Die Fridays-for-Future-Bewegung ruft heute zum vierten weltweiten Klimastreik auf. Im Gastkommentar geben die Politikwissenschafter Reinhard Steurer und Sarah Louise Nash von der Boku Wien der Politik einen Fingerzeig, was zu tun wäre. Die beiden haben dafür Klimaschutzgesetze quer durch Europa analysiert und leiten daraus Empfehlungen für Österreich ab.

Österreich hat die Klimakrise bislang nicht ernst genommen. Das Kioto-Ziel wurde 2012 mit Zertifikatskäufen auf dem Papier erfüllt, und das Ziel für 2020 ist so schwach – es entspricht einer Stabilisierung der Emissionen auf dem Stand von 1990 –, dass dadurch keine nennenswerten Maßnahmen notwendig wurden. Trotzdem beziehungsweise gerade deshalb ist dessen Einhaltung derzeit nicht sicher. Wenn die Treibhausgasemissionen bis 2030 tatsächlich um 36 Prozent im Vergleich zu 2005 reduziert werden sollen – so das offizielle Ziel –, dann muss bald eine Wende in der Klimapolitik passieren, denn der Nationale Klima- und Energieplan reicht dafür nicht aus. Das aus dem Jahr 2011 stammende Klimaschutzgesetz grundlegend zu erneuern wäre eine erste Weichenstellung.

Nicht viel bewirkt

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"Erde brennt, Basti pennt", subsumiert diese Fridays-for-Future-Demonstrantin die österreichische Klimapolitik. Es muss bald eine Wende passieren, fordern Wissenschafter.
Foto: Reuters/Lisi Niesner

Im Klimaschutzgesetz, das seit 2011 dreimal geringfügig novelliert wurde, ist unter anderem das Klimaschutzziel für 2020 verankert, und aus diesem wurden jährliche Ziele für verschiedene Sektoren abgeleitet. Nach jahrelangen Verhandlungen wurde ein Kostenteilungsschlüssel im Fall verfehlter Ziele zwischen Bund und Ländern im Verhältnis 80:20 festgelegt. Zudem wurde ein Klimaschutzkomitee etabliert, in dem alle im Nationalrat vertretenen Parteien, sämtliche Ministerien, Sozialpartner, Gewerkschaft, Industriellenvereinigung, lokale Akteure, Umwelt-NGOs und ein Wissenschafter vertreten sind. Fortschrittsberichte der Regierung dokumentieren schließlich, dass die Emissionen nicht kontinuierlich sinken, sondern von Jahr zu Jahr schwanken. In Summe hat das Klimaschutzgesetz bislang nicht viel bewirkt.

Internationaler Vergleich

Besonders im internationalen Vergleich werden drei große Mängel des Gesetzes deutlich. Erstens nennt das Klimaschutzgesetz nur ein Ziel für 2020. Jenes für 2030 oder Dekarbonisierung bis 2050 werden – auf Wunsch der Wirtschaftskammer – nicht erwähnt. Großbritannien und Schweden haben beide Dekarbonisierungsziele für 2050 beziehungsweise 2045 gesetzlich verankert, die sogar über EU-Ziele hinausgehen.

Zweitens enthält das Gesetz keine Details dazu, wie die Erreichung der Ziele zu gewährleisten ist. Während die österreichischen Klimastrategien und -pläne gesetzlich unverbindlich und symbolisch sind, schreibt das Klimaschutzgesetz in Großbritannien fünfjährige CO2-Budgets vor, die lange im Voraus festgelegt und mithilfe von Planungsmechanismen verfolgt werden.

Drittens ist das österreichische Klimaschutzkomitee weder ein politisch relevantes Koordinationsgremium noch ein von der Regierung unabhängiges Beratungsgremium. Es handelt sich um eine Art "Info-Drehscheibe", wo Standpunkte unter Ausschluss der Öffentlichkeit diskutiert werden. Die meisten anderen Klimaschutzgesetze in Europa etablierten zumindest ein unabhängiges Beratungsgremium, das die Klimapolitik der Regierung kritisch beleuchtet.

Klimaschutzgesetz 2.0

Die internationalen Beispiele zeigen bereits, wie ein Klimaschutzgesetz 2.0 aussehen müsste, um die Weichen für eine politische Wende zu stellen. Erstens sollten mittel- und langfristige Ziele für 2030 und 2050 gesetzlich – Letzteres sogar als Staatsziel in der Verfassung – verankert werden. Zweitens sollten diese Ziele in verbindliche CO2-Budgets für Sektoren übersetzt und Umsetzungsprozesse fixiert werden. Ergänzt um einen Revisionsmechanismus, der im Fall von überschrittenen CO2-Budgets in Kraft tritt, würde das Verantwortung klären und Planungssicherheit verbessern. Drittens sollte das im Moment sehr intransparente Klimaschutzkomitee abgeschafft und anstelle dessen ein politisch relevantes Koordinationsgremium, ein "Klima-Kabinett", sowie ein von der Regierung unabhängiges, transparent agierendes Beratungsgremium etabliert werden.

Ein Sanktionsmechanismus

Wenn wir Klimaschutz mit der Straßenverkehrsordnung vergleichen, dann haben wir derzeit Tempolimits (Ziele) und Radarkontrollen (Berichte zu Emissionen), aber etwaige Kosten für Übertretungen werden kollektiv beglichen – für die Verfehlung des Kioto-Ziels waren dies übrigens 650 Millionen Euro.

Wenn wirklich sichergestellt werden soll, dass Sektoren ihre CO2-Ziele und -Budgets einhalten, dann müsste das Klimaschutzgesetz diesen einen starken Anreiz dafür geben, indem zum Beispiel der Kostenteilungsschlüssel auf die Bundesministerien ausgeweitet wird oder indem bei Verfehlungen Kompetenzen verlagert und Budgets gekürzt werden. Warum sollte ein Ministerium seine Klimaschutzziele einhalten, wenn Verfehlungen ohne Folgen bleiben?

Im Wahlkampf 2019 hat der Nationalrat die Bundesregierung dazu aufgefordert, den Klimanotstand auszurufen. Jetzt besteht nicht nur die Chance, diesem Aufruf zu folgen. Vielmehr sollte dieser symbolische Akt – von uns kritisch kommentiert – eine Klimapolitik einleiten, die nicht nur Stimmen, sondern auch deutliche Emissionsrückgänge bringt. Eine grundlegende Erneuerung des bislang zahnlosen Klimaschutzgesetzes wäre eine wichtige Weichenstellung dafür. (Reinhard Steurer, Sarah Louise Nash, 29.11.2019)