Kaum eine Unternehmenssparte hat ein so schlechtes Image wie Vermittlungsagenturen für 24-Stunden-Betreuung. Der Grund: Es gibt viele schwarze Schafe. Doch nicht nur. 15 Agenturen wurden seit Mai vom Sozialministerium mit einem Qualitätszertifikat ausgezeichnet. Bei einer davon arbeitet Jozefína Habalová.

STANDARD: Würden Sie Ihren Beruf weiterempfehlen?

Habalová: Ja und nein. Es ist keine normale Arbeit. Und sicher kein einfacher Job, weil man so nahe mit Menschen zusammenarbeitet und -lebt. Aber ich versuche immer, mir in den Familien ein zweites Zuhause einzurichten. Man braucht auf jeden Fall die richtige Einstellung und muss für diesen Beruf gemacht sein. Ich bin zufrieden. Es ist aber auch für die Patienten schwierig. Sie waren oft viele Jahre alleine, und dann kommt plötzlich jemand, der immer da ist. Am Anfang ist die Betreuerin ja eine Fremde, das muss man erst einmal akzeptieren, dass jemand ständig sehen kann, was man macht.

Jozefína Habalová kommt aus der Slowakei und arbeitet in Wien. Die Strecke legt sie mit dem Zug zurück.
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STANDARD: Wie ist die Beziehung zu den Patienten?

Habalová: Gut. Man lebt ja den Alltag mit. Einmal habe ich einen Patienten betreut, bei dem hat es sich so angefühlt, als wäre er mein eigener Vater. Und umgekehrt, glaube ich, ist es ihm auch so gegangen. Da kann man sich wie zu Hause fühlen. Ich hatte damit bisher immer Glück.

STANDARD: Und zu den Angehörigen?

Habalová: Die Familien, bei denen ich bisher gewesen bin, waren immer dankbar und nett. Eine Familie, bei der ich früher gearbeitet habe, hat mich so gut angenommen, dass ich sogar Firmpatin geworden bin. Wir sind immer noch in Kontakt, obwohl das jetzt schon fast zehn Jahre her ist. Wir sind wirklich Freunde geworden.

STANDARD: Wie ist das beim aktuellen Betreuungsverhältnis?

Habalová: Auch hier verstehe ich mich mit den Angehörigen sehr gut. Ich war schon bei ein paar Familienfesten dabei, und sie waren auch schon bei mir zu Hause in der Slowakei auf Besuch. Ich bin jetzt seit zehn Monaten bei dieser Familie in Wien-Floridsdorf. Es ist ein sehr enger Kontakt, auch mit der Patientin verstehe ich mich gut. Sie ist 91 Jahre alt und leicht dement. Außerdem hat sie eine künstliche Herzklappe, kann seit einem Sturz nicht mehr gehen und sitzt daher im Rollstuhl.

STANDARD: Was bedeutet das für Ihren Arbeitsalltag?

Habalová: Meistens bin alleine zu Hause mit der Patientin. Ich stehe einige Zeit vor ihr auf, mache mich fertig und warte, bis sie aufwacht. Ich helfe ihr beim Aufstehen und beim Waschen. Manche Tätigkeiten soll sie auch noch alleine durchführen – etwa sich frisieren oder das Gesicht waschen, da achte ich darauf. Dann frühstücken wir gemeinsam, sie isst Kipferl mit Honig oder Marmelade und trinkt dazu einen Kaffee. Wir sprechen über alles Mögliche, beispielsweise darüber, was sie geträumt hat. Dann liest die Patientin, wir singen zusammen oder spielen Karten. Dann gehe ich einkaufen oder koche, währenddessen ist die Patientin die ganze Zeit bei mir in der Küche, manchmal hilft sie mir auch dabei, zum Beispiel beim Äpfelschälen. Dann essen wir zusammen zu Mittag.

STANDARD: Und wann haben Sie mal Freizeit?

Habalová: Am Nachmittag legt sich die Patientin für zwei Stunden hin. In der Zeit habe ich frei. Danach gibt es Kakao und Kuchen. Nachdem ich sie umgezogen habe, gehen wir in die Küche und singen. Dann üben wir Gehen, bei schönem Wetter gehen wir in den Garten oder spazieren. Am Abend schauen wir fern, und die Angehörigen kommen fast jeden Tag vorbei. Der Sohn der Patientin spielt dann mit ihr Klavier oder liest ihr vor. Meistens bin ich dabei, oder ich gehe in mein Zimmer. Ansonsten habe ich nur in der Nacht Freizeit, wenn die Patientin schläft. Nur ganz selten braucht die Patientin mich auch mal in der Nacht. Früher war das anders.

Freizeit habe sie zwei Stunden am Nachmittag und "nachts wenn ich schlafe", sagt Habalová.
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STANDARD: Wieso?

Habalová: In meiner letzten Familie musste ich jede Nacht aufstehen, die Patientin hat oft nur zwei oder drei Stunden pro Nacht geschlafen.

STANDARD: Haben Sie in Ihrem Beruf ausreichend Privatsphäre?

Habalová: Ja, ich habe ein eigenes Zimmer im ersten Stock und kann mich dorthin zurückziehen, etwa wenn Besuch da ist oder die Patientin schläft. Dort telefoniere oder lese ich. Wenn ich gebraucht werde, ruft die Patientin oder die Familie nach mir.

STANDARD: Und nach zwei Wochen Arbeit fahren Sie nach Hause?

Habalová: Ja, dann kommt meine Kollegin, und ich fahre zurück in die Slowakei. Ich fahre immer erst los, wenn meine Kollegin da ist und wir eine Übergabe gemacht haben. Wir besprechen, wie es der Patientin geht, ob es neue Medikamente gibt, Termine mit dem Arzt oder der Physiotherapeutin.

STANDARD: Wie lange dauert die Fahrt?

Habalová: Vier Stunden. Ich kann mir aussuchen, wie ich nach Österreich und wieder zurück fahren will. Ich nehme immer den Zug und nicht die Busse, die auch angeboten werden. Denn das sind meist kleine Busse mit 14 Betreuerinnen, jede wird von zu Hause abgeholt. Das dauert sehr lange. Früher bin ich manchmal mitgefahren und teilweise auf der Strecke in eine Richtung zwölf Stunden in diesem Bus gesessen.

STANDARD: Ist es schwer, so lange von zu Hause weg zu sein?

Habalová: Mit meiner Familie daheim habe ich viel Kontakt, über Whatsapp oder Skype. Es ist nicht einfach, regelmäßig zwei Wochen nicht daheim zu sein. Man kann es aber schaffen, wenn man hier in Österreich zu einer guten Familie kommt.

STANDARD: An wen können Sie sich wenden, wenn Sie im Arbeitsalltag Hilfe brauchen?

Habalová: Entweder an die Agentur, es gibt eine Hotline, die unter der Woche und am Wochenende erreichbar ist. Auch die Angehörigen können sich dorthin wenden. Zum Beispiel, wenn ich krank bin, rufe ich dort an, und dann wird eine Vertretung für mich gesucht. Oder auch, wenn ich andere, fachliche Probleme habe. Dann gibt es diplomierte Pflegekräfte, die vorbeikommen. Oder ich tausche mich mit Kolleginnen aus. Auf Facebook sind die Betreuerinnen, die in Österreich und Deutschland arbeiten, sehr gut vernetzt.

STANDARD: Warum arbeiten Sie mit einer Agentur zusammen?

Habalová: Ich habe früher ohne Agentur gearbeitet, aber so ist es viel einfacher. Wenn man ohne Agentur arbeitet, kann es sein, dass man keinen Lohn bekommt oder einfach so vor die Tür gesetzt wird. Das ist eine Absicherung. (Bernadette Redl, 29.11.2019)