Wie groß ist der Unterschied zwischen einem Noob und einem Ex-Profi bei "LoL"? Ziemlich groß.

Foto: Riot Games
Ab Minute 50 geht das Spektakel los.

"Du hast deine Lane jetzt schon verloren", sagt Eni bereits vor dem Beginn unseres Spiels. Der 25-jährige Wiener ist ehemaliger League of Legends-Profi und nun als Streamer unter dem Namen "XoYnUzI" bekannt. Zeitweise spielte er acht bis zehn Stunden täglich, um eine Karriere im E-Sport zu verfolgen. Mittlerweile sind es immerhin vier Stunden pro Tag. In seinem Team für diese Partie League of Legends (LoL) bin auch ich. 28 Jahre alt und LoL-Frischling. Vor rund einem Jahr angefangen und seither regelmäßig gespielt.

Was ist "LoL" eigentlich?

League of Legends ist eine Multiplayer Online Battle Arena (MOBA) und eines der meistgespielten Games weltweit. Das Grundkonstrukt des Spiels ist schnell erklärt: Fünf Spieler treten gegen fünf andere Nutzer an. Das Ziel ist, gegnerische Wachtürme und anschließend den Kern der feindlichen Basis zu zerstören. So weit, so gut. Allerdings weist das kostenlose Spiel einen unglaublichen Tiefgang auf. Fast 150 Champions gibt es mittlerweile, die sich allesamt voneinander unterscheiden und von Hersteller Riot Games regelmäßig überarbeitet werden.

Spiel bereits vorab verloren

Wie schlägt sich also ein Frischling in einem Team mit einem Ex-Profi, der zigtausende Stunden in ein Spiel investiert hat? Nun ja, wie bereits erwähnt, habe ich bereits vor dem Spiel meine "Lane" verloren, was so viel heißt, dass die erste Phase des Games bereits vor dem Start eigentlich entschieden war.

Einerseits spiele ich in meiner Bahn nämlich gegen einen Champion, dessen Fähigkeiten mich kontern. Andererseits habe ich die falschen Runen ausgewählt, also spezifische Spielboni, die man vorab auswählen kann. Die ersten paar Minuten heißt es also zurücklehnen und die Niederlage hinnehmen.

Millionen im Spiel

League of Legends vereint mittlerweile ein Millionenpublikum auf sich und ist mit Abstand der populärste E-Sport-Titel. Das Finale der Weltmeisterschaft 2019 sahen zu den Höchstzeiten fast vier Millionen Menschen gleichzeitig. Im Durchschnitt war es eine Million.

Aufgrund des Zuschauerinteresses sind mittlerweile immer mehr Sponsoren dabei. Zugleich steigen auch die Gehälter für die besten Spieler. Die bekanntesten sind Millionäre, die aber ihre Jugend voll und ganz dem Spiel widmen müssen. Freizeit gibt es als Profi nur sehr wenig. Die Konkurrenz wird immer größer und besser, schnell ist man ausgetauscht.

Ein Coach an der Seite

Für Eni war das Leben als Pro letztlich nichts. Er war Teil des Farm-Teams von Fnatic, einem der erfolgreichsten E-Sport-Teams der Welt. Sein Privatleben war dem Wiener letztlich wichtiger. Nun ist er Streamer und auch Coach. Während wir gemeinsam spielen, gibt er mir durchgehend Tipps und sagt mir ständig, was ich falsch mache.

Zu kritisieren hat er genug, kann im Grunde jede noch so kleine Entscheidung den Ausgang einer Partie beeinflussen. Trotz meiner Unbeholfenheit sieht es aber ganz gut aus. Eni gewinnt seine Lane und gibt den Teamkameraden und mir immer wieder Anweisungen.

Kommunikation ist das A und O

Wie andere Teamsportarten ist auch League of Legends abhängig von dem Zusammenspiel der Kräfte. Einzelspieler, die sich nicht in das Teamgefüge einreihen, erreichen auf professioneller Ebene nichts. "Die Kommunikation ist unglaublich wichtig", sagt auch Eni.

Bei G2, einem der besten Teams weltweit, wurde dies auf die Spitze getrieben. Die fünf Profis müssen teilweise gar nicht mehr miteinander sprechen, da sie fast schon "blind" miteinander kommunizieren und die nächsten Schritte ihrer Mitspieler bereits voraussagen können. Dennoch verlor Europas derzeit bestes Team im Finale der vor wenigen Wochen zu Ende gegangenen LoL-WM klar gegen den chinesischen Kontrahenten Funplus Phoenix.

Eine Gefahr für mein eigenes Team

Die Symbiose zwischen Eni und mir ist unterdessen ausbaubar. Der 25-Jährige versucht mir dort zu helfen, wo es nur geht, allerdings ist mein Gegner einfach stärker. Dies führt dazu, dass er immer mehr an Fahrt gewinnt und auch für das restliche Team eine Gefahr darstellt.

Der sogenannte Schneeballeffekt kann bei LoL schnell eintreten. Dominiert ein Spieler von Anfang an, führt dies dazu, dass er immer mächtiger und schwieriger zu besiegen ist. Einmal schafft es mein Gegner sogar, das gesamte Team auszulöschen, was eindeutig auf meine Kappe geht.

Foto: Screenshot/Gamestandard

Ich werde zum Sieg getragen

Letztlich gewinnen wir das Spiel aber doch, da Eni und auch unsere Mitspieler, die sich aus der Zuschauerschaft des Streamers speisen, mich "carrien", also zum Sieg tragen. Irgendwann sind wir fünf gemeinsam einfach zu stark, sodass die Gegner nichts mehr ausrichten können.

Mein Anteil daran war verschwindend gering. Immerhin drei Kills habe ich vorzuweisen. Gestorben bin ich dafür achtmal. An sieben Kills war ich dafür beteiligt. Ganz so schlecht war ich dann doch nicht, aber ohne ordentliche Mitspieler wäre das eine sehr heftige Niederlage geworden.

Was den Unterschied ausmacht

Der größte Unterschied zwischen Eni und mir war, dass der ehemalige Profi genau wusste, was als Nächstes passieren wird und wo wir nun gemeinsam sein müssen. Viel zu oft bin ich nicht bei meinem Team und laufe wie ein Traummännlein über die Spielkarte. Bei einem taktischen Spiel wie League of Legends ein schwerwiegender Fehler.

Eni bestätigt mir auch meine Beobachtung, gesteht allerdings ein, dass es eine Menge Spielerfahrung braucht, um die Schritte der Gegner einschätzen zu können und sich richtig zu positionieren.

(K)ein hoffnungsloser Fall

Bin ich nun also ein hoffnungsloser Fall?, frage ich Eni nach der zweiten Partie, die wir – trotz mir – erneut gewinnen konnten. Ein eindeutiges Nein lässt sich dem Wiener nicht entlocken, allerdings sagt er, dass ich ja erst seit ein paar Monaten spiele. "Wenn du die nächsten Monate dahinter bist und wirklich regelmäßig spielst und auch Youtube-Videos und Streamer schaust, dann kannst du noch ein guter Spieler werden", sagt der 25-Jährige in einem freundlichen, aber bestimmten Ton.

Die Hoffnung lebt also, für eine Profikarriere ist es ohnehin zu spät. (Daniel Koller, 30.11.2019)