In Madrid beginnt kommende Woche die Weltklimakonferenz. Abgesandte aus knapp 200 Ländern beraten zwischen 2. und 13. Dezember über geeignete Maßnahmen zur Eindämmung der Erderhitzung.

Foto: afp

Fünf Wochen mehr Sommer als noch vor 80 Jahren. Das hat der spanische Wetterdienst gemessen. Was für Urlauber aus Nordeuropa wie ein Traum klingt, ist für viele ein Albtraum. Denn die steigenden Temperaturen gehen mit sinkenden Niederschlägen einher. Die langanhaltenden Trockenperioden nehmen zu, plötzliche Unwetter auch. Die Waldbrandgefahr steigt; die Brände werden größer. Der Klimawandel trifft Spanien, das Austragungsland des COP 25, stark.

Regierungsstellen gehen davon aus, dass bis 2040 die Menge des zur Verfügung stehenden Wassers um drei bis sieben Prozent abnehmen wird. Die Auswirkungen lassen nicht auf sich warten. Bereits jetzt sind 20 Prozent von Spaniens Landmasse Wüste und "so stark degeneriert, dass eine natürliche Erholung dieser Böden kaum vorstellbar ist", sagt Miguel Ángel Ortega, Chef der Vereinigung für Wiederaufforstung.

Trockenheit und weniger Ertrag

Die Landwirtschaft leidet nicht nur dort, wo bewässert werden muss. Auch Pflanzen, die wie Olivenbäume eigentlich ohne zusätzliches Wasser auskommen, bringen weniger Erträge. Höhere Temperaturen führen zu höherem Zuckergehalt in den Trauben und verändern damit die Weine des Landes – und das nicht zum Guten.

Angesichts des bevorstehenden Klimagipfels melden sich die Umweltverbände zu Wort. "Die Behörden müssen einen radikalen Wandel einleiten, was die Wasserwirtschaft angeht", verlangt etwa Rafael Seiz, Wasserspezialist bei der Spanien-Niederlassung des WWF. Mehr als 1200 Stauseen fangen das Wasser der spanischen Flüsse und Bäche auf. 80 Prozent gehen in die Landwirtschaft. Traditionell trockene Regionen wie das südostspanische Murcia werden über Kanäle aus Zentralspanien versorgt. Die Anbauflächen, die bewässert werden müssen, werden größer.

Experten für Dringlichkeitsmaßnahmen

Ohne Umdenken in der Wasserpolitik könnten bis Mitte des Jahrhunderts 74 Prozent des Landes von Verwüstung betroffen sein, warnt der WWF in einer Studie. "Anstatt den Raubbau am Wasser anzugehen, sind wir zu Experten für Dringlichkeitsmaßnahmen geworden", heißt es dort.

Spaniens Ambitionen in Sachen Klimapolitik seien viel zu niedrig gesteckt, sagt der Direktor von Greenpeace Spanien, Mario Rodríguez, in Richtung des sozialistischen Regierungschefs Pedro Sánchez. Dieser hat den COP 25 nach Madrid eingeladen, nachdem die anhaltenden sozialen Unruhen in Chile eine Austragung in dem südamerikanischen Land erschwert hatten. "Spanien muss seine nationalen Klimabestrebungen erhöhen und seine Emissionen bis 2030 um 55 Prozent gegenüber 1990 senken", fordert Rodríguez.

Versagen der Politik

In Sachen CO2-Ausstoß – die Hauptursache des Klimawandels – versagt die spanische Politik bisher. In keinem anderen europäisches Land hat in absoluten Zahlen der CO2-Ausstoß so zugenommen wie in Spanien. 2017 waren es 51,7 Millionen Tonnen mehr als im Referenzjahr 1990, ein Plus von 17,9 Prozent. Im Europaschnitt nahm der CO2-Ausstoß hingegen um 23,5 Prozent ab.

Spanien ist zudem eines der wenigen EU-Länder, das es nicht geschafft hat, Wirtschaftswachstum und CO2-Ausstoß zu entkoppeln. Schuld sind die Zunahme des Privatverkehrs sowie der Bauboom. Zement- und Backsteinherstellung haben ihren umweltpolitischen Preis. Außerdem wurden in den Jahren der Krise Förderungen für den Ausbau erneuerbarer Energien eingestellt. Wer eine Solaranlage auf sein Dach baute, wurde gar dafür bestraft – durch höhere Gebühren für den Anschluss ans Stromnetz. Erst vor wenigen Monaten wurde diese "Sonnensteuer" abgeschafft. Seit drei Jahren werden wieder Kapazitäten für neue Solar- und Windanlagen versteigert.

Retro-Kurs in Madrid

Ausgerechnet der COP-Austragungsort Madrid macht dieser Tage durch Maßnahmen von sich reden, die den Pkw-Verkehr fördern. Bürgermeister José Luis Martínez-Almeida, der seit Sommer mit Unterstützung der rechtsliberalen Ciudadanos und der rechtsextremen Vox die Geschicke Madrids lenkt, hat die von seiner linksalternativen Vorgängerin eingeführten Verkehrsbeschränkungen in der Innenstadt teilweise wieder zurückgenommen.

Der Klimawandel bedroht neben der Landwirtschaft eine andere wichtige Branche, den Tourismus. Denn besagte Studie des staatlichen Wetterdiensts zeigt, die Sommer werden nicht nur länger, sondern auch heißer … unerträglich viel heißer. Immer öfter steigen die Thermometer auf über 40 Grad. Was vor Jahrzehnten noch Hitzewellen waren, sind längst sommerliche Normaltemperaturen. Eine Studie über "Tourismus und Klimawandel" im Auftrag des spanischen Umweltministeriums geht davon aus, dass die klassischen Urlaubsziele wie die Strände im Osten und Süden des Landes oder Sehenswürdigkeiten im Landesinneren deshalb Besucher einbüßen werden, während die bisher als regnerisch und kalt geltenden nordostspanischen Regionen profitieren könnten.

Gefahr für Tourismus

Nicht nur der Temperaturanstieg gefährden das traditionelle Tourismusgeschäft entlang der Mittelmeerküste. Die Strände drohen zu verschwinden. Bis Mitte des Jahrhunderts wird der Meeresspiegel in Spanien zwischen 17 und 25 Zentimeter ansteigen. Das ist – so eine Studie der Universität Cantabria im Auftrag des Madrider Umweltministeriums – nicht mehr aufzuhalten. Sollten die beim Klimagipfel 2015 in Paris gesteckten Ziele tatsächlich umgesetzt werden, sollen es am Ende des Jahrhunderts um die 50 Zentimeter sein. Im gegenteiligen Falle droht ein Anstieg von bis zu 80 Zentimeter.

Spaniens Regierungschef Sánchez, der in seiner Rolle als COP25-Gastgeber beteuert, eine "Vorreiterrolle in der Klimapolitik einnehmen" zu wollen, geht dieser Tage mit dem Klingelbeutel herum. Er will ausgerechnet bei den spanischen Großunternehmen Geld für die Austragung des Klimagipfels eintreiben.

Umweltbewegung macht mobil

Währenddessen macht einmal mehr die Umweltbewegung mobil. Sie will Sánchez zum Auftakt des COP25 daran erinnern, dass er nicht auf beiden Hochzeiten tanzen kann, der des Klimaschutzes und der des ungezügelten Wachstums. Die Umweltaktivisten hoffen ihren Erfolg vom internationalen Klimastreik im September zu wiederholen. Damals gingen spanienweit Hunderttausende auf die Straße, angeführt von der "Juventud por el clima", der spanische Version der Freitagsstreikenden. (Reiner Wandler aus Madrid, 29.11.2019)