Der Life Ball fand 2019 zum 26. und letzten Mal statt.

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Das verkündete Aus für den Life Ball rief Verzweiflung und Kopfzerbrechen bei der Aids-Hilfe Wien hervor. Sogar die Forderung nach einem Fonds, der die dadurch entstehende finanzielle Lücke schließt, wurde laut. Immerhin fehlen der Aids-Hilfe künftig zwischen 100.000 und 200.000 Euro, die Life+, der Verein hinter dem schrillen Ball, jährlich spendete.

Nicht ganz zu diesen finanziellen Nöten passen die Pläne, die die Aids-Hilfe Wien am Mittwoch verkündete: Man wolle das eigene Angebot ausbauen, die Diagnose auf die sogenannten Big Five – also die gängigsten Geschlechtskrankheiten – ausweiten, außerdem die Arbeit mit männlichen Sexarbeitern aufnehmen. Nur: Wer soll das bezahlen?

Wolfgang Wilhelm, Obmann der Aids-Hilfe Wien, ist zuversichtlich: "Wir können all das mit dem bisherigen Budget erfüllen", sagt er und macht damit einen Aufruf, die Fördergelder der Stadt Wien und des Gesundheitsministeriums in ihrer bisherigen Höhe beizubehalten.

Für 2019 waren das 1,11 Millionen Euro vom Gesundheitsministerium und 840.000 von der Stadt Wien, aktuell wird das Budget für 2020 verhandelt. Man sei in Gesprächen mit beiden Partnern und zuversichtlich, heißt es von Wilhelm, "die Signale sind zustimmend" – allerdings sei unklar, welche Regierung das Budget beschließen werde.

Neue Partynacht

Um die zusätzlichen Aktivitäten zu finanzieren, seien "interne Verschiebungen" und eine "Neuorientierung" nötig, sagt Wilhelm. Die 110.000 Euro, die zuletzt von Life-Ball-Organisator Life+ kamen, seien vor allem in die Direkthilfe gegangen, also für Tagesstrukturen für HIV-Patienten, etwa Mahlzeiten, ausgegeben worden. Vieles davon sei nicht mehr nötig, weil Patienten heute auch mit HIV im Arbeitsleben stehen könnten, sagt Wilhelm. Dadurch würden zum Beispiel Sozialarbeiter frei, die dann in einer Anlaufstelle für männliche Sexarbeiter eingesetzt werden könnten.

Auch wenn der Life Ball aller Voraussicht nach heuer zum 26. und letzten Mal stattfand, verzichtet Organisator Gery Keszler nicht auf das Feiern für den guten Zweck. In der Nacht vom 30. November auf den 1. Dezember findet die Lange Nacht der Solidarität statt, bei der auf 15 verschiedenen Veranstaltungen Spendengelder lukriert werden sollen. Für verschiedene Aids-Hilfsorganisationen soll es damit wieder Unterstützungen geben, sagt Keszler, allerdings nicht mehr in der gewohnten Höhe – man rechne damit, weniger Geld zu lukrieren: "Das ist ja kein Life Ball", sagt Keszler. Durch diesen nämlich sei in der Vergangenheit pro Jahr etwa eine halbe Million geflossen. Keszler warnt sogar, dass einzelne Hilfsorganisationen durch den Ausfall nun vor dem Ende stünden.

Zum Welt-Aids-Tag am 1. Dezember zeigen auch die Wiener Linien Solidarität.
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Die Aids-Hilfe Steiermark bat am Mittwoch um Spenden und Patenschaften. Seit Jahren seien die Spenden, die man vom Life Ball bekommen habe, zurückgegangen, sagt Manfred Rupp, Geschäftsführer der Aids-Hilfe Steiermark – von über 42.000 Euro im Jahr 2016 auf heuer nur noch 4.000 Euro. Insgesamt erhielt man bis Oktober 2019 nur knapp 10.000 Euro, so Rupp, damit könne man finanzielle Engpässe der Klienten kaum mehr überbrücken.

Arztpraxis im Aids-Haus

Von einem Aus der Aids-Hilfe Wien will Obmann Wilhelm nicht sprechen, als er den "Changeprozess" ausruft. So plane man etwa, sogenannte "Checkpoints", also zielgruppenspezifische mobile Teststationen, zu errichten und ein Heimtestsystem aufzubauen, mit dem sich Menschen in Niederösterreich und im Burgenland zu Hause selbst auf HIV testen können. Außerdem wolle man, "wenn wir die Menschen schon stechen", nicht nur auf HIV testen, sondern auch auf Syphilis, Tripper, Chlamydien und virale Hepatitis.

Und: Wer zur Aids-Hilfe kommt, soll künftig nicht nur diagnostiziert, sondern auch behandelt werden, daher soll eine Arztpraxis in das Aids-Hilfe-Haus an der Gumpendorfer Straße integriert werden. Notwendig sei das unter anderem, weil zuletzt der Kondomgebrauch zurückging. Die Zahl der Erstdiagnosen sei immer noch "konstant hoch", auch wenn weltweit die Zahl der HIV-Infektionen zurückgehe, heißt es von der Aids-Hilfe Wien.

HIV-positive Menschen erreichen mittlerweile dank Therapie ein durchschnittliches Lebensalter. Dass jemand, bei dem das Virus nicht mehr nachweisbar ist, es auch nicht mehr weitergeben kann, ist seit Jahren bekannt. Außerdem sind sogenannte Preps um 60 Euro pro Monat in drei Apotheken Österreichs erhältlich – deren Einnahme schützt vor einer Infektion. (Gabriele Scherndl, 27.11.2019)