Koalition steht für die 27. Legislaturperiode des Parlaments noch keine – wohl aber die erste Einigung für einen U-Ausschuss: Angesichts ständig neuer Enthüllungen in der Casinos-Affäre traten Donnerstagvormittag die Parteichefinnen Pamela Rendi-Wagner (SPÖ) und Beate Meinl-Reisinger (Neos) mit ihren erprobten Abgeordneten Jan Krainer und Stephanie Krisper vor die Medien, um die Notwendigkeit eines Aufklärungsgremiums zu betonen.

Die Parteichefinnen Rendi-Wagner (SPÖ) und Meinl-Reisinger (Neos) mit ihren U-Ausschuss-erprobten Abgeordneten Krainer und Krisper: "Es geht darum, Ibiza aufzuklären."
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Rendi-Wagner sprach von "schwerwiegenden Vorwürfen", die in Richtung Korruption bis hinauf in höchste Politämter und Wirtschaftskreise unter der türkis-blauen Koalition reichen – es müsse geklärt werden, ob die damalige Regierung käuflich gewesen sei.

Hintergrund: Im Zentrum von Ermittlungen stehen neben Ex-FP-Bezirkspolitiker Peter Sidlo, der mithilfe der Novomatic zum Casinos-Finanzvorstand bestellt worden ist, Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ), Ex-Finanzminister Löger (ÖVP), dessen früherer Kabinettschef und nunmehrige Öbag-Chef Thomas Schmid sowie Novomatic-Eigentümer Johann Graf und Vorstandschef Harald Neumann. Ermittelt wird wegen Bestechung – sowie gegen die Casinos-Aufsichtsräte Josef Pröll und Walter Rothensteiner wegen Untreue. Für alle gilt die Unschuldsvermutung.

Ibiza als mögliches Drehbuch

An der Seite von SPÖ-Chefin Rendi-Wagner ergänzte Neos-Frontfrau Meinl-Reisinger, dass das Ibiza-Video von Strache "möglicherweise" wie ein Drehbuch für die türkis-blaue Vorgangsweise gedient habe – und da könne man nicht zur Tagesordnung übergehen. Die politische Verantwortung des "Schlamassels" müsse geklärt werden. Schließlich gehe es auch um ÖVP-Regierungsverhandler, die in die Affäre verstrickt sein könnten. Dazu sprach Meinl-Reisinger die Bedeutung der Staatsholding Öbag an – es müsse gewährleistet sein, dass "so etwas nie wieder passiert".

Konkret soll der U-Ausschuss fragwürdige Vorgänge seit Amtsantritt der ÖVP-FPÖ-Regierung mit 18. Dezember 2017 aufarbeiten, weiter zurückliegende Postenbesetzungen wolle man nicht untersuchen, um den U-Ausschuss nicht zu "verwässern". Neben der Casinos-Affäre soll aber auch die Causa Ibiza sowie eine Neuordnung der Bankenaufsicht geprüft werden, erklärte Neos-Abgeordnete Krisper. Nachsatz von SPÖ-Mandatar Krainer: "In Wahrheit geht es darum, Ibiza aufzuklären."

Der rot-pinke Antrag soll am 11. Dezember eingebracht werden, im Jänner könnten nach der Einsetzung des U-Ausschusses die Aktenlieferungen beginnen, mit Ende März, Anfang April stünden dann die Befragungen an.

Argwohn bei roten Postenvergaben

FPÖ-Klubchef Herbert Kickl warf der SPÖ prompt vor, ihr ginge es um ein Vertuschen der eigenen Postenvergaben unter Rot-Schwarz, den Neos bloß um einen Showeffekt. Ähnliche Vorwürfe erhob ÖVP-Verfassungssprecher Wolfgang Gerstl – er nannte die Neos "Erfüllungsgehilfen der SPÖ beim Verschleiern von rotem Postenschacher".

Besonders pikant: Kraft ihrer Stärke im Nationalrat könnte die ÖVP mit ihren 71 Mandataren als einzige Partei allein einen eigenen U-Ausschuss einsetzen – notwendig dafür sind 46 Abgeordnete, also nur Viertel. Zu einem solchen Szenario wollte man sich am Donnerstag im ÖVP-Klub aber nicht äußern. Noch kenne man nicht einmal den genauen Untersuchungsgegenstand, hieß es.

Parlamentsexperte Werner Zögernitz hält dazu im STANDARD-Gespräch aber fest: "Formal wäre es durchaus möglich, dass es zu einem zweiten U-Ausschuss zu einem ähnlichen Komplex kommt." Zur Erinnerung: Zuletzt schossen sich ÖVP und FPÖ etwa auf die angeblich mangelnde Qualifikation des ehemaligen SPÖ-Politikers und mittlerweile abgelösten Casinos-Vorstandsdirektors Dietmar Hoscher ein.

Fest steht, dass auch die Grünen, nun in Koalitionsverhandlungen mit der ÖVP, eine Untersuchung befürworten, die weit länger zurückreicht. Parteichef Werner Kogler begrüßte zwar den anstehenden U-Ausschuss, kritisierte es aber als "durchsichtig, dass man nur mit Türkis-Blau beginnt". Er würde zumindest in der Casinos-Affäre weiter zurückgehen, um auch den Einstieg der Novomatic bei ihrer langjährigen Konkurrentin Casinos Austria 2015 beleuchten zu können. (Andreas Schnauder, Nina Weißensteiner, 28.11.2019)