Salzburg spielte sich gegen Genk erneut in einen Rausch.

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Der Jubel über vier Treffer.

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Erling Haaland traf eigentlich zweimal, sein erstes Tor wurde aus unerfindlichen Gründen aberkannt.

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Genk – Red Bull Salzburg hat sich am Mittwoch ein Aufstiegsfinale in der Champions League erarbeitet. Österreichs Serienmeister besiegte KRC Genk auswärts mit 4:1 (2:0) und rückte in der Gruppe E nach einem 1:1 im Parallelspiel bis auf zwei Punkte an den Zweiten Napoli und drei Zähler an Liverpool heran. Der Titelverteidiger ist am 10. Dezember noch in Wals-Siezenheim zu Gast.

Napoli trifft zum Abschluss zu Hause auf Genk. Schon jetzt steht fest, dass die Bullen nach dem zweiten Sieg gegen den belgischen Meister, den man vor eigenem Publikum mit 6:2 abgefertigt hatte, fix im Europacup überwintern. Sollte das Husarenstück gegen die Reds zum Abschluss nicht gelingen – mit jedem Sieg, bei dem man nicht mehr als drei Gegentore erhält, würde Salzburg auf Kosten von Liverpool oder Napoli ins Achtelfinale einziehen –, wäre man zum siebenten Mal in der Klubgeschichte und zum dritten Mal in Folge in der K.-o.-Phase der Europa League dabei.

Gleiche Formation wie in Liverpool

In Genk trafen Patson Daka (43.), Takumi Minamino (45.), Hwang Hee-chan (69.) und Erling Haaland (87.). Für den als Joker gekommenen Norweger war es der achte Treffer im fünften Spiel in der Königsklasse. Das war vor ihm noch keinem Teenager in der Champions League gelungen. In jedem davon hat der von Topklubs in Europa gejagte 19-Jährige getroffen. Den mittlerweile sechs Pflichtspiele sieglosen Genkern gelang durch Ally Samatta (85.) nur Ergebniskosmetik.

Marsch setzte auf jene Formation, die auch beim packenden 3:4 bei Liverpool begonnen hatte. Nur der Tormann war mit Carlos Coronel ein anderer, der Brasilianer vertrat weiter den nach einem überstandenen Muskelbündelriss noch nicht mitgereisten ÖFB-Teamgoalie Cican Stankovic. Gespielt wurde im Gegensatz zu den jüngsten Auftritten mit einer Raute, Zlatko Junuzovic gab dabei den defensivsten Mittelfeldspieler im Zentrum.

Beinahe hätten die 750 mitgereisten Salzburg-Anhänger schon nach etwas mehr als einer Minute jubeln können, Gaetan Coucke parierte allerdings einen Onguene-Volleyschuss. Die Gäste waren also gleich gut im Spiel, machten auch mehr dafür, ließen aber vorerst die nötige Zielstrebigkeit vermissen. Daka verfehlte eine Minamino-Hereingabe nur knapp (20.) und schoss den Ball aus sieben Metern völlig frei stehend nach Hwang-Vorarbeit mit der Ferse in die Wolken (35.). Das hätte sich beinahe gerächt, Coronel konnte sich bei seiner einzigen Prüfung in Hälfte eins bei einem Samatta-Schuss auszeichnen (38.).

Paukenschlag vor der Pause

Kurz vor dem Pausenpfiff legten die Gäste noch den Grundstein für den Sieg – dank tatkräftiger Mithilfe von Coucke. Der 20-jährige Belgier wehrte einen harmlosen Szoboszlai-Freistoß-Nachschuss nach vorne ab und lieferte damit eine perfekte Vorlage für Daka, der aus kurzer Distanz vollendete. Sein obligatorischer Saltojubel durfte natürlich nicht fehlen. Zwei Minuten später traf Minamino ins lange Eck nach Zuspiel des etwas glücklich an den Ball gekommenen Enock Mwepu.

Nach Wiederbeginn erhöhten die Belgier bei der Champions-League-Premiere des neuen deutschen Trainers Hannes Wolf den Druck, bei einem Dewaest-Kopfball (63.) rettete die Stange für Salzburg. Kurz zuvor war Haaland in die Partie gekommen. Und der Norweger setzte sich kurze Zeit später gleich richtig gut in Szene. Nach seiner Hereingabe vollendete Hwang am Fünfer. Genk gab aber nicht auf. Coronel parierte einen Ito-Fernschuss (73.), patzte allerdings in der Folge bei einem Bongonda-Schuss, den er nach vorne abprallen ließ, weshalb Samatta per Kopf abstauben konnte. Der Schlusspunkt war wieder Salzburg vorbehalten. Haaland kam etwas glücklich aus sechs Metern zum Abschluss und ließ sich diese Chance nicht entgehen.

Dank dem zweiten Champions-League-Sieg im fünften Spiel ging eine Serie weiter, mit Coronel im Tor blieb man auch im siebenten Pflichtspiel in Folge unbesiegt.

"Es ist möglich"

Die Vorfreude auf den Showdown gegen Champions-League-Titelverteidiger Liverpool war nach dem 4:1 in Genk riesig. "Unser Ziel war es, im letzten Spiel zu sein und eine Chance zu haben, dass wir am Leben sind. Und wir sind da", sagte Salzburg-Trainer Jesse Marsch. "Gegen eine Mannschaft wie Liverpool ist es eine Wahnsinnsgelegenheit. Es ist ganz schwierig, aber es ist möglich. Warum nicht?"

"Wir sind glücklich und zufrieden mit unserer Leistung in diesem Turnier", betonte Marsch. "Aber das letzte Spiel ist vielleicht die größte Herausforderung in der Karriere von vielen Spielern und Trainern – im Leben von allen." Man habe im Lauf der Saison bereits viele gute Momente erlebt. Die Mannschaft habe eine gute Entwicklung genommen. "Und ich denke, das hat uns diese Chance gegeben."

Es ist eine außergewöhnliche Gelegenheit. "Wir haben jetzt ein Endspiel, ein 'Finale dahoam' gegen Liverpool. Besser geht es nicht", meinte Mittelfeld-Routinier Zlatko Junuzovic. "Jetzt wird die Hütte brennen, wie sie noch nie gebrannt hat. Das wird das Spiel des Jahres." Jeder bisherige Champions-League-Auftritt sei ein Highlight für sich gewesen. "Wir haben uns in einer unglaublich guten Gruppe eine sehr gute Ausgangsposition geschaffen."

Zumindest Europa League

Platz drei und den Umstieg in die Europa League, in der sie bereits in den vergangenen Jahren für Furore gesorgt haben, haben die Bullen in jedem Fall bereits sicher. Mit sieben Punkten ist im Dreikampf mit Liverpool (10) und SSC Napoli (9) aber noch alles möglich. Den Engländern reicht in Salzburg allerdings ebenso ein Remis zum Aufstieg wie den Italienern im Parallelspiel zu Hause gegen Genk.

Belgiens Meister hatte den Bullen wenig entgegenzusetzen, kassierte wie beim Auftakt im September (6:2) eine deutliche Niederlage. "Es ist extrem schwer gegen Salzburg. Sie können ein extrem hohes Tempo spielen, das war für uns teilweise zu viel", meinte dessen neuer Trainer Hannes Wolf.

Die Tormaschine lief. Nur Bayern München (21) und Tottenham (17) haben in dieser Champions-League-Saison bisher öfter getroffen als die Salzburger (16). "Wir haben sehr gut gespielt, sehr reif", lobte Marsch. "Das war sehr clever, sehr abgezockt, sehr ruhig", ergänzte Junuzovic. Salzburgs Sportdirektor Christoph Freund sprach gar vom "besten Spiel in dieser Saison". Die Balance zwischen Offensive und Defensive habe sehr gut gepasst.

Sonderlob vom Trainer gab es für Hwang Hee-chan. "Er ist auf einem richtig guten Weg", sagte der US-Amerikaner über seinen Spieler des Spiels. Hwangs schwieriges Leihjahr beim Hamburger SV – ausgerechnet unter Trainer Wolf – ist vergessen. Marsch: "Er hat Klarheit und Selbstvertrauen."

In den Schatten gestellt wird der Südkoreaner aber noch von seinem Sturmpartner. Erling Haaland traf auch in seinem fünften Champions-League-Spiel. Der 19-Jährige hält nun bei acht Toren in der Königsklasse – dabei wurde er wegen kleinerer Verletzungen zweimal nur eingewechselt. "Ich mag es, wenn alle auf mich schauen", sagte das Wunderkind. Sie werden es auch am 10. Dezember tun. Haaland: "Liverpool ist das beste Team der Welt, aber wir haben zu Hause eine gute Chance."

Abgänge zahlreicher Leistungsträger im Sommer

Noch im Sommer hatte es Zweifel daran gegeben, wie gut der Klub die Abgänge zahlreicher Leistungsträger verkraften könne. Er kann, das haben der neue Trainer Jesse Marsch und sein Team auch auf höchster Ebene unter Beweis gestellt. "Die Mannschaft hat unglaubliches Potenzial und entwickelt sich immer weiter", sagte Freund.

Auch durch bittere Niederlagen in Liverpool (3:4) und Napoli (2:3) ließen sich die Bullen nicht von ihrem Weg abbringen. "Wir haben einmal drei Tore bekommen, einmal vier Tore – zu viele Tore", meinte Freund. "Aber wir haben nie gesagt, wir spielen anders, wir stellen uns hinten rein und versuchen irgendwie ein Ergebnis zu bekommen. Wir wollten unseren Fußball spielen. Wir haben das durchgezogen, wofür wir stehen – auch in der Champions League."

In zwei Wochen gegen Liverpool wollen sie es wieder tun. "Es ist die Krönung, dass wir so ein Endspiel in Salzburg haben", erklärte Freund. "Ganz etwas Außergewöhnliches erwartet uns. Ich glaube, in Salzburg hat es noch nie so ein Spiel gegeben." Das Uefa-Cup-Finale des Vorgängerklubs Austria Salzburg wurde 1994 ebenso im Wiener Ernst-Happel-Stadion ausgetragen wie dessen Champions-League-Auftritte im selben Jahr.

25 Jahre später könnte Red Bull Salzburg eine weitere Sternstunde gelingen. "Das ist außergewöhnlich, und das müssen wir aufsaugen. So oft wird es nicht passieren, dass es so eine Konstellation gibt", meinte der Sportchef. Das Liverpool-Spiel hätte man weit mehr als zweimal ausverkaufen können. Es werden aber auch am 10. Dezember nur 29.520 Zuschauer in der längst ausverkauften Arena in Wals-Siezenheim sitzen.

Freund: "In einem Spiel ist vieles möglich"

"Es wird eine unglaubliche Energie im Stadion sein, im ganzen Verein", prophezeite Freund. "Wir haben an dem Tag nichts zu verlieren. Es ist ein absolutes Bonusspiel." Damit, als Gruppendritter in jedem Fall international zu überwintern, habe man das Ziel bereits erreicht. "Aber jetzt wollen wir alles daran setzen, dass wir uns die Krone aufsetzen. Und wenn es nicht so ist, dann sind wir trotzdem in der Europa League – und es war eine super Champions-League-Saison."

Hoffnungen machen sich die Salzburger auch gegen das Starensemble von Jürgen Klopp. "Es ist ein Spiel zu Hause bei uns im Stadion, da muss uns auch erst einmal jemand schlagen – auch wenn wir wissen, wer Liverpool ist und dass wir da schon ein bisschen drunter zu setzen sind", erklärte Freund. "Aber in einem Spiel ist vieles möglich."

Marktwerte der Spieler schnellen in die Höhe

Gute Leistungen in der Königsklasse lassen auch die Marktwerte der Spieler in die Höhe schnellen. Das Interesse internationaler Spitzenklubs an Erling Haaland, Dominik Szoboszlai und Co wird nicht geringer werden. Freund: "Es ist sehr schön, dass unsere Spieler so begehrt sind in Europa. Das ist eine Bestätigung für das, was wir machen." Spitzentalente in jungen Jahren zu entwickeln und teuer zu veräußern ist in Salzburg ein Geschäftsmodell.

Vergangenen Sommer verließen mit Munas Dabbur, Xaver Schlager, Stefan Lainer, Hannes Wolf, Diadie Samassekou und Fredrik Gulbrandsen aber gleich sechs Stammspieler auf einmal den Verein. "Ich kann mich gut erinnern an vor vier, fünf Monaten, als die Schlagzeilen waren, dass wir viele Spieler nicht ersetzen können", sagte Freund. "Jetzt reden wir über ganz andere Spieler. Es ist schon ein bisschen verrückt, wie schnell das läuft." Und in zwei Wochen kommt Liverpool.

Fast jeder Sieg reicht für Salzburg

Die Bullen könnten als erstes österreichisches Team ins Achtelfinale einziehen. Bisher hatte nur Sturm Graz 2000/01 in der Königsklasse überwintert. Damals bestritten die 16 besten Teams noch eine Zwischenrunde in Gruppenform.

Vor der letzten Runde liegen die Salzburger mit sieben Punkten hinter Liverpool (10) und Napoli (9). Die Bullen haben zum Abschluss Liverpool zu Gast. Fast jeder Sieg gegen die Engländer würde zum Aufstieg reichen. Bei Punktegleichheit zählt das direkte Duell (mit Auswärtstorregel). Die drei Auswärtstore beim 3:4 in Liverpool Anfang Oktober könnten für Salzburg daher Gold wert sein.

Sollten alle drei Aufstiegsaspiranten am Ende zehn Punkte haben, weil Napoli im Parallelspiel gegen Genk remis spielt, zählen zuerst die Punkte aus allen Duellen zwischen den drei betroffenen Klubs. Dabei hätte Napoli die Nase vorn. Weil Salzburg und Liverpool bei einem Salzburg-Sieg nach Punkten auch hier gleichauf liegen würden, würde die Tordifferenz innerhalb der Dreiertabelle entscheiden – und ebenfalls für Salzburg und gegen Liverpool sprechen.

Die Szenarien

In folgenden Fällen steigt Salzburg ins Achtelfinale der Champions League auf:

- mit jedem Heimsieg gegen Liverpool, wenn Napoli gegen Genk verliert (Aufstieg als Gruppensieger)

- mit jedem Heimsieg gegen Liverpool, wenn Napoli gegen Genk remis spielt (Aufstieg als Gruppenzweiter)

- mit einem Heimsieg mit zwei Toren Unterschied gegen Liverpool, unabhängig vom Ausgang des Parallelspiels

- mit einem Heimsieg mit einem Tor Unterschied, wenn Liverpool dabei nicht mehr als drei Auswärtstore erzielt – auch das unabhängig vom Ausgang des Parallelspiels. (red, APA, 27.11.2019)

Champions-League, Gruppe E, 5. Runde, Mittwoch

KRC Genk – Red Bull Salzburg 1:4 (0:2)
Luminus Arena, 21.000 Zuschauer, SR Gestranius (FIN)

Torfolge:
0:1 (43.) Daka
0:2 (45.) Minamino
0:3 (69.) Hwang
1:3 (85.) Samatta
1:4 (87.) Haaland

Genk: Coucke – Maehle, Dewaest, Lucumi, De Norre – Cuesta, Berge – Ito (80. Hagi), Hrosovsky (59. Onuachu), Paintsil (65. Bongonda) – Samatta

Salzburg: Coronel – Kristensen, Onguene, Wöber, Ulmer – Mwepu, Junuzovic, Minamino (89. Vallci), Szoboszlai (80. Okugawa) – Daka (62. Haaland), Hwang

Gelbe Karten: Samatta bzw. Junuzovic, Kristensen