Matt Richtel, "Starke Abwehr. Unser Immunsystem". 22,70 Euro / 490 Seiten. Harper Collins, 2019
Cover: Verlag

Für alle, die den menschlichen Körper grundlegend verstehen wollen, gibt es jetzt eine tatsächlich erhellende Lektüre: Der New York Times-Journalist Matt Richtel hat ein Buch geschrieben, das medizinischen Laien ein überaus komplexes System auf einfache und anschauliche Art und Weise näherbringt.

Eine der großen Stärken des mit dem Pulitzerpreis gekrönten Buchautors ist es, gute Metaphern für schwierige Sachverhalte zu finden. So startet dieses Aufklärungsbuch zum eigenen Körper auch gleich mit einer Kritik.

Immunsystem als Friedensstifter

Die Kriegsmetaphorik, die gerne im Zusammenhang mit dem Immunsystem verwendet wird, sei grundlegend falsch, so Richtel, vielmehr sei davon auszugehen, dass im Körper ein lärmendes Fest des Lebens stattfindet, ein Fest der Zellen sozusagen, mit vielen Gästen, die kommen und gehen, lärmen und trinken und über die Stränge schlagen.

"Das Immunsystem hat die Aufgabe, durch diese wilde Party zu streifen, auf Störenfriede zu achten, um sie – und das ist der entscheidende Punkt – hinauszuwerfen, ohne dass die anderen auf der Party nennenswerten Schaden nehmen." Das Immunsystem sei also eigentlich ein Friedenstifter, der den Organismus in Harmonie hält.

Mit diesem Bild durchpflügt er dann auch die unterschiedlichen Aufgaben des Immunsystems. Das beginnt bei banalen Infekten und der Frage, was genau Fieber ist, erklärt den Funktionsmechanismus von Impfungen und beschreibt, was bei Autoimmunerkrankungen wie Rheuma, bei Krebs, HIV oder Organtransplantationen im Körper passiert.

Das ist nicht nur für betroffene Patienten und Patientinnen überaus hilfreich, sondern vielleicht auch für Ärzte und Ärztinnen, die Kranken in einfachen Worten immunologische Grundlagen näherbringen wollen. Zugleich entsteht mit jedem Kapitel dieses Buches auch ein Bild von der Evolution des Menschen und seinem Überleben in der Natur. Zudem erfahren Interessierte auch sehr praktische Dinge, etwa was dem Immunsystem guttut und was schädlich ist.

Krankengeschichten

Das Buch ist vielleicht ein bisschen amerikanisch, langweilig allerdings zu keinem Moment, denn Richtel illustriert die Theorie zur Funktion des Immunsystems immer wieder auch mit Krankengeschichten. Zentraler Held seines Buches ist sein Freund Jason, einer der Ersten, der eine Immuntherapie gegen seine Krebserkrankung erhielt.

An seinem Beispiel rollt er die Entwicklung neuer Medikamente und damit auch die Geschichte der medizinischen Erkenntnisse in den letzten Jahrzehnten auf. Dabei beschönigt er nicht und zeigt stets auch die Grenzen des derzeitigen Wissens auf.

Wenn er die Entdeckung des HIV-Virus nacherzählt, liest sich das wie ein Krimi mit Happy End, an dem für eine Reihe anderer Krankheiten erst noch gearbeitet werden muss. Und apropos Grippezeit: Wer dieses dicke Buch gelesen hat, weiß, warum alle, die Fieber haben, tatsächlich lieber im Bett bleiben sollten. (Karin Pollack, 3.12.2019)