verfügbaren Daten – in Ländern außerhalb der EU, wie China oder Indien.

Gemessen an den Gesamtemissionen verursacht die Republik zwar nur einen kleinen Anteil, der Pro-Kopf-Ausstoß liegt allerdings weit über dem globalen Schnitt.

Es geht bei der Diskussion aber nicht nur darum, wie viel CO2 einzelne Bürger reduzieren, sondern auch darum, wie die Politik agiert. Hier kann sich Österreich stark einbringen – beispielsweise auf EU-Ebene. Dort könnte die Regierung Druck erzeugen, damit Klimaschutz Gesetz wird. Nicht zuletzt könnte Österreich beispielgebend vorangehen und in emissionsarme Technologien investieren oder die Reduktionsziele hinaufschrauben. Dass die Wirtschaft trotz Klimaschutzmaßnahmen wachsen kann, haben skandinavische Länder längst bewiesen.

Mythos 2: Dank technischen Fortschritts wird alles gut.

Antwort: Geothermie, Windparks, massiver Ausbau der Solarenergie – alleine im Energiebereich sind die technischen Möglichkeiten so vielversprechend (und mitunter kostengünstig), dass man sich eigentlich wieder beruhigt zurücklehnen könnte – oder? Leider nein, so einfach ist die Sache nicht. Der Energiesektor ist zwar wichtig, für die gigantische Menge an CO2 in der Erdatmosphäre gibt es aber noch eine ganze Reihe weiterer Verantwortlicher.

Ob uns die Technik retten kann? Kommt drauf an, wen man fragt. Bill Gates zum Beispiel würde wohl bejahen, er investiert aktuell in ein "Solar-Engineering"-Projekt. Der Plan: Eine chemische Wolke soll rund um den Erdball verteilt und das Sonnenlicht von den Schwefeldioxidteilchen reflektiert werden. Ein erwünschter Effekt wäre: Der Planet würde auf diese Weise künstlich gekühlt. Die große Unbekannte: mögliche unerwünschte Wirkungen, wie trüber Himmel, Zunahme von Ultraviolettstrahlen oder Störung der Wetterlagen. Die UN haben 2010 daher ein Moratorium für Geo-Engineering ausgesprochen. Acht Jahre später erklärte das Intergovernmental Panel on Climate Change, die technische Beeinflussung des Klimas könnte eine temporäre Abhilfe sein – allerdings nur, wenn alle anderen gegen die Erdüberhitzung unternommenen Anstrengungen gescheitert sind.

Mythos 3: Die paar Grad Erwärmung sind nicht so schlimm.

Antwort: Die Unterzeichner-Staaten haben sich im Rahmen der Pariser Klimakonvention dazu bekannt, die globale Erwärmung im Vergleich zu vorindustriellen Werten auf unter zwei Grad Celsius zu begrenzen und 1,5 Grad anzustreben. In manchen Ländern, wie Österreich, ist dieser Wert schon erreicht.

Würde die Temperatur auf dem gesamten Planeten um 1,5 oder zwei Grad steigen, hätte das schwerwiegende Folgen, wie ein Bericht des Weltklimarats verdeutlicht. Zum einen werden Extremwetterereignisse wie Starkregen oder Stürme zunehmen. Bei einem Plus von 1,5 Grad werden sechs Prozent der Insekten und acht Prozent der Pflanzen aus ihrem angestammten Lebensraum verschwinden. Bei zwei Grad Plus steigen diese Werte auf 18 (Insekten) und 16 Prozent (Pflanzen) an. Durch die Erhitzung übersäuern Meere, was sich wiederum negativ auf deren Ökosysteme auswirkt. Der Meeresspiegel wird weiter steigen – und Menschen, die in Küstenregionen leben, verdrängen. In Ballungszentren wird die Zahl der Hitzetoten steigen. Forscher warnen zudem vor "Kipppunkten", durch deren Überschreitung irreversible Schäden entstehen.

"In den vergangenen 10.000 Jahren hatten wir im Wesentlichen Ausschläge von einem halben bis zu maximal einem Grad nach oben und unten", erklärt Klimaexperte Karl Steininger. "Zwei Grad mehr im globalen Durchschnitt bedeuten also ein wesentlich anderes Klima." Auch das häufig verwendete Argument "Bei uns schneit es eh" zieht nicht. Durch den globalen Temperaturanstieg häufen sich unterschiedliche Extremwetterereignisse – dazu zählen auch Schneestürme.

LastWeekTonight

Mythos 4: Es gibt keinen von Menschen verursachten Klimawandel.

Antwort: Hierbei handelt es sich um die Urmutter aller Klimaverschwörungstheorien. Dazu eine Zahl: 97 Prozent. 97 Prozent der Klimaforscher sind einig, dass auch der Mensch die globale Erderwärmung verursacht. Das hat eine Metaanalyse von 928 Publikationen ergeben. Wieso es immer noch sogenannte Skeptiker – Achtung, Euphemismus für Leugner – gibt? Das hat eine Reihe von Gründen, darunter:

  • Die politische Einstellung: Auch ein nicht unbedeutender Staatschef spricht von einem Hoax.
  • Die Wirksamkeit von Falschinformationskampagnen: Besonders erfolgreich war hier das "Global Warming Petition Project". Die Unterschriften von 31.000 Amerikanern sollten belegen, dass der Mensch keine Schuld an der Zerstörung des Klimas trägt. Der Haken: Viele davon waren keine Wissenschafter, einige nicht einmal real existierende Personen. Dennoch handelt es sich hier um jenen Klimaartikel, der laut einer Studie von 2016 in sozialen Medien am häufigsten geteilt wurde.
  • Falsch verstandene Ausgewogenheit in medialer Berichterstattung: Nicht jeder seriöse Wissenschafter braucht einen Zweifel säenden Gegner. Das Problem: Falschinfos wirken. Fakten drohen dadurch überlagert zu werden.

Was jedenfalls wirkt, ist die Kraft der Zahlen. Wurde an dieser Stelle schon erwähnt, dass 97 Prozent ...?

Müssen wir uns alle vegetarisch oder vegan ernähren?
Foto: APA/AFP/ISABEL INFANTES

Mythos 5: Wir müssen alle Vegetarier werden, um das Klima zu retten.

Antwort: Mit Karottensticks der Erdüberhitzung den Kampf ansagen? Ja, der gestiegene Fleischkonsum hat negative Folgen für das Klima. Land- und Forstwirtschaft sind laut Weltklimarat für 23 Prozent der Treibhausgasemissionen verantwortlich. Die intensive Viehwirtschaft bringt einen erheblichen Methan- und Lachgasausstoß mit sich. Hinzu kommt jenes CO2, das beim Transport von Schweinerippen, Rinderhüftsteaks und Co entsteht – das betrifft die Lieferwege, aber auch den Energieverbrauch entlang der Kühlkette. Bloß: Transportiert und gekühlt wird auch Gemüse.

Was Fleischverzicht bringen kann? Laut einer Studie der Universität Oxford (2016) hätte das neben klimatischen auch gesundheitliche Vorteile. Errechnet wurde: Bei vegetarischer Kost würden die im Ernährungssektor anfallenden Emissionen um 63 Prozent sinken, noch größer wäre der Effekt bei rein veganem Essverhalten: 70 Prozent weniger Ernährungsemissionen. Effizienter wäre nur, die Lebensmittelverschwendung zu reduzieren. (Nora Laufer, Karin Riss, 1.12.2019)